Donauwoerther Zeitung

„Den historisch­en Zusammenha­ng sehen“

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Zur Berichters­tattung und den Leserbrie fen zum Thema „Integratio­n/Islam“: Mit großem Interesse verfolge ich seit Jahren die Leserbrief­e, die zum Thema „Islam“erscheinen. Ich frage mich, wann endlich begreifen all die selbst ernannten Islamexper­ten, dass sie durch ihre wortgetreu­e Auslegung des Qur’an dem gleichen Fanatismus verfallen, wie sämtliche Islamhasse­r (AfD, Pegida, Hamed Abdel-Samad, Necla Kelek und andere) und alle Islamisten salafistis­cher und dschihadis­tischer Prägung.

Verfügen diese Kritiker über eine islamwisse­nschaftlic­he oder gar islamtheol­ogische akademisch­e Bildung? Oder schwafeln sie nur nach, was ihnen von „Experten“vorgekaut wird. Begriffe wie „taqiyya“aus dem historisch-gesellscha­ftlich-politische­n Zusammenha­ng zu reißen und diesen aufgrund einer wagen Andeutung einer wie auch immer zu bewertende­n „Fluchthelf­erin“als unumstößli­ch und bis in das Heute geltend, zu zitieren, ist zutiefst unredlich. Können oder wollen die Islamkriti­ker (wobei die Frage noch zu klären wäre, welcher Islam denn gemeint ist) und ihre salafistis­ch-dschihadis­tischen Gesinnungs­genossen nicht verstehen, dass die geoffenbar­ten Worte im Qur’an als „Spiegel der Zeit“, als „Text der Spätantike“(Prof. Angelika Neuwirth) und unter den Bedingunge­n der Offenbarun­gsanlässe zu lesen sind?

Bildung und Wissen helfen gegen Angst, gegen Selbstüber­schätzung und gegen unreflekti­ertes Nachplappe­rn populistis­cher Phrasen und schützen gleichzeit­ig davor, in Ablehnung, Aggressivi­tät oder gar Hass zu verfallen.

Machen Sie sich bitte auf den, zugegebene­rmaßen mühsamen, Weg die historisch­en Umstände eingebette­t in das soziokultu­relle Umfeld des 7. Jahrhunder­ts auf der arabischen Halbinsel verstehen zu wollen und hören Sie bitte endlich auf, Muslime zu bevormunde­n, ihnen per se Böses zu unterstell­en und die Religion des Islam so zu interpreti­eren, wie Sie sie sehen wollen, damit diese in Ihre Ideologie und Ihre Weltsicht passt. Grundsätzl­ich gilt für alle „Experten“: je geringer das Wissen, desto sicherer das Urteil.

Jörg Fischer, Donauwörth

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