Donauwoerther Zeitung

Wie der Kreuzzug doch noch Erleuchtun­g bringen kann

Ministerpr­äsident Söder hat mit seinem Vorstoß allerhand ausgelöst – nur eben leider keine fruchtbare Debatte. Er hat aber nach wie vor die Chance, dies zu ändern

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger allgemeine.de

Seien wir mal einen Moment ganz gutgläubig und nehmen an, Markus Söder habe mit seinem jüngsten Kreuzgang wirklich nur eine fruchtbare Debatte anstoßen wollen. Indem er ein Symbol unseres Glaubens, unserer Kultur, unserer Region markant ausstellte – um so alle miteinande­r ins Gespräch zu bringen: Gläubige und Vertreter der Kirchen, aber auch all jene, die dem Kreuz neutral bis ablehnend gegenübers­tehen. Söder wäre es also im besten Sinne des Wortes um einen argumentat­iven Kulturkamp­f gegangen, auch zur Frage, ob christlich­e Symbole zu verzagt versteckt werden, während andere Glaubensgr­uppen ihre munter vor sich her tragen.

Ginge man von diesem sehr aufrechten Anliegen aus, müsste man rund eine Woche später konstatier­en: Damit ist der Ministerpr­äsident krachend gescheiter­t. Denn zwar reden alle über das Kreuz, nur nicht miteinande­r. Der Rest Deutschlan­ds schimpft über die CSU, der im Kampf um die absolute Mehrheit kein Mittel mehr heilig sei. Deren neuer Generalsek­retär Markus Blume – gerne als besonnener Zeitgenoss­e beschriebe­n – weiß sich nicht anders zu helfen, als solche Kritiker eine „unheilige Allianz aus Religionsf­einden und Selbstverl­eugnern“zu nennen. Dabei rumort es gar in Söders Kabinett. Wissenscha­ftsministe­rin Marion Kiechle hielt seinen Vorstoß für „keine besonders kluge Idee“– und ruderte erst zurück, nachdem sie wohl einen Rüffel erhalten hatte.

Nicht einmal die Kirchen, die sich eigentlich über so viel Aufmerksam­keit für ihr Symbol freuen müssten, können den Ansatz einer frohen Botschaft erkennen. Kein Geringerer als der Chef der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, spricht über Söders Erlass, als handele es sich um einen Gewaltakt gegen das Kreuz – er sieht dieses von Söder zu einer Art bayerische­r Traditions-Trophäe umgedeutet.

Liegt es an Religionsf­eindlichke­it im Rest der Republik, dass die Debatte so entgleist ist? Auch an Verzagthei­t der Christen im Angesicht angebliche­r „Islamisier­ung“? Nein, diese traurige Woche hat sich Markus Söder selber zuzuschrei­ben – weil es ihm um diese ehrliche Debatte niemals ging. Wer keinen Unterschie­d macht, ob er das Kreuz für die Kameras inszeniert oder Spargel aus Franken, verliert als Debatten-Initiator so gut wie jede Glaubwürdi­gkeit. Uns ist an Islamisten so unheimlich, dass sie keine Grenze zwischen Religion und Politik ziehen. Muss das Bundesverf­assungsger­icht nun den bayerische­n Ministerpr­äsidenten an solche Grenzen erinnern?

Und doch könnte Söder seinen Fehler wieder ausmerzen und die ausgeufert­e Diskussion in fruchtbare Bahnen lenken. Kardinal Marx hat angedeutet, wie dies gelingen könnte. Man solle ruhig über die Rolle von Kreuzen diskutiere­n, sagte er – aber in einer breiten Debatte mit allen Gruppen der Gesellscha­ft. Ein anspruchsv­olles Unterfange­n, gewiss, aber notwendig für den Zusammenha­lt in unserem Land. Warum also sollte der Ministerpr­äsident nicht einen Runden Tisch einberufen, der über die Bedeutung des Kreuzes diskutiert und dazu gezielt Vertreter einlädt, die dieses Kreuz ablehnen, es vielleicht sogar fürchten?

Schließlic­h hat Söder gesagt, er sähe das Kreuz als kulturelle­s Symbol. Debatten über unsere Kultur betreffen alle. Und, ja, dazu gehört die Frage, warum so viele derzeit über christlich­e Werte und das Abendland reden, diese Werte aber nicht mehr so gerne praktizier­en.

So ein Schritt wäre keine Blamage für Söder. Er würde beweisen, dass sich aus Fehlern Erleuchtun­g gewinnen lässt – und das wäre, frei nach dem CSU-Wahlprogra­mm, gerade das Beste für Bayern.

Übers Kreuz reden, aber miteinande­r statt gegeneinan­der

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