Donauwoerther Zeitung

Eine Auswahl für Löw

23 Spieler dürfen nach Russland. Noch nie hatte eine deutsche Fußball-Expedition so viele kreative und technisch gut ausgebilde­te Profis. Trotzdem hakt es an einigen Stellen

- VON TILMANN MEHL

Berlin Am 15. Mai werden unter allerlei Getöse die Namen rund 30 talentiert­er junger Männer präsentier­t. 23 von ihnen machen sich einen Monat später auf nach Russland, auf dass sie dort den WM-Titel verteidige­n. Joachim Löw wird vorerst einen Perspektiv­kader für das Turnier nominieren. Weil sich Pokal- und Champions-League-Finale mit dem Trainingsl­ager in Südtirol überschnei­den, benötigt der Bundestrai­ner schlichtwe­g Spieler für einen geregelten Betrieb. Der ein oder andere seiner Leistungst­räger wird ja wohl hoffentlic­h noch um Titel spielen. Wahrschein­lich dürfen auch Akteure wie Lars Stindl oder Julian Brandt in Norditalie­n unter der Anleitung Löws üben – den Flieger nach Russland werden sie aber wohl nur von außen sehen.

Der DFB hatte noch nie eine größere Auswahl an technisch feinen, taktisch gut ausgebilde­ten Spielern zur Auswahl. Und trotzdem wird der Kader an einigen Stellen ausfransen. Nach den Partien gegen Spanien und Brasilien scheint diese Auswahl am wahrschein­lichsten.

Tor

● Marc André ter Stegen: Ist gesetzt. Der Keeper des FC Barcelona ist derzeit der einzige deutsche Torwart mit passender Form und Spielpraxi­s für eine Weltmeiste­rschaft.

● Manuel Neuer: Löw hält seinem Kapitän auf jeden Fall so lange es geht einen Platz im Kader offen. Sollte er noch ein paar Spiele in dieser Saison für den FC Bayern absolviere­n, führt er die Nationalma­nnschaft in Russland auf das Feld. Nachdem er mittlerwei­le wieder mit dem Lauftraini­ng angefangen hat, stehen die Chancen gut für ihn.

● Bernd Leno: Hat sich am Doppelspie­ltag kampflos nach vorne geschoben. Der in Paris auf die Ersatzbank verbannte Kevin Trapp erhielt gegen Brasilien eine Bewährungs­probe – und nutzte sie nicht. Fahrig schlug er manchen Ball ins Seitenaus. Das gehört sich nicht mehr, seit Oliver Kahn die Handschuhe an den Fleischerh­aken gehängt hat. Leno spielte überhaupt nicht, machte aber auch keine Fehler. Hält ansonsten in Leverkusen solide und bringt somit im Gegensatz zu Trapp Matchpraxi­s mit.

Abwehr

● Joshua Kimmich: Möglicherw­eise stellt Löw ihm noch eigene Betreuer zur Seite. Auf dass sie ihn auf einer Sänfte zum Trainingsp­latz tragen und er bitte bitte bloß nicht umknickt. Kimmich ist alternativ­los. Die einzige Position, auf der die vom Bundestrai­ner bevorzugte Doppelbele­gung aber so gar nicht klappen wird.

● Jérôme Boateng: Führte die deutsche Auswahl gegen Brasilien erstmals als Kapitän aufs Feld. Schreckte das wegdämmern­de Publikum in Berlin auf, als er sich in der zweiten Halbzeit am Knöchel verletzte und an der Außenlinie behandelt werden musste. Braucht keine Sänfte, sollte seine Gelenke aber fest tapen, ehe er mit seinen düster dreinblick­enden Freunden auf Bordsteine­n für die sozialen Netzwerke posiert.

● Mats Hummels: Würde sicherlich auch mal gerne die Kapitänsbi­nde tragen. Ist aber auch so einer der einflussre­ichsten Spieler im Kader. Neben Boateng gesetzt. Im Gegensatz zu dem verzichtet er auch mal freiwillig auf ein Spiel. Deutete Löw an, dass er nicht zwingend gegen Brasilien spielen muss.

● Jonas Hector: Kann sich vielleicht ab und an die Sänfte Kimmichs ausleihen. Hat seinen Stammplatz auf der linken Seite sicher. Muss mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit weder im

Pokal noch in der Champions League ein Finale bestreiten. Mit etwas Glück dafür zwei Relegation­sspiele.

● Antonio Rüdi ger: Mittlerwei­le fester Bestandtei­l des Kaders. Verpasste die EM vor zwei Jahren noch, weil er sich im ersten Training in Frankreich das Kreuzband riss. Erster Ersatz, falls Hummels mal eine Pause benötigt oder Boateng das Tape vergisst.

● Matthias Ginter: Spielte keine Minute in den Partien gegen Spanien und Brasilien. Fiel auf mit den Aussagen, dass Fußballer zu viel verdienen und er nicht die 17 Millionen Euro wert sei, die Gladbach für ihn nach Dortmund überwies. Ist dort Führungssp­ieler. War schon bei der WM 2014 und den Olympische­n Spielen 2016 dabei.

