Donauwoerther Zeitung

Unkraut mit heilender Wirkung

Im Frühjahr wachsen viele unscheinba­re Pflanzen mit wertvollen Inhaltssto­ffen, welche als Arzneimitt­el verwendet werden können

- VON ANGELA STOLL

Ingolstadt Sei es im Garten, im Stadtpark oder an Wegrändern: Derzeit schießt Grünzeug aller Art aus dem Boden. Viele dieser gewöhnlich­en Gewächse verdienen Beachtung, da sie wertvolle Inhaltssto­ffe haben. Manche sind sogar anerkannte Arzneipfla­nzen. Tobias Niedenthal von der Forschergr­uppe Klostermed­izin der Universitä­t Würzburg erklärt, was in vermeintli­chem Unkraut alles steckt.

● Spitzweger­ich Ob am Wegrand oder auf Wiesen: Die unscheinba­re Pflanze mit den schmalen, spitzen Blättern und den weißen Blüten wächst fast überall. Sie ist leicht zu erkennen und sowohl in der Hausapothe­ke als auch in der Küche vielseitig zu gebrauchen. In der Volksmediz­in werden die Blätter bei Insektenst­ichen und zur Wundversor­gung verwendet. Dazu kaut man die Blätter kurz und legt sie auf die Haut. „Die Inhaltssto­ffe Aucubin und Catalpol haben eine antibakter­ielle Wirkung, die bei äußerliche­r Anwendung der frischen Blätter genutzt werden kann“, sagt Tobias Niedenthal. Zudem enthält die Arzneipfla­nze des Jahres 2014 unter anderem reichlich Schleimsto­ffe, die – als Tee oder Saft – Schleimhau­treizungen in Mund und Rachen sowie Reizhusten lindern. „Die antibakter­iell wirkenden Stoffe gehen aber meist durch die Verarbeitu­ng verloren“, erklärt der Experte. Alle Teile der Pflanze sind essbar. Junge Blätter eignen sich zum Beispiel als Salatzutat.

● Gewöhnlich­e Vogelmiere Gartenbesi­tzer kennen das Pflänzchen mit kleinen weißen Blütenster­nen meist nur als Unkraut. Dabei ist das Gewächs vor allem als Vitamin-Cund Mineralsto­ff-Lieferant wertvoll: Vogelmiere ist eine wohlschmec­kende Zutat in Salaten, Suppen oder Quark. Zu viel sollte man davon aber wegen der enthaltene­n Saponine nicht verzehren, warnt Niedenthal. In großen Dosen können diese sekundären Pflanzenst­offe zum Beispiel zu Übelkeit führen. Früher wurde das Kraut auch als Heilpflanz­e verwendet, vor allem äußerlich für schlecht heilende Wunden oder Ausschlag. „In der modernen Medizin wird sie aber nicht eingesetzt“, sagt Niedenthal.

● Gänsefinge­rkraut Die weitverbre­itete Pflanze kann man an den gefiederte­n Blättern und der leuchtend gelben Blüte mit den fünf Blütenblät­tern gut erkennen. Gänsefinge­rkraut ist eine traditione­lle Arzneipfla­nze, deren Wirksamkei­t bei leichtem Durchfall und Menstruati­onsbeschwe­rden durch neuere Untersuchu­ngen bestätigt wurde. „Wie viele Rosengewäc­hse enthält Gänsefinge­rkraut als wirksamkei­tsmitbesti­mmende Inhaltssto­ffe vor allem Gerbstoffe, die zusammenzi­ehend wirken“, sagt Niedenthal. Aus Blättern und Blüten kann man einen Bauchweh-Tee kochen. Er lässt sich auch gurgeln: Das hilft bei leichten Entzündung­en der Mund- und Rachenschl­eimhäute. Außerdem kann man die Pflanze essen – zum Beispiel als Salat- und Suppenbeig­abe.

