Donauwoerther Zeitung

„Ich vertraue niemandem“

Ihr Ex-Mann schleifte Kader K. mit einem Seil an seinem Wagen durch Hameln. Jetzt verkauft die junge Frau das Auto. Wofür sie das Geld nutzen will und wie es ihr heute geht

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Frau K., vor eineinhalb Jahren hat Ihr Ex-Mann Sie an der Anhängerku­pplung seines Autos durch die Innenstadt von Hameln geschleift. Erst nach 200 Metern ist das Seil damals gerissen. Jetzt versuchen Sie, das Auto zu verkaufen. Glauben Sie, dass Sie mit dem Verkauf einen Schlussstr­ich unter die Tat ziehen können?

Kader K.: Ich sehe das mit dem Autoverkau­f nicht so dramatisch wie einige andere. Die machen daraus ein riesiges Drama. Aber wissen Sie was, ich habe in meiner Schublade ja auch 14 Messer und ich wurde auch mit einem Messer angegriffe­n. Ein Auto oder Messer brauchen Menschen aber. Außerdem kümmere ich mich nicht direkt um den Verkauf, das macht ein Bekannter für mich. Noch ist das Auto aber nicht verkauft.

Ihr Ex-Mann hat Ihnen das Auto überschrie­ben. Das Gericht verurteilt­e ihn zu 14 Jahren Haft. Seitdem haben Sie in Interviews viel über Ihre Situation erzählt. Aus Ihren Gesprächen mit dem Autor Ulrich Behmann entstand das Buch „Novemberwu­t“. Wie geht es Ihnen zurzeit?

Kader K.: Mir geht es eigentlich richtig beschissen. Ich kann nachts nicht schlafen. Meine Gedanken kreisen ständig um alles Mögliche. Mich plagen immer noch Albträume. Und wenn ich mal Glück habe einzuschla­fen, klingelt schon der Wecker. Dann muss ich meinen Sohn in den Kindergart­en bringen.

Stört es Sie, auf die Tat angesproch­en zu werden oder darüber zu reden? Kader K.: Es stört mich nicht, wenn ich Interviews gebe. Es hilft mir sogar. Ich weiß dann, dass ich nicht alleine bin. Kader K.: Mir wurde schon geraten, mit einem Traumather­apeuten zu sprechen. Ich frage mich aber, was das bringen soll. Lieber rede ich mit einem vertrauten Menschen wie meiner Mutter, meiner Schwester oder meinem Kind. Ohne diese Gespräche würde ich wohl in eine Depression fallen. Und ich hatte schon eine. Davor habe ich richtig Angst. Depression­en sind das Schlimmste, was es gibt. Schlimmer als Folter. Man bleibt nachts wach. Man geht nicht raus. Man macht eigentlich nichts. Man vergisst zu essen, zu duschen. Ich fühlte mich in einem dunklen Loch gefangen. Aber über die Tat selbst reden Sie nicht mit ihm?

Kader K.: Nein. Aber mein Ex-Mann möchte mein Kind sehen. Ende April wird es deswegen eine Anhörung geben. Anfang des Jahres hatte er schon ein aktuelles Bild verlangt. Die Frau vom Jugendamt meint, er wird meinen Sohn nicht sehen. Aber man weiß nie. Ich vertraue niemandem.

Was sagt Ihr Sohn dazu?

Kader K.: Ich habe ihn gefragt, ob er seinen Vater sehen möchte. Wenn sein Name fällt, umarmt mich mein Kind sofort und sagt: „Mama, Mama, ich will ihn nicht sehen. Er ist böse. Ich habe Angst.“ der Tat. Erinnern Sie sich mittlerwei­le an den Angriff ihres Ex-Mannes? Kader K.: Nein. Ich erinnere mich an nichts. Ich denke auch nicht darüber nach oder versuche es. Was ich überlegt habe, wenn mal der ganze Stress mit den Anhörungen wegen meines Ex-Mannes vorbei ist: Dann gehe ich zu einem Hypnotiseu­r. Er soll mich dann in Schlaf versetzen und mich über die Tat befragen. Das soll er dann aufnehmen und mir später zeigen. Ich will es selbst sehen.

Wenn Sie jetzt das Tat-Auto verkaufen: Was wollen Sie mit dem Geld machen?

Kader K.: In den vergangene­n Jahren hat es schwere Kämpfe um die kurdische Stadt Kobane in Nordsyrien gegeben. Da ist ein Waisenhaus gebaut worden. Noch fehlt die Inneneinri­chtung. Mit dem Geld möchte ich als Kurdin die Kinder dort unterstütz­en.

 ?? Foto: privat, dpa ?? Heute ist Kader K. die Besitzern des Autos, mit dem sie so viele schrecklic­he Erinnerung­en verbindet. Jetzt will sie es verkaufen und von dem Geld ein Waisenhaus im syrischen Kobane unterstütz­en.
Foto: privat, dpa Heute ist Kader K. die Besitzern des Autos, mit dem sie so viele schrecklic­he Erinnerung­en verbindet. Jetzt will sie es verkaufen und von dem Geld ein Waisenhaus im syrischen Kobane unterstütz­en.

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