Er will Gerechtigkeit für seinen Sohn
Es ist der größte Gesundheitsskandal des demokratischen Südafrika. 144 psychisch kranke Patienten starben, weil keiner sich um sie kümmerte. Pfarrer Joseph Maboe spricht für ihre Familien
Johannesburg Als Joseph Maboe seinen Sohn endlich fand, war dieser so hungrig, dass er nicht nur die Chips aß, die ihm sein Vater mitgebracht hatte, sondern auch auf der Plastiktüte herumkaute. „Die Kleidung war dreckig, die Wangen eingefallen“, beschreibt ihn Maboe. Sein Sohn war seit Tagen nicht gewaschen worden. „ Ich habe den Tod in seinem Gesicht gesehen“, sagt der 80-Jährige. Wenige Tage später, im Juli 2016, starb Hendrick, den Verwandte und Freunde nur Billy nannten. Er wurde 52 Jahre alt.
Ganze sieben Wochen hatte er in einem Haus der Pflegeeinrichtung Bophelong überlebt. Dorthin hatte die südafrikanische Regierung Hendrick unter chaotischen Umständen aus der renommierten Johannesburger Life-Esidimeni-Klinik verlegt. „Er musste mit 40 anderen Patienten in einer Garage mit Plumpsklos hausen“, sagt der Vater. Tagelang hatte er recherchieren müssen, um überhaupt herauszufinden, wohin sein Sohn gebracht worden war. Maboes Sohn litt seit der Jugend unter Schizophrenie und epileptischen Anfällen. Auf dem Totenschein ist von Lungenproblemen die Rede. Todesursache: natürlich.
Maboe sagt, es sei Mord gewesen. 144 der 1300 Patienten, die vor zwei Jahren aus der Esidimeni-Klinik binnen drei Wochen verlegt worden waren, starben innerhalb weniger Monate. Das Gesundheitsministerium der Gauteng-Provinz hatte den Vertrag mit den Betreibern des Krankenhauses gekündigt. Man müsse Kosten sparen, erklärte man den Angehörigen. Dutzende neue Unterkünfte wurden hektisch und ohne angemessene Richtlinien aus dem Boden gestampft. Angehörige berichten von katastrophalen Bedingungen. Viele Patienten verdursteten oder verhungerten. In den meisten betroffenen Einrichtungen gab es kein Fachpersonal, die Mitarbeiter hatten oft lediglich Erfahrung mit der Altenpflege. Patienten wurden auf viel zu engem Raum zusammengepfercht. Mancher professionelle Anbieter scheiterte daran, dass versprochenes Geld nicht überwiesen wurde und die angestellten Pfleger entlassen werden mussten. Seit Monaten arbeitet Südafrika nun teils live im Fernsehen den größten Gesundheitsskandal Ressourcen für eine angemessene seiner demokratischen Behandlung. Für Südafrika gilt das Geschichte auf. nur eingeschränkt. Die Nation ist
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ein Schwellenland; das Regierungsbudget WHO geben die zählt trotz zuletzt stagnierenden meisten afrikanischen Länder im Wirtschaftswachstums zu Schnitt nicht einmal ein Prozent ihres den 40 größten weltweit. Noch muss Gesundheitsbudgets für die Behandlung geklärt werden, ob im Rahmen des psychischer Erkrankungen Esidimeni-Skandals Gelder veruntreut aus. In westlichen Industrienationen wurden. Bewiesen ist ein eklatantes sind es in der Regel sechs Politikversagen. Die ehemalige bis zwölf Prozent. Mentale Erkrankungen Gesundheitsministerin der Gauteng-Provinz, seien in den meisten Gegenden Qedani Mahlangu, ist Afrikas eine stille Epidemie ,zurückgetreten – obwohl sie sich schreibt die Wissenschaftlerin Nicole nach eigener Aussage persönlich in Monteiro von der US-amerikanischen keiner Weise verantwortlich fühlt. Hochschule Chestnut Hill in Der trauernde Vater Maboe sieht einer Studie. Natürlich fehlt es in das anders. „Sie wusste, was sie da Entwicklungsländern oft an den tut. Es ging ums Geld – um nichts anderes.“Er hätte sich gern selbst um seinen Sohn gekümmert. Doch es sei schlicht unmöglich gewesen, in seinem Heimatdorf die spezialisierte Pflege zu gewährleisten.
Maboe und viele andere Angehörige wollen, dass die Politikerin zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, Rechtsexperten halten eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung für möglich. Maximalstrafe: zehn Jahre Haft. Der Staat hat inzwischen Entschädigungszahlungen von umgerechnet rund 13 500 Euro für jede Familie zugesagt. „Ich freue mich darüber“, sagt der alte Mann, „die Regierung gibt ihre Verantwortung zu. Das hilft uns, unsere Trauer zu verarbeiten.“