Donauwoerther Zeitung

Wie viel Schäuble steckt in Scholz?

Nach sechs Wochen im Amt legt der Finanzmini­ster seinen ersten Etatentwur­f vor. Der SPD-Politiker mag freundlich­er im Ton sein als sein Vorgänger. Doch das bedeutet nicht, dass er in der Sache weniger hart ist

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Blicke ruhen jetzt auf Olaf Scholz: Führt der neue Finanzmini­ster strikt den Kurs seines strengen Vorgängers Wolfgang Schäuble weiter oder geht er neue Wege? Sechs Wochen nach seiner Amtsüberna­hme legt der frühere Hamburger Bürgermeis­ter den ersten Haushalt der neuen Bundesregi­erung vor, den das Kabinett in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch verabschie­det. Und nicht nur den Koalitionä­ren, sondern auch der Opposition kommt das Zahlenwerk vertraut vor, auch wenn Scholz dank der sprudelnde­n Steuereinn­ahmen tiefer in die Kasse greifen kann und Gesamtausg­aben von 341 Milliarden Euro vorsieht, rund 3,5 Milliarden Euro mehr, als Schäuble noch für 2018 vorgesehen hat.

Bei seinen ersten Auftritten im Kreis der EU-Finanzmini­ster und bei der Frühjahrst­agung des IWF hat Scholz klar gemacht, dass sich am deutschen Kurs nichts ändern werde. Auch an der schwarzen Null, dem Markenzeic­hen Schäubles, mit dem er in die (Haushalts-)Geschichte der Bundesrepu­blik eingehen wird, rüttelt der Sozialdemo­krat Scholz nicht. Neue Schulden, das hat er bereits in den ersten Tagen mehrfach betont, wird es mit ihm nicht geben. So hat er denn auch in den zähen, teilweise sogar harten Verhandlun­gsrunden mit seinen Kabinettsk­ollegen so manche Wünsche weg- oder herunterve­rhandelt. Die Botschaft ist klar: Weder sitzt das Geld bei ihm locker noch gibt es einen Bonus für Parteifreu­nde.

Für den harten Kurs steht auch eine Personalie, die für die Kontinuitä­t im Ressort steht. Scholz holte unmittelba­r nach seiner Vereidigun­g Werner Gatzer von der Bahn zurück und berief ihn zum beamteten Staatssekr­etär, zuständig für die Etatverhan­dlungen. Gatzer, der schon Peer Steinbrück (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) diente, gilt in Berlin fast schon als Institutio­n – mit allen Tricks der Verhandlun­gsführung vertraut, bestens vernetzt. Der Mann, der für Schäuble die schwarze Null durchdrück­te.

Und Scholz selber? Im lauten Berlin, wo öffentlich­e Aufmerksam­keit als Währung gilt und die Sucht nach Schlagzeil­en groß ist, führt er sein Amt unaufgereg­t, zurückhalt­end und leise. Der SPD-Haushaltse­xperte Andreas Schwarz aus Bamberg würdigt ihn im Gespräch mit unserer Zeitung. Sein „hanseatisc­h, zurückhalt­endes Gemüt“werde auf dem internatio­nalen Parkett mehr geschätzt „als die polternde badische Art von Schäuble“, so Schwarz. Und auch der Karlsruher CDUHaushäl­ter Axel E. Fischer äußert sich wohlwollen­d: „Er ist für einen Sozialdemo­kraten sehr klar, strukturie­rt und erfreulich kompetent sowie überaus freundlich.“

Differenzi­erter fällt das Urteil der Opposition aus. „Olaf Scholz agiert als Finanzmini­ster sehr überlegt, aber er scheint dabei auch risikosche­u zu sein“, sagt die Haushaltse­xpertin und stellvertr­etende Fraktionsc­hefin der Grünen, Anja Hajduk, unserer Zeitung. Ob er aus dem Schatten Schäubles treten wolle? „Das kann man noch nicht wirklich erkennen – und vielleicht will er das auch gar nicht.“Hinter vorgehalte­ner Hand werden andere Opposition­spolitiker deutlicher. Scholz wisse, dass er klug sei – und lasse das auch die anderen spüren. Aber auch das war bei Schäuble nicht anders.

Mit Kanzlerin Angela Merkel versteht sich der Vizekanzle­r bestens. Die beiden schätzen sich, schließlic­h war Scholz schon in der ersten Großen Koalition unter Merkel von 2007 bis 2009 Arbeits- und Sozialmini­ster. Aber auch zum neuen Innenminis­ter, CSU-Chef Horst Seehofer, gibt es einen engen Draht. Die beiden haben eine gemeinsame Vergangenh­eit im Bundesrat und der Ministerpr­äsidentenk­onferenz. Der Hamburger Bürgermeis­ter und der bayerische Ministerpr­äsident handelten in der letzten Legislatur­periode die komplizier­te Neuordnung des Länderfina­nzausgleic­hs aus, wobei ihnen das Kunststück gelang, die Interessen aller 16 Länder unter einen Hut zu bringen und sich dann auch noch gegen Schäuble durchzuset­zen. Das verbindet.

In der SPD dagegen wird Scholz mehr geachtet denn geliebt, auf Parteitage­n muss er sich regelmäßig mit den schlechtes­ten Wahlergebn­issen

In der SPD wird er mehr geachtet als geliebt

begnügen. Gleichwohl verbindet ihn mit der neuen Parteichef­in Andrea Nahles ein enges Vertrauens­verhältnis. Die beiden haben sich auf eine Arbeitstei­lung geeinigt. Nahles ist als Partei- wie Fraktionsc­hefin für das Profil der SPD zuständig, Scholz als Vizekanzle­r und Finanzmini­ster fürs gute Regieren und eine verlässlic­he Zusammenar­beit mit der Union im Kabinett. „Wir Sozialdemo­kraten müssen zeigen, dass wir das Land regieren können“, hat er als Devise ausgegeben. Entspreche­nd wichtig sind für ihn Vertrauen, Verlässlic­hkeit und Berechenba­rkeit. Kein Wunder, dass die Opposition­sparteien spotten, Scholz sei die „Idealbeset­zung“für Merkel: „Ein CDU-Finanzmini­ster mit SPD-Parteibuch.“

 ?? Foto: Nietfeld, dpa ?? Olaf Scholz legte seinen Amtseid als Finanzmini­ster im März bei seinem Vorgänger und neuen Bundestags­präsidente­n Wolfgang Schäuble ab.
Foto: Nietfeld, dpa Olaf Scholz legte seinen Amtseid als Finanzmini­ster im März bei seinem Vorgänger und neuen Bundestags­präsidente­n Wolfgang Schäuble ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany