Behördenwillkür macht Rain zum Verlierer
Man kann nicht behaupten, der neue Eingang der Polizei-Inspektion Rain sei hässlich. Er fügt sich durch schlichte Form und dezente Farbe unauffällig ins Gesamtbild ein. Trotzdem hat die Kulisse mit dem Verschwinden der alten Jugendstil-Türe – markant, charakteristisch, prägend – an Charme verloren. Für eine historische Altstadt bedeutet ein solcher Verlust immer auch den Verlust von Identität. Die jetzige Türe könnte an jedem beliebigen Haus in jeder beliebigen Stadt angebracht sein. Sie ist steril und funktional ohne ästhetische, ohne inhaltliche Bedeutung. Ihr Vorgänger indes war einmalig und typisch für diese Häuserzeile. Alte Ortskerne spiegeln in ihrer künstlerischen Ausgestaltung die Vergangenheit der Gesellschaft wider, sind kostbare Zeitzeugnisse und kunstgeschichtliches wie soziologisches Erbe, das es zu erhalten gilt.
Im konkreten Fall wurde dieses Erbe nicht erhalten. Das Staatliche Bauamt hat durch seine Aktion das Recht auf Ensembleschutz an dieser Stelle schlichtweg verneint. Bequemerweise hat die Behörde allein für sich entschieden. Eine Tür fällt nach ihrer Aussage nicht unter die äußeren Veränderungen eines Ensembles, die abgestimmt werden müssten. Das ist grotesk. Wenn Simse, Dacheindeckungen, Putz und anderes mehr Merkmale sind, die den Ensembleschutz definieren, ein so zentrales Element wie eine Tür aber nicht, dann ist dieser Ensembleschutz das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Wodurch erhält eine Fassade denn – neben anderen Elementen – ihr individuelles Gesicht, wenn nicht durch eine Tür?
Nein, glaubhaft ist das nicht. Ebenso wenig wie die Haltung, man habe es nicht für relevant erachtet, die Stadt Rain über die geplante Veränderung zu informieren. Bürgermeister Martin wurde auf diese Weise ebenso vor vollendete Tatsachen gestellt, wie die gesamte Öffentlichkeit. Ist das Staatliche Bauamt vielleicht einfach den Weg des geringsten Widerstands gegangen?
Nicht nachvollziehbar ist ebenfalls, weshalb das Denkmalamt zwar die Fenstergitter, nicht aber die Tür oder das gesamte Haus unter Schutz gestellt hat. Das Bauamt vermutet mangelnde Einzigartigkeit, ein fehlendes Alleinstellungsmerkmal. Wie kann das sein? Für Rain war die Türe einzigartig. Es gibt sie kein zweites Mal.
Nein, plausibel ist das alles nicht. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass hier Behördenwillkür am Werk war. Die Befürchtung, dass dieses historische Stück der Tillystadt anderen Interessen geopfert wurde, nämlich der Anordnung des Innenministeriums. Einer Verfügung, die im Fall Rains ja nicht einmal auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüft wurde. Dort wurde die Bestimmung nach Schema F umgesetzt, einzig um der Umsetzung willen. Die individuellen Gegebenheiten haben nicht interessiert. Wenn da nicht der Amtsschimmel wiehert!
Wie dem auch sei: Inzwischen sind Fakten geschaffen worden. Die neue Tür ist drin. Rain geht unter dem Aspekt der Bewahrung seiner historischen Altstadt als Verlierer aus dieser Geschichte. Aber sind diese Fakten unumstößlich? Muss man die Situation so hinnehmen? Es müsste doch einen Weg geben, den alten Zustand wieder herzustellen!