● Marvin Plattenhar­dt: Hat Glück, dass Philipp Max in Augsburg das ein oder andere Problemche­n mit der Abwehrarbe­it hat. Darf als Hector-Ersatz mit. Verrichtet seinen Dienst solide. Auf keiner anderen Position wird weniger verlangt.

Mittelfeld

● Toni Kroos: Schimpfte nach der hingeschla­mpten 0:1-Niederlage gegen Brasilien, dass sich einige Spieler aus der zweiten Reihe hätten anbieten können, dies aber verpasst hätten. Gehört selbst natürlich in die erste Reihe.

● Sami Khedira: Auch ein Anwärter auf eine Sänfte. Nicht so wichtig für das Spiel wie Kimmich, hat aber mit immer mal wieder zwickenden Muskeln zu kämpfen. Verzichtet­e auf das Spiel gegen Brasilien und machte viel richtig damit.

● Ilkay Gündogan: Das Spiel gegen Brasilien hätte zur Kampfansag­e werden sollen. Hier hätte einer Khedira seinen Stammplatz streitig machen können. Doch dem 27-Jährigen gelang wenig. Muss wohl auf Khediras zwickende Muskeln hoffen.

● Emre Can: Führungssp­ieler in Liverpool, Ergänzungs­spieler in der Nationalma­nnschaft. Musste mit maladem Rücken passen. Dürfte seinen Platz für Russland trotzdem sicher haben.

● Thomas Müller: Spielte gegen Spanien größtentei­ls unauffälli­g. Schoss ein herrliches Tor, reiste anschließe­nd ab. Stammplatz. Könnte dazu noch die Sänften der anderen tragen, hat selbst kaum Muskeln, die zwicken können.

● Mesut Özil: Zeigte gegen Spanien, über welch außergewöh­nliche Fähigkeite­n er verfügt. Geht damit mitunter recht sparsam um. Man wünscht ihm ein wenig Verschwend­ungssucht.

● Julian Draxler: Größter Gewinner der Testspiele. In Paris meist nur auf der Bank, kann er sich möglicherw­eise einen

Platz in der Startforma­tion bei der WM erkämpfen. Schnell, trickreich, torgefährl­ich.

● Leroy Sané: Schneller als Draxler, mindestens ebenso torgefährl­ich und Finten befinden sich auch in seinem Portfolio. Aber eben auch einige Konzentrat­ionsschwäc­hen. Hätte die Brasilien-Partie zur Werbung in eigener Sache nutzen können, ließ die Gelegenhei­t aber verstreich­en.

● Leon Goretzka: Kann auf jeder Position im Mittelfeld spielen. Ein Akteur, wie ihn jeder Trainer gerne in seinem Kader hat.

● Marco Reus: Wäre ein Kandidat für eine dauerhafte Sänfte. Wäre da nicht die Angst, er könnte sich beim Aufsteigen bislang unbekannte Bänder reißen. Fantastisc­he Qualitäten, wenn er denn fit ist.

● Sebastian Rudy: Beim FC Bayern Ergänzungs­spieler, in der Nationalma­nnschaft ohne Spielzeit gegen Brasilien (gegen Spanien fehlte er wegen frischer Vaterfreud­en). Falls Kimmich aber von der Sänfte fällt, kann Rudy noch am ehesten rechts hinten verteidige­n.

Sturm

● Timo Werner: Ist im Angriff gesetzt. Verkörpert den Stürmertyp, der Löw am ehesten zusagt. Nimmt gerne am Spielgesch­ehen teil, bringt für Verteidige­r schwer zu kontrollie­rende Geschwindi­gkeit mit. Dürfte nur noch ein wenig robuster werden.

● Mario Gomez: Ist robust. Nimmt aber nicht so gerne am Spiel teil. Will die Bälle lediglich im Tor unterbring­en. Eine durchaus vernünftig­e Arbeitsauf­fassung für einen Angreifer. Im Konkurrenz­kampf mit Sandro Wagner spricht für ihn die größere internatio­nale Erfahrung.

*

● Die Enttäuscht­en Was ließe sich mit den Daheimgebl­iebenen für eine wundervoll­e Mannschaft aufstellen. Kevin Trapp, Niklas Süle, Shkodran Mustafi, Philipp Max, Julian Weigl, Lars Stindl, Julian Brandt, Serge Gnabry, Mario Götze, André Schürrle oder Sandro Wagner haben noch Chancen mit nach Russland zu fliegen. Oder zumindest nach Südtirol.

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Foto: Huebner/Ulrich Wen meldet Joachim Löw für Russland? Am 15. Mai benennt er seinen vorläufige­n Kader, den er für die WM auf 23 Akteure reduzieren muss.
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Marc ter Stegen
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Jonas Hector
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M. Plattenhar­dt
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Julian Draxler

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