● Löwenzahn „Manchmal sind es ganz gewöhnlich­e Pflanzen, die besonders interessan­te Inhaltssto­ffe haben“, sagt Niedenthal und meint dabei den allgegenwä­rtigen Löwen- zahn. Er ist eine vielseitig­e und zudem schmackhaf­te Arzneipfla­nze. In Kraut und Wurzel stecken neben diversen Vitaminen, Mineralsto­ffen und Aminosäure­n viele Bitterstof­fe, die den Stoffwechs­el ankurbeln und Verdauungs­beschwerde­n lindern. Außerdem wirkt Löwenzahn harntreibe­nd und ist daher unter anderem ein Hausmittel gegen Blasenentz­ündungen. So erklärt sich sein Beiname „Bettnässer“. Ansonsten lassen sich alle Teile der Pflanze in der Küche verwenden: Zum Beispiel kann man aus jungen Blättern einen vitaminrei­chen Salat oder aus den Wurzeln Kaffee-Ersatz machen.

● Giersch Kaum ein Gewächs ist unter Gärtnern so verhasst wie der Giersch, weil er hartnäckig in Beeten wuchert. Statt in der Biotonne sollte er aber besser im Kochtopf landen: „Aufgrund seines hohen Gehalts an Vitamin C und verschiede­ner Mineralien kann der Giersch die Küche in Form von Salaten und Gemüse bereichern“, sagt Niedenthal. Beim Sammeln in freier Natur sollte man sich aber gut auskennen: „Giersch kann man leicht mit anderen Doldenblüt­lern wie dem giftigen Gefleckten Schierling verwechsel­n“, warnt der Experte. Ein gutes Erkennungs­merkmal des Giersch sei allerdings sein dreikantig­er Blattstiel. Früher wurde die Pflanze bei Gicht, daneben auch bei Arthritis eingesetzt. „Diese Einsatzgeb­iete sind wissenscha­ftlich aber nicht belegt“, erklärt Niedenthal.

● Gewöhnlich­es Hirtentäsc­hel Schön ist sie nicht gerade, aber nützlich: Die bis zu 50 Zentimeter hohe Pflanze mit den unauffälli­gen weißen Blüden ten erkennt man leicht an ihren herzförmig­en Früchten, die einst an die Umhängetas­chen von Hirten erinnerten – daher der Name. Blüten, Blätter und Früchte enthalten unter anderem sekundäre Pflanzenst­offe wie Flavonoide und Phenolcarb­onsäuren, die unter anderem einen antioxidat­iven Effekt haben. Hirtentäsc­hel-Tee oder -Tinktur wirkt vor allem blutstille­nd. „Das Kraut kann bei starken Menstruati­onsblutung­en eingesetzt werden, wenn ein normaler Zyklus vorliegt und ärztlicher­seits eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlo­ssen wurde“, sagt Niedenthal. Ansonsten macht sich das Kraut als würzige Beigabe gut in Salaten und Gemüsegeri­chten.

● Wiesenscha­umkraut Die Blümchen mit den zart violetten Blüten, die massenhaft auf Wiesen wachsen, haben mehr verdient, als achtlos umgemäht zu werden: Zumindest eignen sich die jungen Blätter mit ihrem kressearti­gen Geschmack gut als Salatzutat, die reichlich Vitamin C liefert. Außerdem enthält die Pflanze Senfölglyk­oside, die keimhemmen­d wirken, sowie Bitterstof­fe, die Stoffwechs­el und Verdauung ankurbeln. Früher wurde das Kraut vor allem als Hausmittel gegen Rheuma gelobt. „In der modernen Medizin wird es aber nicht verwendet“, sagt Niedenthal. Für die Natur ist die Pflanze inzwischen wichtiger denn je: Sie ist unter anderem Futterpfla­nze des Aurora-Falters.

OInformati­on Die Forschergr­uppe Klos termedizin präsentier­t sich auch auf der Landesgart­enschau in Würzburg. Bis 7. Ok tober ist sie täglich (außer dienstags) am Stand des Bund Naturschut­z vertreten.

 ?? Foto: Nicolas Armer, dpa ?? Löwenzahnw­iesen sind nicht nur Augenweide­n. Die Pflanze ist auch schmackhaf­t und gesund. Aus jungen Blättern lässt sich ein vitaminrei­cher Salat zubereiten, aus den Wur zeln Kaffee Ersatz machen.
Foto: Nicolas Armer, dpa Löwenzahnw­iesen sind nicht nur Augenweide­n. Die Pflanze ist auch schmackhaf­t und gesund. Aus jungen Blättern lässt sich ein vitaminrei­cher Salat zubereiten, aus den Wur zeln Kaffee Ersatz machen.

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