Gegen das grausame Sterben der Kitze
Tierschutz Wenn Landwirte ihre Wiesen am Waldrand mähen, sind die im Gras versteckten Jungen in höchster Gefahr. Wie zwei Jagdgenossenschaften dies verhindern wollen
Wenn Landwirte ihre Wiesen am Waldrand mähen, sind die im Gras versteckten Jungen in höchster Gefahr. Mehr dazu auf
Wemding/Huisheim Gosheim Wenn die Bauern in den kommenden Wochen ihre Wiesen an den Waldrändern mähen, beschleicht sie ein ungutes Gefühl. Denn im hohen Gras könnte ein kleines, wehrloses Fellknäuel liegen. Rehgeißen bringen in dieser Zeit auf Lichtungen und nahe am Forst ihre Jungen zur Welt. Gleichzeitig steht für Landwirte das Mähen der Wiesen an – eine oft verhängnisvolle Konstellation.
Jedes Jahr kommen Rehkitze durch die Mähwerke ums Leben. Das ist unbestritten und zerreißt nicht nur ausgesprochenen Tierfreunden das Herz. Zwar müssen sich Bauern laut Gesetz vergewissern, dass kein Tier zu Schaden kommt, in der Praxis sei das aber kaum zu realisieren. Das sagt KarlHeinz Fackler. Er ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften im Donau-Ries-Kreis. Das Problem der Landwirte ist ihm bestens bekannt. Manche versuchen der Gefahr mit Vogelscheuchen in der Wiese zu begegnen, manche gehen – bevor die Fläche gemäht wird – mit einem Hund durch, manche fahren sie von innen nach außen ab, in der Hoffnung, dass das Fluchttier das Weite sucht. Doch: Ein Kitz habe in den ersten Tagen und Wochen keinen Fluchtinstinkt. Wittere es eine Gefahr, lege es sich regungslos ins Gras – egal was komme. Die Jungen vertrauten auf ihre Tarnung. „Da kann man einen Meter daran vorbeilaufen und man sieht es nicht“, verdeutlicht Karl-Heinz Fackler. Piepser an den Mähwerken seien eine Möglichkeit, die Tiere zu vertreiben. Indes: Eine Garantie, dass dies gelingt, gebe es nicht. Außerdem hätten sich in der Region auch schon die Bewohner angrenzender Siedlungen über das Dauerpiepsen beschwert. Im vergangenen Jahr hielt im Landkreis – genauer gesagt im Ries – eine Technik Einzug, welche viele Kitze vor dem Mähtod retten kann: Eine Drohne, bestückt mit einer Wärmebildkamera. Fackler, der auch Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Wemding ist, schaute sich das an – und beschloss, diese Technik in seinem „Revier“anzuwenden. Genauer ge- sagt im Bereich der Jagdgenossenschaften Wemding und Gosheim: „Das ist ein besonders betroffenes Gebiet.“Es sei von Forst und Wiesen durchzogen, also eine ideale Gegend für die trächtigen Rehgeißen, ihren Nachwuchs auf die Welt zu bringen. Um eine Drohe samt Kamera finanzieren zu können – dafür sind rund 18 000 Euro nötig –, setzte Fackler alle Hebel in Bewegung. Er gründete mit Gleichgesinnten den Förderverein Wildtierrettung Wemding-Gosheim. Die Stadt Wemding und die Gemeinde Huisheim sagten Zuschüsse zu, Privatleute erklärten sich zu Spenden bereit. „Das ist ein großer Beitrag zum Tier- und Umweltschutz“, merkt der Wemdinger Bürgermeister Martin Drexler an. Die Kommune gibt 3000 Euro.
Voraussichtlich in einem Jahr kann Fackler zufolge die Drohne fliegen. Der lange Vorlauf habe seine Gründe: Erst einmal müssten Piloten geschult werden, nicht nur bezüglich der Flugmanöver, sondern auch der Software. Denn die Drohnen seien in der Lage, eine Wiese in Bahnen systematisch abzufliegen. Dies müsse stets in den Morgenstunden geschehen, wenn der Boden noch kühl sei und sich das wärmere Tier auf dem Monitor von der Umgebung unterscheide.
Mit einer Drohne könne man ein Gebiet von rund 2000 Hektar abdecken, so Karl-Heinz Fackler. Soll heißen: Über Wemding und Gosheim hinaus ist das eine Gerät nicht einsetzbar.
Robert Oberfrank, Vorsitzender des Kreis-Jagdverbands Donauwörth, ist von der Technik überzeugt: „Die Drohne ist am effektivsten.“Allerdings verweist auch Oberfrank auf die begrenzte Kapazität, denn viele Landwirte wollten gleichzeitig ihre Wiesen mähen.
Andererseits haben sich bei Fackler bereits einige Jagdgenossenschaften gemeldet, die sich für eine solche Lösung interessieren. Bürgermeister Drexler ist überzeugt: „Wenn das funktioniert, wird es bestimmt Zug um Zug in der Region umgesetzt.“Im nördlichen Ries seien mit der dort eingesetzten Drohne bereits an die 100 Kitze entdeckt und vor dem möglichen Mähtod bewahrt worden, weiß Fackler.