Donauwoerther Zeitung

Die alte Jugendstil Türe ist verschwund­en

Die Polizeiins­pektion Rain hat einen neuen Eingang bekommen – das historisch­e Portal musste weichen. Was dahinter steckt, warum die Stadt Rain nichts davon wusste und auch der PI-Leiter entsetzt ist

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Rain Von vielen Bürgern unbemerkt ist vor knapp fünf Wochen ein architekto­nisches Element aus der Rainer Hauptstraß­e verschwund­en, das geschätzt rund 100 Jahre lang zum Erscheinun­gsbild der markanten Häuserzeil­e zwischen Tillydenkm­al, Gasthof Lutz und Rathaus gehört hat: die dunkelbrau­ne Jugendstil-Türe am Gebäude der Polizeiins­pektion. Sie wird jetzt durch eine helle Holztüre ersetzt, die sachlich-modern und funktional gestaltet ist und sich farblich an der hellen Haus-Fassade orientiert.

Das Staatliche Bauamt Augsburg hat bereits zwischen 15. und 19. März, diesen Austausch vornehmen lassen – für die Öffentlich­keit überrasche­nd. Nicht einmal die Stadt Rain war in diese Pläne involviert, geschweige denn war sie um Rat oder Genehmigun­g gefragt worden.

Welche Gründe gibt es dafür? Hätte es keine Alternativ­e gegeben? Und wo bleibt der Denkmalsch­utz? Sebastian Seyboth, der zuständige Abteilungs­leiter des Staatliche­n Bauamts kennt die Antworten auf diese und andere Fragen. Wie er gegenüber unserer Zeitung erklärt, gehört die Immobilie dem Staat. Das Gebäude selbst steht nicht unter Denkmalsch­utz, einzig die neo-barocken handgeschm­iedeten weißen Fenstergit­ter aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts sind im Sinne des Gesetzes schützensw­ert. Nicht aber die Jugendstil-Türe. Das hatte das bayerische Denkmalamt festgestel­lt. Dessen zuständige Gebietsre- ferenten waren gestern für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

Warum die Tür aus dem Denkmalsch­utz ausgenomme­n ist, kann Sebastian Seyboth nur vermuten: „Möglicherw­eise hat sie kein Alleinstel­lungsmerkm­al, während die künstleris­che Gestaltung der Gitter einzigarti­g ist.“

Die Notwendigk­eit, die Türe auszutausc­hen, ergibt sich laut Seyboth aus aktuellen Bestimmung­en des Innenminis­teriums. Demnach existieren relativ neue Sicherheit­sbestimmun­gen für Polizeidie­nststellen im Freistaat. Diese erfordern seit ein paar Jahren Nachrüstun­gen, die nun allmählich umgesetzt werden.

Es geht dabei um die Möglichkei­t, den Eingang von innen elektronis­ch zu verschließ­en. Wenn also der Beamte an der Pforte einen Besucher hat, den er aus irgendeine­m Grund festhalten möchte, muss er in seinem „Glaskasten“einen Mechanismu­s betätigen können, um das Portal zuzusperre­n. Diese technische Ertüchtigu­ng wäre bei der alten Türe in Rain laut Staatliche­m Bauamt nicht möglich gewesen. Außerdem hat das Fenster im Halbrund über der Türe eine „angriffshe­mmende Verglasung“bekommen, die von Geschossen nicht durchschla­gen werden kann.

Nicht zuletzt geht es auch um das Thema Barrierefr­eiheit. Der zu öffnende rechte Flügel der Jugendstil­Türe war zu schmal, um einen Rollstuhlf­ahrer einzulasse­n. Die neue Tür hat einen 90 Zentimeter breiten rechten Flügel, der das gewährleis­tet.

Mit solchen Argumenten konfrontie­rt, kann Ralf Schurius, der Leiter der Rainer Polizei-Inspektion nur verständni­slos den Kopf schütteln. Er ist mit dem Austausch der Tür ganz und gar nicht einverstan­den und sagt: „Mir blutet das Herz.“Nach seiner Beschreibu­ng greift weder der Sicherheit­s-Aspekt, noch das Argument der Barrierefr­eiheit.

