Musik im Blut
Porträt Otto Scheller ist seit 50 Jahren Organist aus Leidenschaft. Aber auch mit seiner Tanz- und Volksmusik kann er begeistern. Warum Aufhören für ihn kein Thema ist
Donauwörth Wörnitzstein Sie ist die Königin! Kein Instrument ist so imposant, wenige werden so alt. Wer die Kirchenorgel mit all ihren technischen Herausforderungen beherrscht, es versteht, ihr wohlige Klänge zu entlocken, ist ein Könner. Mit seiner Orgel in der Kirche Sankt Martin im Donauwörther Stadtteil Wörnitzstein kann Otto Scheller so eine Art „goldene Hochzeit“feiern, bringt sie doch seit 50 Jahren jene Töne zu klingeln, die ihr der Organist entlockt.
Wer Otto Scheller treffen will, muss Sonn- und Feiertags die Kirche in Wörnitzstein besuchen. Er fehlt selten, lässt sich nur an wenigen Tagen im Jahr von seinen Kollegen in Riedlingen vertreten. Bei jedem seiner Einsätze („immer mit dem Pfarrer abgesprochen“) ist Scheller anzumerken, was die Orgel ihm bedeutet. 50 Jahre spielt er nun auf ihr und freut sich, wenn die Kirchgänger eifrig mitsingen und er die ganze Empore vom Klang der Orgel erfüllen kann.
Natürlich habe sich in fünf Jahrzehnten viel verändert, erzählt der 64-Jährige. Sechs Pfarrer sind seither gekommen und gegangen. Im Moment bildet er ein „Gespann“mit Pfarrer Franz Pfeifer. Ein wenig Spielraum und Kreativität bliebe dem Organisten durchaus. Mit Sorge sieht Scheller, wie die Besucherzahlen an den Sonntagsgottesdiensten rückläufig sind.
Für Otto Scheller ist das Orgelspiel in der Pfarrkirche seiner Heimatgemeinde eine Lebensaufgabe. Der Vater des Verwaltungsangestellten hat bei ihm die Liebe zur Musik geweckt und dem Buben schon in jungen Jahren zum Akkordeonunterricht geschickt. Schließlich landete er in der heutigen Münsterpfarrrei, wo ihn der damalige Chorregent Eugen Nagl unter seine Fittiche nahm. Mit 14 Jahren dann die große Premiere: Scheller durfte erstmals die große Orgel in Wörnitzstein spielen. „Ein aufregendes und mein Leben prägendes Ereignis!“
Als dann vor fünf Jahren mit dem „Gotteslob“ein neues Gesangbuch für katholische Pfarrgemeinden eingeführt wurde, waren Zusatzstunden des Übens fällig, mussten doch ganz neue Lieder einstudiert werden. „Da war es gut, dass ich im Keller ein Elektro-Piano habe, auf dem ich üben kann.“Da verbringe er etliche Stunden und störe dabei auch nicht seine Gattin. Die zwei Töchter des Ehepaars sind bereits aus dem Haus „und sie sind ebenfalls begeisterte Musiker“.
Otto Scheller kennt man als Organist, aber auch als Musiker eines ganz anderen Genres. 30 Jahre war er Musikfreunden unterwegs, um mit Tanzmusik zu begeistern. Am Keyboard sorgte er für den notwendigen Schwung zu den Schlagern von Freddy, Gitte und anderen Stars aus dieser Zeit. „Musik war und ist mein Leben“, erinnert sich Scheller, der „so ganz nebenbei“auch noch 35 Jahre Chorleiter beim Gesangsverein in Wörnitzstein war, „bis dieser 2013 aufgelöst wurde“. Es habe einfach der Nachwuchs gefehlt, bedauert Scheller.
Nicht nur zu den Gottesdiensten trifft man Scheller in der Pfarrkirche. Er ist auch oft dabei, wenn der Kirchenchor unter Leitung von Rosi Rister neue Lieder einstudiert. Wenn er zum Ende des Jahres in den beruflichen Ruhestand geht, will er sich noch mehr einer Leidenschaft widmen, die er schon in den letzten Monaten intensiviert hat: Mit Musikfreunden musiziert er auf dem Akkordeon, wenn es „Aufspieln beim Wirt“heißt. Erst kürzlich hatte er mit zünftigen Polkas und langsamen Walzern Auftritte in Staudheim und Großsorheim.
Mit der Musik aufhören? Das kann sich Otto Scheller nicht vorstellen. Zu sehr ist er mit ihr verbunden, zu viel Musik hat er nach wie vor im Blut.