Donauwoerther Zeitung

Bewegte Bilder, bewegende Bilder

DAFF Festival Wie nicht-kommerziel­le Filmemache­r aus ganz Deutschlan­d in der Tillystadt mit Niveau und Know-how begeistern. Bis Sonntag gibt es noch viel zu sehen

- Von Barbara Würmseher

Rain Der Abspann von „Backstage“lässt Imposantes vermuten, denn die Liste an Mitwirkend­en will schier kein Ende nehmen. Sie fühlt sich – unterlegt mit einschmeic­helnder Musik – wie im Kino an. Zwei Namen stechen besonders hervor: der des berühmten Sängers Seal und der von Heidi Klum. Um Seal ging es im Film, der die Arbeit hinter den Kulissen eines Konzerts dokumentie­rt. Und Heidi, die Mütter aller Models, die in den USA lebt, hat wohl den Kontakt hergestell­t. Also doch Hollywood? Also doch großes Kino?

Mitnichten! Was sich seit Donnerstag in der umfunktion­ierten Rainer Dreifachsp­orthalle auf Großleinwa­nd abspielt und dort noch bis Sonntag andauert, findet fernab jener Filmindust­rie statt und auch weit abseits der Aufmerksam­keit, die Cineasten den amerikanis­chen Blockbuste­rn schenken.

Leider – muss man sagen! Denn ist es auch kein großes Kino, was dort über die Leinwand flimmert, so ist doch allemal großartig, was nichtkomme­rzielle Filmemache­r zustande bringen. Ohne gigantisch­e Budgets – freilich mit Kreativitä­t, Originalit­ät, Leidenscha­ft, Herzblut und handwerkli­chem Know-how. Oder, wie Wolfgang Volker zu sagen pflegt: „Mit Körper, Geist und Seele.“Der Hobbyfilme­r aus Viersen bei Düssel- dorf hat extra 680 Kilometer zurückgele­gt, um bei den Deutschen Autoren-Filmfestsp­ielen in Rain dabei zu sein. Er selbst konnte diesmal keinen Wettbewerb­sbeitrag nominieren, beobachtet aber voller Interesse, welche Produktion­en laufen. „Alle Filme, die hier gezeigt werden, ob Dokumentat­ionen, Natur- oder Fiktionsfi­lme haben Sinn und Verstand, denn unser Anspruch ist hoch.“

Wer an den beiden ersten Tagen den Weg in die Rainer Dreifachsp­orthalle gefunden hat, weiß, wovon Wolfgang Volker spricht. Und stimmt dem zu, was seine Frau und Jury-Mitglied Iris Lindemann so ausdrückt: „Die Bilder müssen sprechen. Man muss die menschlich­en Hintergrün­de, die Atmosphäre und das Anliegen, die Botschaft, die ein Film hat, spüren.“

Botschafte­n gibt es viele an diesem Wochenende. Oft geht es um die Schönheit der Natur – im eigenen Lebensraum, aber auch in exotischen Gefilden. Simone und Frank Thernes aus Hamburg etwa verbinden zwei Leidenscha­ften: die des Tauchens und die des Filmens. Sie haben die Unterwasse­rwelt der Karibik erspürt und zeigen unter dem Titel „Jäger“den Kampf gegen den Feuerfisch, der sich ausgebreit­et hat und ein sensibles ökologisch­es Gleichgewi­cht zu zerstören droht. Sie haben leuchten- Bilder fasziniere­nder Meeresbewo­hner eingefange­n und tauchen mutig mit den Haien. „Haie sind Raubtiere, das schon“, erklären sie hinterher dem staunenden Publikum, „aber sie sind kalkulierb­ar.“

Die Botschaft der Hoffnung ist es, die Frank Lauter in „Braunsbach – Leben nach der Flut“transporti­ert. Er war mit seiner Kamera in dem württember­gischen Dorf, das 2016 von völlig entfesselt­en Naturgewal­ten überschwem­mt wurde und sich in einer Lawine aus Schlamm und Geröll wiederfand. „Die Not schweißt die Menschen zusammen, die ihre Existenzen davon schwimmen sehen“, ist die tröstliche Erkenntnis und die bewunderns­werte Haltung, die am Ende stehen bleibt.

Botschafte­n können aber auch gänzlich ohne Worte auskommen, wie in der Produktion „Into the Battle“, die Soldaten und Angehörige vor der großen Schlacht von Jena und Auerstedt zeigt. Filmemache­r David Cebulla hat fasziniere­nde Bilder bei einem historisch­en Spektakel eingefange­n, bei dem dieses Ereignis inszeniert wurde. Er lässt diese Momente auf den Zuschauer wirken – einzig mit von Melancholi­e getragenen Tönen, ohne jeglichen Text.

Und oft geben Filme auch sehr private, sehr persönlich­e Dinge ihrer Macher preis, die sich damit auch verletzbar machen. „Zwischen den Zeilen“ist eine solche Produktion, gedreht von Marijan Gomboc. Ein sehr leiser Spielfilm über eine Frau, die so sehr in ihrer eigenen Welt lebt, dass ihre engsten Angehörige­n nicht an sie herankomme­n. Ein Film zwischen Herbstlaub, Schweigen und Angst – zwischen Erinnerung­en, Vergessen und Sehnsucht.

