Donauwoerther Zeitung

Sozialbetr­ug im großen Stil?

Einer Frau wird vorgeworfe­n, den Landkreis Donau-Ries und die Stadt München um eine hohe Summe betrogen zu haben. Die Angeklagte brach in Augsburg zusammen

- VON DANIEL DOLLINGER

Gestern stand eine Äthiopieri­n vor Gericht, die beschuldig­t wurde, im Kreis Donau-Ries Sozialbetr­ug begangen zu haben.

Augsburg/ Donauwörth Die junge Frau sitzt geknickt neben ihrem Dolmetsche­r, links und rechts von den beiden haben die Verteidige­r Maja von Oettingen und Jörg Seubert Platz genommen. Als Richter Dominik Wagner die ersten Worte in Richtung der Angeklagte­n spricht, kommen der Frau bereits die Tränen. Sie sitzt wegen Sozialbetr­ugs auf der Anklageban­k des Augsburger Amtsgerich­ts. Die Summe erscheint immens hoch.

Der aus Äthiopien stammenden Frau wird vorgeworfe­n, der Stadt München und dem Landratsam­t Donau-Ries unter Angabe falscher Daten einen Schaden von insgesamt gut 145 000 Euro zugefügt zu haben. Sie hatte sich demnach elf Jahre jünger gemacht, als sie tatsächlic­h ist. Ein Urteil wurde am gestrigen Mittwoch nicht gesprochen. Aufgrund ihrer Schwangers­chaft und ihres psychische­n Zustandes sei es der Frau nicht zumutbar, die Verhand- fortzuführ­en, entschied der Richter. Doch der Reihe nach: Im November 2012 kam die in Addis Abeba geborene Frau auf legalem Weg nach Deutschlan­d. Ihr Aufenthalt­svisum war zunächst bis Januar 2013 befristet. Im Dezember dann tauchte die Frau plötzlich unter, meldete sich später mit falschem Namen bei den Behörden und gab

Immenser Schaden

an, im März 1997 geboren zu sein. Sie wäre zum Zeitpunkt der Meldung also noch nicht einmal 16 Jahre alt gewesen. Laut Anklage ist die Frau heute 32 Jahre alt. Sie habe sich elf Jahre jünger gemacht und hatte Anspruch auf entspreche­nde Leistungen. Als unbegleite­te Minderjähr­ige auf der Flucht wurde sie in einer Wohngruppe in Nördlingen untergebra­cht. Durch Unterstütz­ung aus dem Jugendhilf­everbund bekam sie Heimerzieh­ung und Auf- wendungen in Höhe von über 50 000 Euro, anstatt der rund 6000 Euro, die ihr bei Angabe des wahren Alters zugestande­n hätten. Diesen Schaden hat die Stadt München zu tragen.

Noch schwerwieg­ender ist die Summe, die der Landkreis DonauRies für die vermeintli­ch Minderjähr­ige aufbrachte. Bis zur Volljährig­keit waren es knapp 70 000 Euro, danach noch weitere 54000. Zugestande­n hätten ihr in diesem Zeitraum knapp 22 000 Euro. Warum sie sich elf Jahre jünger ausgegeben hatte, kam im Prozess nicht zur Sprache. Direkt nach Verlesung der Anklage regten die Verteidige­r an, hinter verschloss­enen Türen eine Einigung zu erzielen. Dies gelang aber nicht, ihre Mandantin „hatte es sich dann anders überlegt“, sagte Rechtsanwä­ltin von Oettingen nach der Verhandlun­g.

Nachdem das Gespräch zwischen allen Parteien gescheiter­t war, zog sich die hochschwan­gere Angeklagte mit ihren beiden Verteidige­rn und ihrem Dolmetsche­r zu einer erlung neuten Beratung zurück. Als diese beendet schien, brach die Frau auf dem Flur des Augsburger Justizzent­rums unter Tränen zusammen, musste von einer Freundin gestützt werden und brauchte einige Zeit, um wieder zur Ruhe zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Richter Dominik Wagner aber bereits entschiede­n, den Prozess gegen sie erst einmal auszusetze­n. Einerseits aufgrund ihrer Schwangers­chaft. „Das kann und will ich Ihnen nicht zumuten“, sagte er zur Angeklagte­n, anderersei­ts aufgrund ihrer labilen Psyche. Wie Verteidige­r Seubert erklärte, nehme seine Mandantin eigentlich regelmäßig Psychophar­maka, während der Schwangers­chaft könne sie diese Medikament­e aber nicht einnehmen.

Wann der Prozess gegen sie nun fortgesetz­t wird, ist noch offen. „Ein halbes Jahr wird es mindestens dauern“, mutmaßte Richter Wagner. Kurz huschte der Angeklagte­n ein zartes Lächeln über die Lippen. Sie schien erleichter­t zu sein.

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