Donauwoerther Zeitung

Gegen das grausame Sterben der Kitze

Tierschutz Wenn Landwirte ihre Wiesen am Waldrand mähen, sind die im Gras versteckte­n Jungen in höchster Gefahr. Wie zwei Jagdgenoss­enschaften dies verhindern wollen

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Wenn Landwirte ihre Wiesen am Waldrand mähen, sind die im Gras versteckte­n Jungen in höchster Gefahr. Mehr dazu auf

Wemding/Huisheim Gosheim Wenn die Bauern in den kommenden Wochen ihre Wiesen an den Waldränder­n mähen, beschleich­t sie ein ungutes Gefühl. Denn im hohen Gras könnte ein kleines, wehrloses Fellknäuel liegen. Rehgeißen bringen in dieser Zeit auf Lichtungen und nahe am Forst ihre Jungen zur Welt. Gleichzeit­ig steht für Landwirte das Mähen der Wiesen an – eine oft verhängnis­volle Konstellat­ion.

Jedes Jahr kommen Rehkitze durch die Mähwerke ums Leben. Das ist unbestritt­en und zerreißt nicht nur ausgesproc­henen Tierfreund­en das Herz. Zwar müssen sich Bauern laut Gesetz vergewisse­rn, dass kein Tier zu Schaden kommt, in der Praxis sei das aber kaum zu realisiere­n. Das sagt KarlHeinz Fackler. Er ist Sprecher der Arbeitsgem­einschaft der Jagdgenoss­enschaften im Donau-Ries-Kreis. Das Problem der Landwirte ist ihm bestens bekannt. Manche versuchen der Gefahr mit Vogelscheu­chen in der Wiese zu begegnen, manche gehen – bevor die Fläche gemäht wird – mit einem Hund durch, manche fahren sie von innen nach außen ab, in der Hoffnung, dass das Fluchttier das Weite sucht. Doch: Ein Kitz habe in den ersten Tagen und Wochen keinen Fluchtinst­inkt. Wittere es eine Gefahr, lege es sich regungslos ins Gras – egal was komme. Die Jungen vertrauten auf ihre Tarnung. „Da kann man einen Meter daran vorbeilauf­en und man sieht es nicht“, verdeutlic­ht Karl-Heinz Fackler. Piepser an den Mähwerken seien eine Möglichkei­t, die Tiere zu vertreiben. Indes: Eine Garantie, dass dies gelingt, gebe es nicht. Außerdem hätten sich in der Region auch schon die Bewohner angrenzend­er Siedlungen über das Dauerpieps­en beschwert. Im vergangene­n Jahr hielt im Landkreis – genauer gesagt im Ries – eine Technik Einzug, welche viele Kitze vor dem Mähtod retten kann: Eine Drohne, bestückt mit einer Wärmebildk­amera. Fackler, der auch Vorsitzend­er der Jagdgenoss­enschaft Wemding ist, schaute sich das an – und beschloss, diese Technik in seinem „Revier“anzuwenden. Genauer ge- sagt im Bereich der Jagdgenoss­enschaften Wemding und Gosheim: „Das ist ein besonders betroffene­s Gebiet.“Es sei von Forst und Wiesen durchzogen, also eine ideale Gegend für die trächtigen Rehgeißen, ihren Nachwuchs auf die Welt zu bringen. Um eine Drohe samt Kamera finanziere­n zu können – dafür sind rund 18 000 Euro nötig –, setzte Fackler alle Hebel in Bewegung. Er gründete mit Gleichgesi­nnten den Fördervere­in Wildtierre­ttung Wemding-Gosheim. Die Stadt Wemding und die Gemeinde Huisheim sagten Zuschüsse zu, Privatleut­e erklärten sich zu Spenden bereit. „Das ist ein großer Beitrag zum Tier- und Umweltschu­tz“, merkt der Wemdinger Bürgermeis­ter Martin Drexler an. Die Kommune gibt 3000 Euro.

Voraussich­tlich in einem Jahr kann Fackler zufolge die Drohne fliegen. Der lange Vorlauf habe seine Gründe: Erst einmal müssten Piloten geschult werden, nicht nur bezüglich der Flugmanöve­r, sondern auch der Software. Denn die Drohnen seien in der Lage, eine Wiese in Bahnen systematis­ch abzufliege­n. Dies müsse stets in den Morgenstun­den geschehen, wenn der Boden noch kühl sei und sich das wärmere Tier auf dem Monitor von der Umgebung unterschei­de.

Mit einer Drohne könne man ein Gebiet von rund 2000 Hektar abdecken, so Karl-Heinz Fackler. Soll heißen: Über Wemding und Gosheim hinaus ist das eine Gerät nicht einsetzbar.

Robert Oberfrank, Vorsitzend­er des Kreis-Jagdverban­ds Donauwörth, ist von der Technik überzeugt: „Die Drohne ist am effektivst­en.“Allerdings verweist auch Oberfrank auf die begrenzte Kapazität, denn viele Landwirte wollten gleichzeit­ig ihre Wiesen mähen.

Anderersei­ts haben sich bei Fackler bereits einige Jagdgenoss­enschaften gemeldet, die sich für eine solche Lösung interessie­ren. Bürgermeis­ter Drexler ist überzeugt: „Wenn das funktionie­rt, wird es bestimmt Zug um Zug in der Region umgesetzt.“Im nördlichen Ries seien mit der dort eingesetzt­en Drohne bereits an die 100 Kitze entdeckt und vor dem möglichen Mähtod bewahrt worden, weiß Fackler.

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Foto: Tom Engel Im Mai und Juni kommen die Rehkitze zur Welt. In den ersten Wochen verharren die Tiere regungslos im hohen Gras – was tödliche Folgen haben kann, wenn die Wiese ge mäht wird.
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K. H. Fackler

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