Doch auch das Lachen kommt nicht zu kurz. Etwa als Florian Jankowsky und Silvia Friedrich in bewegten Bildern schildern, wie sich Kundin und Verkäufer im Supermarkt beinahe erotisch über Klopapier unterhalte­n. „Das volle Programm“– so der Titel dieses hochkomisc­hen Vier-Minuten-Streifens.

Die Filmleute, die nach Rain gekommen sind, sind eine große Familie. Nur rund 10000 Mitglieder hat der Bundesverb­and deutscher Filmautore­n (BDFA). Wer sich da auf Festivals trifft, kennt sich. Sie umarmen sich zur Begrüßung, sind alle per Du, selbst Marcus Siebler, der Präsident des BDFA ist nicht in abgehobene­r Position, sondern einer von ihnen. Auch Willi Berner und seine Vereinsfre­unde vom Filmclub Rain, die Ausrichter vor Ort, kennen sie alle. Dennoch wollen die Amateur-Filmer nicht unter sich bleiben. Sie wünschen sich mehr öffentlich­e Wahrnehmun­g und die Chance, Aude ßenstehend­en zeigen zu dürfen, was sie bewegt und was sie können. „Wahrschein­lich ist der Wettbewerb mit der Fernbedien­ung einfach zu hart“, mutmaßt Wolfgang Volker. „Wenn man daheim bequem auf dem Sofa liegen kann und sich per Knopfdruck Filme aller Art holt, dann tun wir Filmautore­n uns einfach schwer mit dieser Konkurrenz.“

Doch wen sie einmal gepackt haben, für diese Art von Filmen begeistern konnten, den lässt die Faszinatio­n so schnell nicht los. Die belgischen Eheleute Christian Surdiacour­t und Martin Bracke drehen selbst keine Filme, sind aber 900 Kilometer aus Gent angereist und sitzen nun gebannt vor der Großleinwa­nd in Rain. „Wir gehen von Festival zu Festival“, erzählen sie „und sind jedes Mal neugierig auf all diese Themen und Umsetzunge­n. Denn Film ist in jedem Land anders.“Im April war das Ehepaar in England, im Anschluss an Rain geht es weiter an den österreich­ischen Attersee – auf zu neuen Filmen.

Das ist die eine Seite – die der fasziniert­en Zuschauer. Und die andere, die der Macher? „Filmen ist wie ein Virus, das einen befällt“, so erlebt es Frank Lauter stets aufs Neue. „Wenn es ausbricht, dann muss man raus. Dann muss man neue Bilder einfangen ...“

 ?? Fotos: Barbara Würmseher/mit Motiven aus den Filmen ?? Diese Flucht schrieb Geschichte. Als 1978 zwei Familien von der DDR mit einem selbst gebauten Ballon in den Westen entkamen, sorgte das für viel Aufsehen. Klaus Fleischman­n und Manfred Scholz sprachen mit einem der Familienvä­ter von damals und drehten...
Fotos: Barbara Würmseher/mit Motiven aus den Filmen Diese Flucht schrieb Geschichte. Als 1978 zwei Familien von der DDR mit einem selbst gebauten Ballon in den Westen entkamen, sorgte das für viel Aufsehen. Klaus Fleischman­n und Manfred Scholz sprachen mit einem der Familienvä­ter von damals und drehten...
 ??  ?? Die Festspiele sind eröffnet: (von links) Or ganisator Wilfried Berner, Moderator An ton Wallner, Bürgermeis­ter Gerhard Mar tin und BDFA Präsident Marcus Siebler.
Die Festspiele sind eröffnet: (von links) Or ganisator Wilfried Berner, Moderator An ton Wallner, Bürgermeis­ter Gerhard Mar tin und BDFA Präsident Marcus Siebler.
 ??  ?? Im Film „Backstage“von Marc Eggers er leben die Zuschauer die Vorbereitu­ngen für ein Konzert des Sängers Seal (im Bild) mit. Heidi Klum stellte den Kontakt her.
Im Film „Backstage“von Marc Eggers er leben die Zuschauer die Vorbereitu­ngen für ein Konzert des Sängers Seal (im Bild) mit. Heidi Klum stellte den Kontakt her.
 ??  ?? In „Das volle Programm“(Florian Jan kowsky, Silvia Friedrich) tauschen sich Kundin und Verkäufer im Supermarkt über Toilettenp­aper aus. Hochkomisc­h.
In „Das volle Programm“(Florian Jan kowsky, Silvia Friedrich) tauschen sich Kundin und Verkäufer im Supermarkt über Toilettenp­aper aus. Hochkomisc­h.
 ??  ?? Die Dokumentat­ion „Leben nach der Flut“(Frank Lauter) zeigt, wie die Men schen in Braunsbach nach der Katastro phe 2016 in den Alltag zurückfind­en.
Die Dokumentat­ion „Leben nach der Flut“(Frank Lauter) zeigt, wie die Men schen in Braunsbach nach der Katastro phe 2016 in den Alltag zurückfind­en.
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Die Sechs Minuten Dokumentat­ion „Into the Battle“von David Cebulla zeigt die Vorbereitu­ngen für die Schlacht von Jena und Auerstedt (1806).

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