Welche Chancen hat Michael Schulte?
Der Musikwettbewerb startet zum 63. Mal. Über 40 Nationen nehmen teil. Vorher steht aber noch das Halbfinale auf dem Programm. Eine Lauingerin tritt dabei für San Marino an
Lissabon Manche finden ihn abgedroschen, andere zu politisch (weil manche Länder ihre Punkte offenkundig nach Sympathie und Antipathie für bestimmte Länder verteilen) – und trotzdem schauen am Ende wieder Millionen zu, wenn Europa beim Eurovision Song Contest (ESC) singt und sich gegenseitig bewertet. Am Samstagabend kommt es in Lissabon zum großen Showdown. 43 Länder sind am Start. Die
überträgt das Finale am Samstag ab 21 Uhr.
Für Deutschland geht Michael Schulte mit seiner ruhigen Ballade „You Let Me Walk Alone“ins Rennen. Der Schleswig-Holsteiner schrieb den melodischen und berührenden Song über seinen vor 13 Jahren verstorbenen Vater. Ein bisschen erinnert der 28-Jährige mit seinen roten Locken und blauen Augen an eine Mischung aus Ed Sheeran und Mick Hucknall von „Simply Red“. Mit Spannung wird erwartet, ob er es mit seinem Song ins Mittelfeld schafft und damit die deutsche der vergangenen drei Jahre beendet. Da landete Deutschland immer nur auf den beiden letzten Plätzen.
Als Favorit gilt ohnehin längst ein anderes Land – wenn man den Online-Umfragen und Wettbüros glauben darf. Die zumindest vergangenes Jahr mit dem Sieg Portugals goldrichtig lagen. Bisher führt die ausgeflippte Sängerin Netta Barzilai aus Israel die Rankings an. Ihr Song „Toy“ist so bunt und schrill wie sie selbst und würde wohl in jedem Klub von London bis Berlin die Tanzflächen füllen – und passt inhaltlich noch perfekt zur aktuellen #MeToo-Debatte. Auch politisch wäre das wohl ein Zeichen gegen Antisemitismus.
Gute Chancen werden 2018 zudem Estland eingeräumt, das mit klassischem Opern-Pop an den Start geht. Als Anwärter auf das Treppchen zählen zudem der funky Elektrosound-Song „Lie to Me“aus Tschechien und „Mercy“des französischen Duos Madam Monsieur.
Deutschland und Israel sind schon sicher im Finale des Musik- wettbewerbs. Die „Big Five“des Wettbewerbs – Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien – sind jedes Jahr ohnehin ganz automatisch in der Schlussrunde dabei. Warum? Weil sie die größten Geldgeber der Europäischen Rundfunkunion sind, die den Musikwettbewerb seit 1956 auf die Beine stellt. Außerdem gehört Deutschland zu den größten Fernsehmärkten – im Kampf um die Einschaltquoten ist die Bundesrepublik daher unverzichtbar.
Andere Länder hingegen müssen um ihre Teilnahme noch bangen. Am Donnerstag findet nämlich die zweite Halbfinalrunde statt. 18 Länder treten gegeneinander an, die zehn besten dürfen dann ins Finale einziehen. Darunter ist auch Jenifer Brening aus Lauingen (Landkreis Dillingen). Die 21-Jährige tritt an der Seite von Sängerin Jessika MusSchmach cat für den Zwergstaat San Marino an – auch wenn sie Deutsche ist. Einen Bezug zum Land brauchen die Teilnehmer beim ESC grundsätzlich nicht.
So war es auch in den vergangenen Jahren eher die Ausnahme, dass der ESC-Kandidat aus San Marino auch zu den 33000 Einwohnern des Landes zählte. Ursprünglich war Brening bei der Castingshow in San Marino mit einem eigenen Song aufgetreten. Doch während der Show wurde sie kurzerhand gebeten, den Rap-Teil ihrer Konkurrentin zu übernehmen. Das Lied gewann. Und so kämpfen nun beide jungen Frauen Seite an Seite um die Eintrittskarte für die große ESC-Show in Lissabon.
Dessen Bühnendesign stammt übrigens erneut von dem gebürtigen Münchner Florian Wieder, der sich von der Geschichte der frühen Seefahrernation Portugals inspirieren ließ und daher die Navigation, das Meer und Schiffe in den Mittelpunkt seines Konzepts gerückt hat. Mit spektakulären Effekten – versteht sich.