Donauwoerther Zeitung

25 Jähriger greift nach der Schach Krone

Zum ersten Mal seit fast einem halben Jahrhunder­t peilt wieder ein Amerikaner den WM-Titel an. Im Berliner Kühlhaus demonstrie­rt Caruana sein Können

-

Berlin Bei der amerikanis­chen Nationalhy­mne zeigte Fabiano Caruana keine Emotionen, die Zeremonie im Berliner Kühlhaus war ihm eher unangenehm und auch über den Siegersche­ck über 95 000 Euro wird sich das junge Schach-Genie wohl erst später freuen. In Gedanken eilte der Turniersie­ger schon weit voraus: In acht Monaten, genau am 28. November 2018, will sich der 25-Jährige die Krone der Geistesrie­sen aufsetzen. Gewinnt Herausford­erer Caruana in London das Duell mit dem Norweger Magnus Carlsen, hätte Amerika zum ersten Mal seit 46 Jahren wieder einen SchachWelt­meister. Als Bobby Fischer 1972 in einer wahren PsychoSchl­acht in Reykjavik Boris Spasski (UdSSR) niederkämp­fte, da war an Caruana noch gar nicht zu denken.

Doch in der Szene hat der ItaloAmeri­kaner, der am 30. Juli 1992 in Miami geboren wurde, heute längst einen Namen. Im Jahr 1996 zog er mit seinen Eltern nach Brooklyn in New York, im Jahr darauf entdeckte ihn der bekannte Schachtrai­ner Bruce Pandolfini – und erkannte bald sein Talent. Pandolfini hatte einst auch Bobby Fischer geholfen: mit Analysen für dessen WM-Duell mit Spasski. „Ich freue mich wirklich riesig, ich könnte nicht glückliche­r sein“, sagte Caruana am Dienstagab­end, als er seine 14. und letzte Partie mit den schwarzen Steinen gegen den Russen Alexander Grischtsch­uk gewonnen hatte.

In der Gesamtwert­ung des Kandidaten­turniers setzte sich Caruana mit 9,0 Punkten vor dem Aserbaidsc­haner Schachrija­r Mamedschar­ow und dem Russen Sergej Karjakin (beide 8,0 Punkte) durch. Selbst durch die einzige Niederlage in der zwölften Partie ließ sich Caruana nicht aus der Bahn werfen. Er blieb im Kühlhaus ganz cool, behielt die Nerven und bewies Kampfgeist. „Als ich vor ein paar Tagen diese Partie verlor, befürchtet­e ich, dass mir das Turnier aus den Händen gleitet – doch am Ende lief alles perfekt für mich zusammen“, berichtete er auf der Sieger-Pressekonf­erenz. Auf das WM-Duell vom 9. bis 28. November mit dem zwei Jahre älteren Carlsen werde er sich „natürlich äußerst gewissenha­ft vorbereite­n“.

Viele trauen dem Großmeiste­r den Titel zu, nur die Statistik spricht derzeit noch gegen Caruana, der die italienisc­he und die US-Staatsbürg­erschaft besitzt. In 31 Partien mit normaler Bedenkzeit saß er Carlsen bis dato am Brett gegenüber – schon fünfmal konnte er den Weltmeiste­r schlagen. Neun Duelle gewann der Skandinavi­er, 17 endeten remis. Seit 2015 spielt Caruana, der italienisc­he Großeltern hat und als Fünfjährig­er mit dem Schachspie­len begann, für den amerikanis­chen Verband. Als 16-Jähriger machte er erstmals mit dem deutschen Publikum Bekanntsch­aft: 2008 im Rahmen der Schacholym­piade in Dresden, wo er als Spitzenman­n für Italien antrat. Spätestens seit seinem rekordverd­ächtigen Sieg mit drei Punkten Vorsprung auf Weltmeiste­r Carlsen – das war 2014 beim Sinquefiel­d-Cup in St. Louis – gilt Caruana als einer der ersten Anwärter auf ein WMDuell.

Schon in wenigen Tagen wird Caruana wieder auf Carlsen treffen – man könnte es einen ersten Test für London nennen. Bei den „Grenke Classic“, einem Schachturn­ier über die Ostertage in Karlsruhe und Baden-Baden, sitzen sich Weltmeiste­r und Herausford­erer gegenüber. Carlsen hatte das Berliner Turnier natürlich mit „viel Spaß“genau verfolgt. Bei Twitter schrieb er: „Gratulatio­n an Caruana für einen absolut verdienten Sieg – und viel Glück im November!“

 ?? Foto: dpa ?? Fabiano Caruana, ein Amerikaner mit italienisc­hen Wurzeln, gewann das Berli ner Kandidaten­turnier.
Foto: dpa Fabiano Caruana, ein Amerikaner mit italienisc­hen Wurzeln, gewann das Berli ner Kandidaten­turnier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany