Sozialbetrug im großen Stil?
Einer Frau wird vorgeworfen, den Landkreis Donau-Ries und die Stadt München um eine hohe Summe betrogen zu haben. Die Angeklagte brach in Augsburg zusammen
Gestern stand eine Äthiopierin vor Gericht, die beschuldigt wurde, im Kreis Donau-Ries Sozialbetrug begangen zu haben.
Augsburg/ Donauwörth Die junge Frau sitzt geknickt neben ihrem Dolmetscher, links und rechts von den beiden haben die Verteidiger Maja von Oettingen und Jörg Seubert Platz genommen. Als Richter Dominik Wagner die ersten Worte in Richtung der Angeklagten spricht, kommen der Frau bereits die Tränen. Sie sitzt wegen Sozialbetrugs auf der Anklagebank des Augsburger Amtsgerichts. Die Summe erscheint immens hoch.
Der aus Äthiopien stammenden Frau wird vorgeworfen, der Stadt München und dem Landratsamt Donau-Ries unter Angabe falscher Daten einen Schaden von insgesamt gut 145 000 Euro zugefügt zu haben. Sie hatte sich demnach elf Jahre jünger gemacht, als sie tatsächlich ist. Ein Urteil wurde am gestrigen Mittwoch nicht gesprochen. Aufgrund ihrer Schwangerschaft und ihres psychischen Zustandes sei es der Frau nicht zumutbar, die Verhand- fortzuführen, entschied der Richter. Doch der Reihe nach: Im November 2012 kam die in Addis Abeba geborene Frau auf legalem Weg nach Deutschland. Ihr Aufenthaltsvisum war zunächst bis Januar 2013 befristet. Im Dezember dann tauchte die Frau plötzlich unter, meldete sich später mit falschem Namen bei den Behörden und gab
Immenser Schaden
an, im März 1997 geboren zu sein. Sie wäre zum Zeitpunkt der Meldung also noch nicht einmal 16 Jahre alt gewesen. Laut Anklage ist die Frau heute 32 Jahre alt. Sie habe sich elf Jahre jünger gemacht und hatte Anspruch auf entsprechende Leistungen. Als unbegleitete Minderjährige auf der Flucht wurde sie in einer Wohngruppe in Nördlingen untergebracht. Durch Unterstützung aus dem Jugendhilfeverbund bekam sie Heimerziehung und Auf- wendungen in Höhe von über 50 000 Euro, anstatt der rund 6000 Euro, die ihr bei Angabe des wahren Alters zugestanden hätten. Diesen Schaden hat die Stadt München zu tragen.
Noch schwerwiegender ist die Summe, die der Landkreis DonauRies für die vermeintlich Minderjährige aufbrachte. Bis zur Volljährigkeit waren es knapp 70 000 Euro, danach noch weitere 54000. Zugestanden hätten ihr in diesem Zeitraum knapp 22 000 Euro. Warum sie sich elf Jahre jünger ausgegeben hatte, kam im Prozess nicht zur Sprache. Direkt nach Verlesung der Anklage regten die Verteidiger an, hinter verschlossenen Türen eine Einigung zu erzielen. Dies gelang aber nicht, ihre Mandantin „hatte es sich dann anders überlegt“, sagte Rechtsanwältin von Oettingen nach der Verhandlung.
Nachdem das Gespräch zwischen allen Parteien gescheitert war, zog sich die hochschwangere Angeklagte mit ihren beiden Verteidigern und ihrem Dolmetscher zu einer erlung neuten Beratung zurück. Als diese beendet schien, brach die Frau auf dem Flur des Augsburger Justizzentrums unter Tränen zusammen, musste von einer Freundin gestützt werden und brauchte einige Zeit, um wieder zur Ruhe zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Richter Dominik Wagner aber bereits entschieden, den Prozess gegen sie erst einmal auszusetzen. Einerseits aufgrund ihrer Schwangerschaft. „Das kann und will ich Ihnen nicht zumuten“, sagte er zur Angeklagten, andererseits aufgrund ihrer labilen Psyche. Wie Verteidiger Seubert erklärte, nehme seine Mandantin eigentlich regelmäßig Psychopharmaka, während der Schwangerschaft könne sie diese Medikamente aber nicht einnehmen.
Wann der Prozess gegen sie nun fortgesetzt wird, ist noch offen. „Ein halbes Jahr wird es mindestens dauern“, mutmaßte Richter Wagner. Kurz huschte der Angeklagten ein zartes Lächeln über die Lippen. Sie schien erleichtert zu sein.