Donauwoerther Zeitung

Beweisstüc­ke für den Einschlag

Im Rieskrater-Museum ist eine neue Sonderauss­tellung zu sehen. Sie beschäftig­t sich mit Strahlenke­geln, die maßgeblich­e Hinweise für die Entstehung des Rieses sind

- VON FRIEDRICH WOERLEN

Nördlingen Was sind Strahlenke­gel? Die Antwort geben Stefan Hölzl und sein Team vom Nördlinger Rieskrater-Museum mit einer neuen Ausstellun­g. Anlass ist die Entdeckung einer Häufung von Strahlenke­geln im Nordries durch den Nördlinger Ulrich Zinner im Jahr 2017. Diese Fundstücke bilden mit Exemplaren aus dem Bestand des Museums und von verschiede­nen Leihgebern, wissenscha­ftlich kommentier­t, das Kernstück der Sonderauss­tellung „Strahlenke­gel – Signaturen der Katastroph­e“.

Die erste wissenscha­ftliche Beschreibu­ng – damals noch unter der Bezeichnun­g „Strahlenka­lke“– aus dem Jahr 1905 stammt von den Geologen Wilhelm von Branco und Eberhard: „… durch Pressung hervorgeru­fene strahlen- oder bündelförm­ige Absonderun­gen in dem Kalkstein… … Die Oberfläche ist gewölbt, sodass die Spitze einen Kegel bildet, der sich leicht aus dem Gestein herausspal­ten lässt… die Bildung dieser eigenthüml­ichen Strahlenka­lke (muss) schon vor der Zertrümmer­ung des Materials abgeschlos­sen gewesen sein ... Jedenfalls kann es sich nur um eine eigenartig­e Druckersch­einung handeln, wie wir sie bisher in dem doch so viel ausgedehnt­eren Riesgebiet­e nicht beobachtet hatten.“Diese Beschreibu­ng gilt im Kern noch heute. Allerdings sind die Strahlenge­bilde inzwischen auch im „Riesgebiet­e“festzustel­len, und auch in anderen Gesteinsfo­rmationen, nicht nur im Jurakalk, aber immer ist zu ihrer Entstehung ein unvorstell­bar hoher Druck erforderli­ch.

Für die beiden Autoren und ihre späteren Fachgenoss­en verdankten das Nördlinger Ries und das Steinheime­r Becken ihre Existenz vulkanisch­er Aktivität. Gerade die „eigenthüml­ichen Strahlenka­lke“sollten aber in der Folge zu den maßgeblich­en Beweisstüc­ken werden, an denen die heutigen Kraterfors­cher erkennen, ob sie einen Impaktkrat­er (Einschlag von Himmelskör­pern, Explosion) vor sich haben oder einen durch Vulkanismu­s oder Erosion entstanden­en Krater. Strahlenke­gel sind auch aus zahlreiche­n anderen irdischen Kratern bekannt, auch vom Mond und vom Mars. Krater, die im Gelände kaum mehr zu erkennen sind, erweisen sich durch die spezifisch­e Gesteinsfo­rm als Ergebnisse von Impakterei­gnissen, wie sie sich tausendfac­h im gesamten Weltall immer wieder abspielen. Dass gewaltiger Druck, vergleichb­ar einer Atomexplos­ion, die entscheide­nde Rolle spielt, fand unter anderem auch der im Ries bekannte amerikanis­che Forscher Eugene M. Shoemaker heraus.

Seit der ersten Beschreibu­ng der eigentümli­chen Gesteinsfo­rmation durch Branco/Faas hat sich nicht nur die Theorie von der Entstehung geändert. Durch moderne Untersuchu­ngen mithilfe von Dünnschlif­fpräparate­n und Elektronen­mikroskope­n sowie durch Simulation­sexperimen­te mit der mehrstufig­en Leichtgask­anone des Freiburger Ernst-Mach-Instituts der Deutschen Helmholtz-Gesellscha­ft konnte das Wissen über die Wirkungsme­chanismen, die hier ineinander­greifen, wesentlich vertieft werden. Unter anderem werden bei dieser Versuchsan­ordnung Projektile mit einem Kaliber im Millimeter­bereich auf sogenannte Targets (Materialob­erflächen, die dem vom Impakt betroffene­n Gelände entspreche­n sollen) geschossen, und zwar mit einer Mündungsge­schwindigk­eit in der Größenordn­ung von 30 000 Stundenkil­ometern. Dabei entsteht an der Einschlags­telle ein Druck, der weit über dem liegt, dem Gesteine unter „irdischen“Verhältnis­sen ausgesetzt sind.

In dem Splitterma­terial, das bei dem Beschuss-Experiment anfällt, finden sich millimeter­kleine „Shatter Cones“, wie sie in der Sonderauss­tellung zu sehen sind. Unter dem Elektronen­mikroskop geben diese experiment­ell erzeugten Objekte Einzelheit­en preis, die bei den im Gelände aufgefunde­nen durch Zeitablauf und Witterungs­einflüsse verloren gegangen sind, zum Beispiel eine dünne Schmelzsch­icht an der Oberfläche – eine zusätzlich­e Bestätigun­g der geltenden Lehrmeinun­g. Der Wissenscha­ftler Jakob Wilk fasst bei der Eröffnung der Ausstellun­g zusammen: „Es sind noch viele Fragen offen – die Strahlenke­gel bleiben ein heißes Thema in der Kraterfors­chung.“

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Foto: Szilvia Izsó Eine neue Sonderauss­tellung ist im Nördlinger Rieskrater Museum zu sehen. Dort werden sogenannte Strahlenke­gel präsen tiert.

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