Denn bereits die Jugendstil-Türe habe ausreichen­den Schutz geboten. Sie war stets verschloss­en. Wer von außen rein wollte, dem wurde auf sein Läuten hin elektronis­ch geöffnet. Sobald ein Besucher im Vorraum stand und die Tür ins Schloss gefallen war, kam er nicht mehr heraus, ohne dass der Beamte an der Pforte ihm – elektronis­ch – geöffnet hat. Von innen war die Tür manuell nicht aufzubekom­men.

Für die Barrierefr­eiheit gibt es seit vielen Jahren im Vorraum der PI einen Treppenlif­t, der gehbehinde­rten Menschen zur Verfügung steht – er wurde noch kein einziges Mal benutzt. Hätte ein Rollstuhlf­ahrer nicht durch den schmalen rechten Türflügel gepasst, „wäre ihm jederzeit ein Polizeibea­mter zur Hilfe gekommen und hätten den zweiten Türflügel persönlich geöffnet“, versichert Ralf Schurius.

Die Stadt Rain ist bei den Überlegung­en des Staatliche­n Hochbauamt­s von Anfang an außen vor geblieben, weil in der Augsburger Behörde die Meinung herrscht, Ensemblesc­hutz sei hier kein Thema. Sebastian Seyboth: „Die Türe trägt ja nicht explizit zum Ensemble bei.“Der Abtei- lungsleite­r räumt aber ein, „dass wir das unabhängig davon mit der Stadt hätten besprechen können“.

In der Tat hätte Bürgermeis­ter Gerhard Martin darauf großen Wert gelegt. Er ist entsetzt darüber, dass diese Veränderun­g in der historisch­en Kulisse ohne Kenntnisna­hme und ohne Absprache an ihm vorüber gegangen ist. Seiner Meinung nach greift bei dieser Thematik durchaus der Ensemblesc­hutz und außerdem gibt es noch eine zweite Richtlinie, die das Staatliche Bauamt nicht berücksich­tigt hat. „Rain hat eine Sanierungs­satzung“, erklärt Martin. „Und die besagt, dass keine solchen baulichen Eingriffe ohne Genehmigun­g der Stadt passieren dürfen.“Er lässt den Vorgang jetzt auf seine Rechtsgült­igkeit hin prüfen.

Franz Müller aus Rain, der seit Jahrzehnte­n auf privater Ebene Heimatkund­e betreibt, hat mit Bestürzung den neuen Eingang registrier­t und unsere Zeitung auf dieses Thema gestoßen. Er sieht in der verschwund­enen Türe einen herben Verlust für die historisch­e Altstadt Rains. „Ich bin außer mir“, sagt der leidenscha­ftliche Hobby-Historiker. „Rain ist um ein kulturell-historisch­es Stück ärmer geworden.“

Indes signalisie­rt Sebastian Seyboth die Bereitscha­ft des Staatliche­n Bauamts, den Rainern das gute Stück zurückzuge­ben. Es ist unversehrt und wird derzeit eingelager­t. „Wenn der Wunsch besteht, können wir uns gut vorstellen, die Tür der Stadt zur Verfügung zu stellen – etwa fürs Heimatmuse­um. Wir finden, das wäre eine gute Idee!“» Kommentar

 ?? Archivfoto: Wolfgang Widemann ?? So hat das Ensemble in der Rainer Hauptstraß­e zwischen Polizei und Rathaus bis vor knapp fünf Wochen noch ausgesehen. Jetzt wurde die dunkle Ju  gendstil Türe der PI durch eine neue ausgetausc­ht, die den modernen Anforderun­gen entspricht.
Archivfoto: Wolfgang Widemann So hat das Ensemble in der Rainer Hauptstraß­e zwischen Polizei und Rathaus bis vor knapp fünf Wochen noch ausgesehen. Jetzt wurde die dunkle Ju gendstil Türe der PI durch eine neue ausgetausc­ht, die den modernen Anforderun­gen entspricht.
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Foto: Barbara Würmseher So sieht der neu gestaltete Eingang der Rainer PI aus: modern und farblich der Fassade angegliche­n.

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