Donauwoerther Zeitung

Diebstähle auf dem Donauwörth­er Friedhof

In Donauwörth verschwind­et immer wieder Grabschmuc­k. Für die Angehörige­n ist das ein Schlag ins Gesicht

- VON THOMAS HILGENDORF

Immer wieder kommt es zu besonders schäbigen Diebstähle­n auf dem städtische­n Friedhof in der Pflegstraß­e. Mehr auf

Donauwörth Dass Daniela Keller ihren Mann verloren hat, ist für die Donauwörth­erin eigentlich schlimm genug. Hinzu kommen jetzt die Wut und das Unverständ­nis, wenn sie an das Grab auf dem städtische­n Friedhof an der Pflegstraß­e geht. Keller gibt sich Mühe mit diesem Ort als einem sehr persönlich­en Platz des Gedenkens. Doch der Grabschmuc­k ist allzu oft einfach weg, Blumen und Bäumchen sind gar ausgegrabe­n. Anderen geht es ähnlich – sogar eine hämische Nachricht des Diebes fand sich auf einem der Gräber.

Der frühe Tod ihres Mannes war ein herber Schicksals­schlag für Daniela Keller. Das Verweilen und Trauern am Grab sind ihr wichtig, es hilft, mit dem Verlust umzugehen im Alltag. Mit ihrem kleinen Hund geht sie tagtäglich zum großen stätischen Friedhof an der Pflegstraß­e. Die Frau hat ein Faible für Dekoration, sie möchte den Ort des Gedenkens würdig gestalten: von Hand getöpferte Schalen, Kristallhe­rzen, aufwendige Gestecke.

Doch in regelmäßig­em Abstand verschwind­et der Grabschmuc­k. Ärgerlich – doch nicht nur das. Kel- ler schmerzt die Pietätlosi­gkeit an diesem Ort. Friedhöfe gelten seit jeher als Plätze der Achtung vor den Verstorben­en – als eine Art „Tabuzone“, in der sich sogar diejenigen zusammenre­ißen, die das sonst nicht können. Doch diese Annahme erscheint heutzutage naiv. Sogar verhöhnt habe ein Dieb eine Bekannte, die auch bestohlen worden sei. „An den Dieb: Die Finger sollen dir abfallen“, habe die Frau in der Wut auf einem Zettel am Grab notiert. „Sie sind immer noch dran“, habe der Langfinger daraufhin geantworte­t – nachdem er wieder etwas gestohlen hatte.

Sowohl das Grab von Joachim Jacobs Eltern als auch das seiner Frau finden sich auf dem weitläufig­en Areal an der Pflegstraß­e. Seit dem Jahr 2011 muss er immer wieder Diebstähle feststelle­n. Neben Vasen, Laternen und anderen Accessoire­s wurden auch Buchsbäume ausgegrabe­n. Ganze Arrangemen­ts, für die Jacob viel Zeit und Mühe aufwendet, wurden ausgestoch­en und gestohlen: „Es sieht dann einfach nicht mehr schön aus“, sagt der Familienva­ter, dessen Söhne sich ebenfalls liebevoll um das Grab der Mutter kümmern. Schwer wiegt bei Jacob die ständige Befürchtun­g beim täglichen Gang zum Grab, dass wieder etwas weg oder zerstört sein könnte. „Dabei möchte ich dort zuvorderst an meine Frau denken und für sie beten, anstatt mich zu ärgern“, sagt der Donauwörth­er.

Jacob schätzt, dass der Dieb strategisc­h vorgeht: „Jeder kann die Geburts- und Todestage lesen – und an eben diesen Tagen sind die dann besonders aufwendige­n Arrangemen­ts weg.“Sowohl Jacob als auch Keller haben nach langem Ertragen die Diebstähle jetzt zur Anzeige gebracht.

Der Leiter der Donauwörth­er Polizeiins­pektion, Thomas Scheuerer, sagt, dass solche Diebstähle „ganz selten“angezeigt würden. Tatsächlic­h seien die Erfolgsaus­sichten bei der Aufklärung „minimal“. Der Grund liegt auf der Hand: Auf dem zwei Hektar großen städtische­n Friedhof gibt es 3000 Gräber. Keiner kann jeden Angehörige­n kennen, auch nicht Markus Seißler vom städtische­n Bestattung­sdienst. Wie solle er auch überprüfen, ob jemand ein Grabutensi­l als Angehörige­r auswechsel­t oder als Dieb mitnimmt? Oft seien es, so Seißler, auch Pflegegeme­inschaften, die sich um mehrere Gräber kümmerten. Und trauernde Menschen darauf anzusprech­en, ob sie auch tatsächlic­h Angehörige sind – schwierig. Das Problem existiere deutschlan­dweit, weiß Seißler. Auf den kleinen Friedhöfen ohne jene große Anonymität gebe es dieses Problem nicht. Und eine Videokamer­a zu installier­en, das sei aufgrund der Rechtslage mitunter problemati­sch.

Keller und Jacob sehen das anders. Auch andernorts im öffentlich­en Raum dürfe mit Kameras überwacht werden – warum sollte es hier anders sein? Die beiden Donauwörth­er wollen fortan jeden noch so kleinen Diebstahl zur Anzeige bringen. Auch PI-Leiter Scheuerer rät dazu, der Polizei die Vorfälle mitzuteile­n. Zwar bestünde ein Jedermanns­recht, einen Gesetzesbr­echer auf frischer Tat festzuhalt­en, doch der Polizeiche­f rät eher zur Vorsicht. Aber klar, auch ein Handyfoto vom Dieb könnte helfen – wenn es sich denn wirklich um den Langfinger handeln sollte.

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Fotos: Thomas Hilgendorf Ein Ort der Stille, des Respekts, des Gebets. Doch auch Langfinger sind hier unterwegs. Der Donauwörth­er Friedhof an der Pflegstraß­e ist weitläufig – Diebe fallen daher kaum auf.
 ??  ?? Daniela Keller richtet das Grab ihres Mannes stets liebevoll her.
Daniela Keller richtet das Grab ihres Mannes stets liebevoll her.
 ??  ?? Für Joachim Jacob ist das Grab ein Ort des Gedenkens und des Gebets.
Für Joachim Jacob ist das Grab ein Ort des Gedenkens und des Gebets.

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