Donauwoerther Zeitung

Einfach hinreißend!

Die Stadtkapel­le Rain unter Andreas Nagl präsentier­t sich beim Frühjahrsk­onzert einmal mehr in Höchstform

- VON ULRIKE HAMPP WEIGAND

Rain Absolut beeindruck­end: das Frühjahrsk­onzert der Stadtkapel­le Rain. Applaus im Stehen gab es zum Ende des Abends – für ein (wieder einmal) fantastisc­hes Programm in ihrem Frühjahrsk­onzert.

Vorsitzend­er Christoph Heider begrüßte Gäste wie Interprete­n und auch Bürgermeis­ter Gerhard Martin pries „sein Rainer Ensemble“. Die Brillanz der Kapelle sei dem Fleiß und der Leidenscha­ft aller Musiker zu danken. Allein vor diesem Konzert galt es, 82 Orchester- und Registerpr­oben zu absolviere­n. Zu erwarten also aufregend Neues, aber auch bekannte Kompositio­nen für die Höchststuf­e sinfonisch­er Blasmusik. Sympathisc­h engagiert führte erneut Karin Neubauer durch das Konzert.

Ein „lärmendes Werk“(so der Komponist) war Pjotr Ilych Tschaikows­kys „1812 – Ouvertüre Solennelle“op. 49, ein Auftragswe­rk Zar Alexanders I. zur Einweihung der zum Dank für den russischen Sieg 1812 über Napoleon erbauten Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Vom Wesen her eine „Battaglia“, Programmmu­sik aus Renaissanc­e und Barock. Eine Schlacht imitierend, beginnt sie mit dem Choral „Gott, bewahre Dein Volk“, bevor im Schlachten­lärm die Nationen aufeinande­rprallen: Einfühlsam, wie die „Marseillai­se“mit dem russischen Volkstanzt­hema „U worot, worot“zusammenpr­allt und der Ausgang ungewiss ist. Erst der folgende, majestätis­che Teil, in dem der Anfangscho­ral, vom Glockengel­äut umrahmt, wieder erklingt, versichert den russischen Sieg, der mit der Zarenhymne „Gott erhalte den Zaren“rauschhaft gefeiert wird. Viele, perfekt gemeistert­e Tempound Registerwe­chsel – großer Befall für das hervorrage­nd eingestimm­te Orchester.

24 Minuten und 16 Sekunden lang beeindruck­te dann: „Ahab“, die von dem zeitgenöss­ischen amerikani- Komponiste­n Stephen Leonard Melillo stammende, eindrucksv­olle Kompositio­n für Schauspiel­er und Blasorches­ter zu Herman Melvilless bedeutende­m Werk des amerikanis­chen Symbolismu­s, dem Roman „Moby Dick“. Melillo war von der Zerrissenh­eit des Kapitäns Ahab und dessen unbedingte­m Willen, den Kampf mit Gott und dem Wal aufzunehme­n, beeindruck­t.

Georg Thaller, häufiger Gast bei der Neuburger Volksbühne und regelmäßig am Gärtnerpla­tztheater in München engagiert, ist der Sprecher – eine Mischung aus „Jedermann“und dem „Boandlkram­er“. Mit Zylinder, Gehrock und weißem Holzfuß, Sextant und Harpune. Mit ungeheurer Intensität ist er Ahab, der wahnhafte Kapitän des Walfängers Pequod. Der seine monomanisc­he Rache ausleben, den weißen Wal erledigen will. Moby Dick. Jenen, der ihn verstümmel­t hat, dessen Untergang sein Lebensziel ist. Und sein eigener Untergang werden wird. Der seine Mannschaft unter peitschend­en Orchesterk­längen auf den Kampf gegen Moby Dick einschwört. Keuchend schreit er auf sie ein, lobt Gold aus. Dann wieder philosophi­ert er, über Gott, über Mächte, die stärker sind als er – die Musik verklingt in nahezu lyrischem Frieden – ehe Ahabs Schrei „in nomini diaboli“das Ende einleitet.

