Kind ohne Rudel
Starkes Debüt: „Eine Geschichte der Wölfe“
Die Mutter möchte, dass das Kind betet. Und so betet es vor dem Schlafengehen: „Lieber Gott, bitte mach, dass Mama, Papa, Tameka, Abe, Doctor, Jasper und Quiet und alle Tiere in allen Zoos sich nicht zu sehr langweilen und nicht zu einsam sind.“Das Mädchen Linda, das die US-Autorin Emily Fridlund in ihrem Debütroman „Die Geschichte der Wölfe“beschreibt, aber ist so einsam, wie man es nur sein kann. Mit Eltern, die letzten Übergebliebenen einer Kommune, die mit dem Mädchen kaum reden, mit Klassenkameraden, die sie meiden. Geborgen fühlt sie sich am ehesten noch in den Wäldern, die das abseits gelegene
Haus am See umschließen. Dort findet sich Linda bestens zurecht, ansonsten ist sie ein um Orientierung ringender Teenager, fühlt sich in ihrer Sehnsucht nach Gemeinschaft zu jedem hingezogen, der ihr ein wenig Aufmerksamkeit schenkt. Und sei es der Geschichtslehrer mit pädophilen Neigungen. Dann zieht ein Paar mit Kind in die Nähe, Linda wird Babysitter. Dass es auch für diese Familie Gründe gibt, in die Abgeschiedenheit zu flüchten, erschließt sich ihr erst spät. Wie ein schweres Gewand liegt die Einsamkeit über diesem poetisch erzählten Roman, der nominiert war für den Man Booker Prize und in dem die junge Heldin die großen Fragen über menschliche Schuld und Verantwortung mit sich selbst verhandeln muss – im Wald auf Menschen trifft, die sich auf der Sinnsuche verirrt haben.