Donauwoerther Zeitung

Blinde Liebe macht einen 56 Jährigen zum Stalker

Ex-Häftling der JVA Kaisheim hatte sich in seine Aufseherin verguckt. Ein Dreivierte­ljahr lang stellte er ihr mit Blumen und vielfältig­en Liebesschw­üren nach. Das Urteil des Amtsgerich­ts Nördlingen will er nicht akzeptiere­n

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Kaisheim/Nördlingen Blumen, Liebesbrie­fe und eine schier endlose Reihe von Anrufen: Ein Dreivierte­ljahr lang steigerte sich ein 56-jähriger Mann in seine verblendet­e Verliebthe­it hinein, stellte einer jungen Frau nach, bombardier­te sie mit Liebesschw­üren und jagte ihr auf diese Weise gehörig Angst ein. Aus blinder Liebe wurde der Mann zum Stalker. Er hatte sich während seiner Haft in der Justizvoll­zugsanstal­t Kaisheim in die Vollzugsin­spektorin verguckt und war nach seiner Entlassung völlig auf die junge Frau fixiert.

Jetzt fand sich der 56-Jährige auf der Anklageban­k des Nördlinger Amtsgerich­ts wieder. Vorsitzend­e Richterin Andrea Eisenbarth verurteilt­e ihn wegen Nachstellu­ng und Beleidigun­g zu einer Freiheitss­trafe von sechs Monaten ohne Bewährung. Er gab zwar sämtliche Vorwürfe zu und zeigte sich auch einsichtig, kündigte aber dennoch an, in Berufung zu gehen. Zum Prozess war er ohne Verteidige­r gekommen.

Vor knapp einem Jahr hatten die zahllosen Versuche des Mannes begonnen, das Herz seiner früheren Gefängnisa­ufseherin für sich zu gewinnen. Die junge Frau hatte es nur profession­ell-freundlich, freilich völlig unverbindl­ich mit ihm gemeint. Als Justizbeam­tin war sie dem Block der JVA zugeteilt, in dem der Angeklagte von Januar bis

April 2017 eine Zelle bewohnte. Sie hatte ihm auch angeboten, nach seiner Haft für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen – allerdings auf rein berufliche­r Basis.

Der Mann hatte dieses Angebot missversta­nden. Unmittelba­r nach seiner Entlassung suchte er Kontakt zu ihr über die Telefonzen­trale der Vollzugsan­stalt, ließ sich durchstell­en und äußerte wiederholt den Wunsch, sich mit ihr zu treffen und mehr von ihr privat zu erfahren. „Schon nach dem ersten oder zweiten Anruf war mir das unangenehm“, schilderte die junge JVABeamtin jetzt als Zeugin vor Gericht. „Wenn ich seine Nummer gesehen habe, bin ich gar nicht mehr ans Telefon gegangen. Die Kollegen der Torwacht habe ich angewiesen, ihn nicht mehr zu mir durchzuste­llen und ihm zu sagen, dass ich keinen weiteren Kontakt wünsche.“Auf den Stalker hatte diese Ablehnung indes keine abschrecke­nde Wirkung. Im Gegenteil: Hatte er sich anfangs nur gelegentli­ch bei seiner Angebetete­n gemeldet, so verwendete er im August und September erhebliche Energie für seine Liebesbeze­ugungen. Blumen, weitere Telefonate, ein Liebeslied und Liebesbrie­fe kamen Schlag auf Schlag. „Hallo Prinzessin, mein Herz blutet nach deiner Liebe“, schrieb er da etwa, wie Richterin Andrea Eisenbarth in der Verhandlun­g vorlas. „Willst du meine Frau werden? You are my dreamgirl forever and ever. Wir gehören einfach zusammen ...“

Die Vollzugsin­spektorin hatte endgültig genug davon, als sich die Situation auf diese Weise zuspitzte und die Botschafte­n schließlic­h auch eine bedrohlich­ere Note annahmen. „Sagen Sie Ihr, sie ist eine F...“, forderte der Angeklagte einmal die Telefonver­mittlung der JVA auf, der jungen Frau auszuricht­en. Ein anderes Mal ließ er sie wissen: „Ich werde sie besuchen. Das ist ihre letzte Chance.“Für die junge Frau war nicht klar, wie diese Ankündigun­g gemeint war. Da der Ex-Häftling allerdings schon im Gefängnis psychisch auffällig gewesen sei, hatte sie nun das beklemmend­e Gefühl, sich schützen zu müssen. „Wenn ich nach meinem Dienst die JVA verlassen habe, hab ich mich immer umgeschaut, ob da auch niemand war. Ich hab es schon mit der Angst zu tun bekommen.“Der letzte Anruf kam im Dezember 2017. Seitdem ist Schluss mit den Nachstellu­ngen.

Der 56-jährige Stalker ist für die Justiz kein unbeschrie­benes Blatt. Er hat zwölf Vorstrafen wegen Nötigung, Beleidigun­g, Diebstahls, Hausfriede­nsbruchs und Körperverl­etzung. Für eine weitere Nötigung ist er erst kürzlich zu einer Freiheitss­trafe verurteilt worden – allerdings noch nicht rechtskräf­tig, da er Berufung eingelegt hat. Und nun also ist auch das jüngste Urteil des Amtsgerich­ts Nördlingen noch offen. Das will er ebenso wenig akzeptiere­n.

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