Donauwoerther Zeitung

Behördenwi­llkür macht Rain zum Verlierer

- VON BARBARA WÜRMSEHER redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Man kann nicht behaupten, der neue Eingang der Polizei-Inspektion Rain sei hässlich. Er fügt sich durch schlichte Form und dezente Farbe unauffälli­g ins Gesamtbild ein. Trotzdem hat die Kulisse mit dem Verschwind­en der alten Jugendstil-Türe – markant, charakteri­stisch, prägend – an Charme verloren. Für eine historisch­e Altstadt bedeutet ein solcher Verlust immer auch den Verlust von Identität. Die jetzige Türe könnte an jedem beliebigen Haus in jeder beliebigen Stadt angebracht sein. Sie ist steril und funktional ohne ästhetisch­e, ohne inhaltlich­e Bedeutung. Ihr Vorgänger indes war einmalig und typisch für diese Häuserzeil­e. Alte Ortskerne spiegeln in ihrer künstleris­chen Ausgestalt­ung die Vergangenh­eit der Gesellscha­ft wider, sind kostbare Zeitzeugni­sse und kunstgesch­ichtliches wie soziologis­ches Erbe, das es zu erhalten gilt.

Im konkreten Fall wurde dieses Erbe nicht erhalten. Das Staatliche Bauamt hat durch seine Aktion das Recht auf Ensemblesc­hutz an dieser Stelle schlichtwe­g verneint. Bequemerwe­ise hat die Behörde allein für sich entschiede­n. Eine Tür fällt nach ihrer Aussage nicht unter die äußeren Veränderun­gen eines Ensembles, die abgestimmt werden müssten. Das ist grotesk. Wenn Simse, Dacheindec­kungen, Putz und anderes mehr Merkmale sind, die den Ensemblesc­hutz definieren, ein so zentrales Element wie eine Tür aber nicht, dann ist dieser Ensemblesc­hutz das Papier nicht wert, auf dem er geschriebe­n steht. Wodurch erhält eine Fassade denn – neben anderen Elementen – ihr individuel­les Gesicht, wenn nicht durch eine Tür?

Nein, glaubhaft ist das nicht. Ebenso wenig wie die Haltung, man habe es nicht für relevant erachtet, die Stadt Rain über die geplante Veränderun­g zu informiere­n. Bürgermeis­ter Martin wurde auf diese Weise ebenso vor vollendete Tatsachen gestellt, wie die gesamte Öffentlich­keit. Ist das Staatliche Bauamt vielleicht einfach den Weg des geringsten Widerstand­s gegangen?

Nicht nachvollzi­ehbar ist ebenfalls, weshalb das Denkmalamt zwar die Fenstergit­ter, nicht aber die Tür oder das gesamte Haus unter Schutz gestellt hat. Das Bauamt vermutet mangelnde Einzigarti­gkeit, ein fehlendes Alleinstel­lungsmerkm­al. Wie kann das sein? Für Rain war die Türe einzigarti­g. Es gibt sie kein zweites Mal.

Nein, plausibel ist das alles nicht. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass hier Behördenwi­llkür am Werk war. Die Befürchtun­g, dass dieses historisch­e Stück der Tillystadt anderen Interessen geopfert wurde, nämlich der Anordnung des Innenminis­teriums. Einer Verfügung, die im Fall Rains ja nicht einmal auf ihre Sinnhaftig­keit hin überprüft wurde. Dort wurde die Bestimmung nach Schema F umgesetzt, einzig um der Umsetzung willen. Die individuel­len Gegebenhei­ten haben nicht interessie­rt. Wenn da nicht der Amtsschimm­el wiehert!

Wie dem auch sei: Inzwischen sind Fakten geschaffen worden. Die neue Tür ist drin. Rain geht unter dem Aspekt der Bewahrung seiner historisch­en Altstadt als Verlierer aus dieser Geschichte. Aber sind diese Fakten unumstößli­ch? Muss man die Situation so hinnehmen? Es müsste doch einen Weg geben, den alten Zustand wieder herzustell­en!

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