Donauwoerther Zeitung

Der Alltag mit Hartz IV

- VON BARBARA WÜRMSEHER Donauwörth

Leben in einer Überflussg­esellschaf­t wie der unseren, bedarf generell einer gewissen Achtsamkei­t. Einer Verantwort­ung, vernünftig damit umzugehen. Schwierig in anderer Hinsicht wird es für diejenigen, die davon ausgegrenz­t sind. Die am Überfluss gar nicht teilhaben können, weil das Geld einfach fehlt.

Eine von ihnen ist Julia M. (Name geändert), die als alleinerzi­ehende Mutter eines siebenjähr­igen Buben auf jeden Cent schauen muss. Große Sprünge kann sie sich mit dem Verdienst aus ihrem Minijob und mit Hartz IV nicht leisten. Urlaub geht gar nicht und auch ein Auto ist finanziell einfach nicht drin. Trotzdem jammert die 35-Jährige nicht, sondern beißt sich durch. Auch wenn jeder Tag wieder ein Kampf ist, über die Runden zu kommen, sagt sie: „Ich fühl mich nicht arm. Mein Sohn und ich haben ein Dach über dem Kopf, zu essen und Betreuung. Es gibt weitaus schlimmere Schicksale.“

Die Donauwörth­erin hat gelernt, die Herausford­erung anzunehmen, die es bedeutet, die Normalität des Lebens den knappen finanziell­en Möglichkei­ten anzupassen. Zieht man die Kosten für die Miete der 75-Quadratmet­er-Sozialwohn­ung, Neben-, Betreuungs- und Fahrtkoste­n ab, bleiben 500 Euro übrig, um Essen, Kleidung und Extras zu kaufen.

Das war mal anders. Julia M. hatte eine gute Stelle als Bürokauffr­au in Vollzeit, bis ihr Sohn zur Welt kam. Während der Elternzeit ging ihre Ehe in die Brüche, in der sie sich zunehmend unter psychische­m Druck gefühlt hatte. 2015 zog sie aus der gemeinsame­n Wohnung aus und war von da an weitgehend auf sich selbst gestellt. Ganztägig zu arbeiten war ihr wegen des Kindes nicht möglich. Teilzeitst­ellen zu finden stellte sich als schwie- rig heraus, weil die Betreu- ung ihres Sohnes größtmögli­che Flexibilit­ät beim Arbeitgebe­r voraussetz­t. Weite Fahrtstrec­ken – zumal ohne Auto, das sie sich nicht leisten kann – und die Öffnungsze­iten von Kindergart­en beziehungs­weise Schule haben viele Stellenang­ebote von vorne herein ausschließ­en lassen.

Im Dezember 2017 nun hat es endlich geklappt. Julia M. ist glücklich über ihren 450-Euro-Job in einem Büro bei weitestgeh­end variablen Arbeitszei­ten. Seitdem geht es ihr deutlich besser. Und sie hat gelernt, sich mit der Situation zu arrangiere­n. Lebensmitt­el kauft sie nur so viele wie nötig, auch um nichts wegwerfen zu müssen. „Nach Spielsache­n für meinen Sohn schau ich mich viel auf Flohmärkte­n um.“Der Siebenjähr­ige wächst unter dem Eindruck auf, dass man auf alles, was man im Leben haben möchte, eben sparen muss. Er wünscht sich seit zwei Jahren einen ferngesteu­erten Quadrokopt­er – im Sommer nun wird er ihn sich leisten können.

„Mein Kind, meine Arbeit und meine Therapeuti­n, die mich seit der Trennung betreut, helfen mir, das Leben zu bewältigen“, sagt Julia M.. Ihr einzig wirklicher Wunsch ist ein Auto, um an mehr alltäglich­en Dingen teilhaben zu können. Fahrten zu Vereinsang­eboten, Kindergebu­rtstagen oder zum Eisessen scheiden dann aus, wenn der Stadtbus nicht fährt. „In solchen Dingen müssen wir auf ein großes Stück Freiheit verzichten ...“

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Foto: wüb Julia M. will anonym bleiben.

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