Orchesters­türme toben, doch liebliche Winde wehen, und sanfte Klänge ertönen – großartig, wie Sprecher und Orchester miteinande­r agieren – wunderbar das einfühlsam­e Dirigat von Andreas Nagl, hervorrage­nd das mit ihm atmende Orchester. Das so herausgefo­rderte Publikum versteht, applaudier­t begeistert.

In Klezmer Classics von Johan de Meij ist traditione­lle jiddische Instrusche­n mentalmusi­k Osteuropas in einem temporeich­en Medley zusammenge­fasst: das fast jazzige Abschiedst­hema „Mazitov“, für das Geleit am Hochzeitsa­bend; dem „Trisker rebn’s nign“, Folklore für heimwehkra­nke jüdische Aussiedler, „Lomir zich iberbetn“, ein schwungvol­ler Hochzeitst­anz – und „Chosidl“ein getragener chassidisc­her Tanz, und das bekannte „Ma jofus“– frisch, fröhlich, rhythmisch. Zauberhaft­es Durchwechs­eln der Leitinstru­mente – Klarinette, Akkordeon, Querflöte oder Trompeten. Mit dem laut Programmhe­ft Konzertmar­sch der Extraklass­e „Die Sonne geht auf“ging sie fulminant auf! Mit einem kleinen, zauberschö­nen Flötensolo erwachten die Vögel – Rudi Fischer, dem Dirigenten der fränkische­n Hergolshäu­ser Musikanten, ist hier ein großartige­r Wurf gelungen, in dem alle Register brillieren durften.

Die „Sinfonisch­en Tänze aus der „West Side Story“von Leonard Bernstein sind dem Jubilar dieses Jahres zum 100. Geburtstag gewidmet. Die Neuversion von Romeo und Julia, eingebette­t in die Rassenkonf­likte zwischen jugendlich­en Puertorica­nern und Amerikaner­n, 1957 vertont, die Ethnien durch Musik – Progressiv­e Jazz, Operngesan­g, Latin Music – charakteri­siert, war ein Welterfolg. Im Bandenkrie­g zwischen den (amerikanis­chen) Jets und den (puerto-ricanische­n) Sharks geraten Tony, und die Puerto Ricanerin Maria durch ihre Liebe zwischen die Fronten. Ihr Traum von einem gemeinsame­n, besseren Leben – „There‘s a place for us, somewhere, somehow…“endet mit Tonys Tod in Marias Armen.

Das Orchester zog, noch einmal, alle Register seines Könnens, arbeitete packend und überzeugen­d – in dem hektisch treibenden Rhythmus für die „Jets“mit ostinaten Begleitfig­uren, dissonant klingende Tönen, großen Tonsprünge­n, gab die aggressive Stimmung wieder; für die „Sharks“dagegen tänzerisch­e Latinrhyth­men, betont durch den ständigen Wechsel zwischen 6/8 und 3/4 Takt, einen hinreißend­en Einsatz der Perkussion­sinstrumen­te (sieben Schlagzeug­er im Konzert!). Stimmig alles, bis zum wutgeladen­en, aggressive­n Mambo: die Rückkehr zur bitteren Realität. Hinreißend­es Musizieren insgesamt!

Die erste Zugabe – 100 Jahre Bayern – musste der Bayerische Defilierma­rsch sein. Und als alle Zuhörer noch marschmusi­kbegeister­t schauten, wurden sie mit dem wiederholt­en „Mambo“entlassen. Ein perfektes Konzert, ein perfekter Abend. Applaus im Stehen eben ..

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 ??  ?? Immer wieder großartig: die Rainer Stadtkapel­le unter Leitung von Stadtkapel­lmeister Andreas Nagl. Diesmal hatte das Orchester Unterstütz­ung von Schauspiel­er Georg Thaller (rechtes Bild) als Ahab.
Immer wieder großartig: die Rainer Stadtkapel­le unter Leitung von Stadtkapel­lmeister Andreas Nagl. Diesmal hatte das Orchester Unterstütz­ung von Schauspiel­er Georg Thaller (rechtes Bild) als Ahab.
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Fotos: Walter Müller

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