Der Wilde Westen in Gosheim
Die Christliche Pfadfinderschaft Deutschland richtet im Landkreis Donau-Ries ein Zeltlager für Gruppen aus ganz Süddeutschland aus. Welche Anstrengungen dahinterstecken und worauf die Teilnehmer verzichten müssen
Huisheim Gosheim Es fehlt nur der Strohballen, der über den Boden weht. Doch während in den typischen Westernfilmen die Straße ausgestorben ist, herrscht südlich des Gosheimer Weihers reger Betrieb. Seit Freitag findet hier das Landmarklager der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschland statt. Rund 250 Teilnehmer aus ganz Süddeutschland zelten hier für eine Woche, das Motto der Spielidee lautet heuer „Wilder Westen“. „Wir orientieren uns an einer Geschichte von Lucky Luke“, erklärt Andreas Ocker, einer der zahlreichen Organisatoren des Zeltlagers. Die verschiedenen Gruppen sind in zwei Lager eingeteilt, in Ost und West. „Bei Lucky Luke ging es darum, eine Telegrafenlinie von Ost nach West zu errichten. Die Gruppe, die schneller am Treffpunkt ankam, bekam eine Belohnung“, beschreibt Jonas Bayer die Situation.
Zweimal waren bereits Zeltlager der Pfadfinder in Gosheim. 2008 fand das große Bundeslager mit rund 2000 Teilnehmern hier statt, vor drei Jahren dann schon einmal das Treffen der Landesmark Schwaben. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht, die Gegend und die Menschen hier sind sehr nett“, erklären die beiden Mitorganisatoren. Der Landwirt, dem die Wiese gehört, stellt den Pfadfindern einen Anhänger und große Wasserkanister zur Verfügung, die sie auch täglich bei ihm wieder füllen dürfen.
Um ein solches Lager stemmen zu können, bedarf es viel Organisation. „Wir haben uns vergangenes Jahr im Sommer zu einem ersten Ideentreffen zusammengefunden“, erklärt Bayer. Der Aufbau für das Zeltlager begann bereits eine Woche vor dem eigentlichen Beginn. Und da kam es auf Muskelkraft an. „Wir haben keinen Strom, haben keine Schrauben oder Nägel“, sagt Ocker. Die Zelte werden mit Knoten errichtet, die Pfähle nur durch Kraft im Boden verankert. Das „Höchste der Gefühle“als Hilfsmittel war eine Leiter, sagen sie lachend. Was gerade beim Bau des großen „Saloons“hilfreich war. Die Grundfläche des großen Versammlungszelts beträgt rund 200 Quadratmeter, erzählt Ocker stolz. Auch die Teilnehmer müssen mit Einschränkungen leben, elektrische Geräte sind nicht erlaubt. „Handys, Tablets, aber auch Taschenlampen sind tabu. Einzig ein Wecker ist erlaubt“, schildern die Organisatoren. Und auch sonst ist Pfadfinderleben in Gosheim sehr puristisch, wie Ocker sagt. „Es gibt keinen Alkohol, keine Zigaretten, auch keinen Kaffee.“Man wolle den Alltag hinter sich lassen, sich in den wenigen Tagen des Zeltlagers wieder intensiv mit der Pfadfinderschaft beschäftigen, betonen die Organisatoren.
Ein wichtiger Aspekt des Treffens ist auch die Nachhaltigkeit. So wurden heuer erstmals keine Dixie-Klos mit Chemie aufgestellt, stattdessen wird mit Sägespänen gearbeitet. „Das funktioniert besser, als wir gedacht haben. Man riecht gar nichts, eben auch keinen Chemiegeruch“, zeigen sich die beiden zufrieden. Und auch bei der Zahnpasta oder dem Duschgel achten die Organisatoren darauf, diese Hygieneartikel werden den zahlreichen Teilnehmern gestellt.
Nur beim Essen klappt es nicht ganz so gut mit der Nachhaltigkeit, sagt Bayer. „Bio-Produkte in so großen Mengen zu bekommen, ist schlicht nicht möglich.“Jeden Tag bekommen die Pfadfinder eine warme Mahlzeit, immer in einem Drei-Gänge-Menü. So gab es beispielsweise Linsen mit Spätzle, oder auch mal Leberkäse. Das Essen wird ganz traditionell in großen Kesseln gekocht, die mit Holz angefeuert werden. Ein dreiköpfiges Team ist immer für die Verpflegung zuständig, „außerdem müssen die einzelnen Gruppen abwechselnd bei den Vorbereitungen helfen“, sagt Bayer.
Damit das Wild-West-Gefühl auch so richtig durchkommt, war der Kreativität der Teilnehmer bei der Kleidung oder beim Schmücken der einzelnen Zelte keine Grenzen gesetzt. „Sie konnten sich bei uns für verschiedene Gruppen bewerben, und haben sich dann überlegt, wie ihr Zelt ausschauen soll“, erklärt Ocker. Und auch bei der „Verkleidung“konnte jeder frei auswählen und gestalten. Ocker, der aus Stuttgart angereist ist, hat sich am Theater ein Kostüm ausgesucht, Jonas Bayer hat seine alte Zimmermannskluft angezogen. „Es macht auch echt Spaß, daran zu arbeiten, zu nähen und sich drauf zu freuen, das dann zu diesem Anlass anziehen zu können“, sagt der 26-Jährige. Er war zuletzt aufgrund eines Umzugs für knapp zehn Jahre nicht mehr bei den Pfadfindern aktiv, ist heuer erstmals wieder dabei. Und musste sich ein Stück weit erst mal wieder zurechtfinden. „Ich habe eine Camdas pinglampe mitgebracht, die wird ja nicht elektronisch betrieben. Da wurde ich aber schon ein wenig skeptisch angeschaut“, gesteht er lachend. Dem Pfadfindertum können Bayer und Ocker nur Positives abgewinnen. „Wenn’s einen hat, dann richtig“, sagt Ocker. Er habe es noch nie bereut, daran teilzunehmen. „Jeder kann sich auf seine Art und Weise einbringen“, betont er. Die Teilnehmer des Zeltlagers sind zwischen zehn und 60 Jahre alt, wobei der Großteil im TeenagerAlter ist. „Ich habe auch einmal als ganz Junger angefangen, mittlerweile bin ich älter, habe größere Aufgaben“, sagt Bayer. Doch für beide steht eines im Vordergrund: „Es geht nur als Gruppe. Mobbing hat bei uns keinen Platz.“
Und auch der Glaube kommt nicht zu kurz, schließlich stehe „das Christlich noch vor Pfadfinderschaft“, meint Bayer. Am Pfingstsonntag gab es einen Gottesdienst, zudem gibt es morgens und abends immer eine Andacht. „Wir zwingen aber keinem den Glauben auf“, sagt Ocker. Ein großer Höhepunkt des Zeltlagers wird noch der Abschlussabend am morgigen Freitag werden, dann gibt es nämlich für alle ein Spanferkel zu essen.