Die alte Jugendstil Türe ist verschwunden
Die Polizeiinspektion Rain hat einen neuen Eingang bekommen – das historische Portal musste weichen. Was dahinter steckt, warum die Stadt Rain nichts davon wusste und auch der PI-Leiter entsetzt ist
Rain Von vielen Bürgern unbemerkt ist vor knapp fünf Wochen ein architektonisches Element aus der Rainer Hauptstraße verschwunden, das geschätzt rund 100 Jahre lang zum Erscheinungsbild der markanten Häuserzeile zwischen Tillydenkmal, Gasthof Lutz und Rathaus gehört hat: die dunkelbraune Jugendstil-Türe am Gebäude der Polizeiinspektion. Sie wird jetzt durch eine helle Holztüre ersetzt, die sachlich-modern und funktional gestaltet ist und sich farblich an der hellen Haus-Fassade orientiert.
Das Staatliche Bauamt Augsburg hat bereits zwischen 15. und 19. März, diesen Austausch vornehmen lassen – für die Öffentlichkeit überraschend. Nicht einmal die Stadt Rain war in diese Pläne involviert, geschweige denn war sie um Rat oder Genehmigung gefragt worden.
Welche Gründe gibt es dafür? Hätte es keine Alternative gegeben? Und wo bleibt der Denkmalschutz? Sebastian Seyboth, der zuständige Abteilungsleiter des Staatlichen Bauamts kennt die Antworten auf diese und andere Fragen. Wie er gegenüber unserer Zeitung erklärt, gehört die Immobilie dem Staat. Das Gebäude selbst steht nicht unter Denkmalschutz, einzig die neo-barocken handgeschmiedeten weißen Fenstergitter aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind im Sinne des Gesetzes schützenswert. Nicht aber die Jugendstil-Türe. Das hatte das bayerische Denkmalamt festgestellt. Dessen zuständige Gebietsre- ferenten waren gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Warum die Tür aus dem Denkmalschutz ausgenommen ist, kann Sebastian Seyboth nur vermuten: „Möglicherweise hat sie kein Alleinstellungsmerkmal, während die künstlerische Gestaltung der Gitter einzigartig ist.“
Die Notwendigkeit, die Türe auszutauschen, ergibt sich laut Seyboth aus aktuellen Bestimmungen des Innenministeriums. Demnach existieren relativ neue Sicherheitsbestimmungen für Polizeidienststellen im Freistaat. Diese erfordern seit ein paar Jahren Nachrüstungen, die nun allmählich umgesetzt werden.
Es geht dabei um die Möglichkeit, den Eingang von innen elektronisch zu verschließen. Wenn also der Beamte an der Pforte einen Besucher hat, den er aus irgendeinem Grund festhalten möchte, muss er in seinem „Glaskasten“einen Mechanismus betätigen können, um das Portal zuzusperren. Diese technische Ertüchtigung wäre bei der alten Türe in Rain laut Staatlichem Bauamt nicht möglich gewesen. Außerdem hat das Fenster im Halbrund über der Türe eine „angriffshemmende Verglasung“bekommen, die von Geschossen nicht durchschlagen werden kann.
Nicht zuletzt geht es auch um das Thema Barrierefreiheit. Der zu öffnende rechte Flügel der JugendstilTüre war zu schmal, um einen Rollstuhlfahrer einzulassen. Die neue Tür hat einen 90 Zentimeter breiten rechten Flügel, der das gewährleistet.
Mit solchen Argumenten konfrontiert, kann Ralf Schurius, der Leiter der Rainer Polizei-Inspektion nur verständnislos den Kopf schütteln. Er ist mit dem Austausch der Tür ganz und gar nicht einverstanden und sagt: „Mir blutet das Herz.“Nach seiner Beschreibung greift weder der Sicherheits-Aspekt, noch das Argument der Barrierefreiheit.
Denn bereits die Jugendstil-Türe habe ausreichenden Schutz geboten. Sie war stets verschlossen. Wer von außen rein wollte, dem wurde auf sein Läuten hin elektronisch geöffnet. Sobald ein Besucher im Vorraum stand und die Tür ins Schloss gefallen war, kam er nicht mehr heraus, ohne dass der Beamte an der Pforte ihm – elektronisch – geöffnet hat. Von innen war die Tür manuell nicht aufzubekommen.
Für die Barrierefreiheit gibt es seit vielen Jahren im Vorraum der PI einen Treppenlift, der gehbehinderten Menschen zur Verfügung steht – er wurde noch kein einziges Mal benutzt. Hätte ein Rollstuhlfahrer nicht durch den schmalen rechten Türflügel gepasst, „wäre ihm jederzeit ein Polizeibeamter zur Hilfe gekommen und hätten den zweiten Türflügel persönlich geöffnet“, versichert Ralf Schurius.
Die Stadt Rain ist bei den Überlegungen des Staatlichen Hochbauamts von Anfang an außen vor geblieben, weil in der Augsburger Behörde die Meinung herrscht, Ensembleschutz sei hier kein Thema. Sebastian Seyboth: „Die Türe trägt ja nicht explizit zum Ensemble bei.“Der Abtei- lungsleiter räumt aber ein, „dass wir das unabhängig davon mit der Stadt hätten besprechen können“.
In der Tat hätte Bürgermeister Gerhard Martin darauf großen Wert gelegt. Er ist entsetzt darüber, dass diese Veränderung in der historischen Kulisse ohne Kenntnisnahme und ohne Absprache an ihm vorüber gegangen ist. Seiner Meinung nach greift bei dieser Thematik durchaus der Ensembleschutz und außerdem gibt es noch eine zweite Richtlinie, die das Staatliche Bauamt nicht berücksichtigt hat. „Rain hat eine Sanierungssatzung“, erklärt Martin. „Und die besagt, dass keine solchen baulichen Eingriffe ohne Genehmigung der Stadt passieren dürfen.“Er lässt den Vorgang jetzt auf seine Rechtsgültigkeit hin prüfen.
Franz Müller aus Rain, der seit Jahrzehnten auf privater Ebene Heimatkunde betreibt, hat mit Bestürzung den neuen Eingang registriert und unsere Zeitung auf dieses Thema gestoßen. Er sieht in der verschwundenen Türe einen herben Verlust für die historische Altstadt Rains. „Ich bin außer mir“, sagt der leidenschaftliche Hobby-Historiker. „Rain ist um ein kulturell-historisches Stück ärmer geworden.“
Indes signalisiert Sebastian Seyboth die Bereitschaft des Staatlichen Bauamts, den Rainern das gute Stück zurückzugeben. Es ist unversehrt und wird derzeit eingelagert. „Wenn der Wunsch besteht, können wir uns gut vorstellen, die Tür der Stadt zur Verfügung zu stellen – etwa fürs Heimatmuseum. Wir finden, das wäre eine gute Idee!“» Kommentar