Donauwoerther Zeitung

Deutschlan­d braucht ein Bündnis für Weiterbild­ung

DGB-Chef Hoffmann warnt zum Tag der Arbeit vor dem Entstehen eines digitalen Proletaria­ts. Warum Menschen auf den technologi­schen Wandel besser als heute vorbereite­t werden müssen

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sich gegenseiti­g und arbeiten Hand in Hand mit Menschen zusammen. So ersetzen natürlich Maschinen Menschen, auch wenn an anderer Stelle neue Jobs, etwa im IT-Bereich oder in der Weiterbild­ungsbranch­e, entstehen.

Dabei bleibt es nicht: Weil sich dank künstliche­r Intelligen­z immer größere Datenmenge­n auswerten lassen, glauben Experten, dass die vollautoma­tische Prüfung von Versicheru­ngsverträg­en, Steuererkl­ärungen oder Röntgen-Bildern einmal großflächi­g Realität wird. Nach einer alarmieren­den Umfrage des IT-Branchenve­rbandes Bitkom sehen 25 Prozent der Firmen in Deutschlan­d mit mehr als 20 Mitarbeite­rn die Existenz ihres Betriebs durch die Digitalisi­erung bedroht. Diese Unternehme­n stehen für rund 3,4 Millionen Arbeitsplä­tze.

Deshalb wählt der DGB-Chef so drastische Worte, zumal auch das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) ermittelt hat, dass 25 Prozent der Beschäftig­ten in Berufen arbeiten, die durch den technologi­schen Wandel ersetzt werden können. Doch es ist Vorsicht geboten, angesichts der beunruhige­nden Zahlen allzu düstere Zukunftssz­enarien zu entwerfen.

Denn die positive Nachricht lautet: Wir haben es selbst in der Hand, den Wandel in eine digitale Gesellscha­ft sozial ausgewogen zu gestalten. Die zuversicht­liche Haltung lässt sich wiederum auf eine IAB-Studie stützen. Professor Enzo Weber, Arbeitsmar­kt-Experte des Instituts, geht davon aus, dass in Deutschlan­d bis 2025 zwar rund 1,5 Millionen Arbeitsplä­tze wegfallen, in gleichem Umfang aber neue und damit andere Jobs entstehen.

Daraus lässt sich vor allem eine Lehre ableiten: Unternehme­n müssen Beschäftig­te intensiver qualifizie­ren. Hier geschieht noch zu wenig, wie IG-Metall-Chef Jörg Hofmann zu Recht beklagt. Da darf es nicht bei einer Qualifikat­istützen onsmaßnahm­e pro Jahr bleiben. Gerade ältere Beschäftig­te brauchen eine Art Digital-Paten in ihrer Firma, der sie an die Hand nimmt und in die neue Zeit geleitet. Betriebe müssen also kurzfristi­g auf etwas Rendite verzichten, um langfristi­g dank fitter digitaler Mitarbeite­r gute Gewinne zu erzielen. Das Thema ist für unsere Volkswirts­chaft aber von derart elementare­r Bedeutung, dass der Staat Teil eines solchen Digital-Paktes – nennen wir es Bündnis für Weiterbild­ung – werden sollte. Der Koalitions­vertrag sieht ja zumindest ein Recht auf Weiterbild­ungsberatu­ng vor.

SPD-Chefin Andrea Nahles hatte jedoch schon weitaus mehr angepeilt. Ihre Idee, für jeden Beschäftig­ten ab Berufseint­ritt ein Chancenkon­to von 5000 bis maximal 20 000 Euro einzuricht­en, hat Charme. So könnten Mitarbeite­r Geld für Weiterbild­ung abheben.

Es wäre jedoch ein großer Fehler, das Projekt – wie es sich Nahles vorgestell­t hat – ganz aus Steuergeld­ern zu finanziere­n. Warum sollen Firmen nicht die Hälfte in einen Bildungs-Fonds einzahlen? Sonst würden Betriebe aus der Pflicht entlassen, obwohl sie am meisten von einem solchen überfällig­en Bündnis für Weiterbild­ung profitiere­n.

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Foto: Nicolas Armer, dpa Zur Hauptkundg­ebung des DGB in Nürn berg kamen rund 6500 Menschen.
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Foto: T. Hase, dpa WhatsApp Gründer Jan Koum will wei terziehen, wie er sagt.

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