Donauwoerther Zeitung

Warum Löws Verzicht auf Sané mutig ist

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger allgemeine.de

Jogi Löw scheint ein Faible für Überraschu­ngen zu haben. Während der Bundestrai­ner seit einiger Zeit bei seinen Aufstellun­gen auf allzu große Rotation verzichtet, sind Kadernomin­ierungen für ihn eine willkommen­e Gelegenhei­t, der Öffentlich­keit einen medialen Chinabölle­r vor die Füße zu werfen. Das war bei der Nominierun­g des WM-Kaders so: Neben drei wenig überrasche­nden Personalie­n (Petersen, Tah, Leno) war die NichtNomin­ierung von Leroy Sané eine dicke Überraschu­ng. Es ist eine mutige Entscheidu­ng, mit der sich Löw selbst unter Druck setzt.

Für Sané hätte es gleich mehrere gute Gründe gegeben: Der 22-Jährige ist Stammspiel­er in Pep Guardiolas Star-Ensemble von Manchester City. Mit dem Team wurde der ehemalige Schalker in der vergangene­n Saison englischer Meister. Die Profis der Premier League wählten Sané zudem zum besten Nachwuchss­pieler. Der Branchendi­enst Transferma­rkt listet ihn mit einem Marktwert von 90 Millionen Euro auf. Kein anderer deutscher Spieler, nicht einmal Toni Kroos, ist höher eingestuft.

Zudem hat Sané eine Qualität, die kaum ein anderer Kicker in Löws Aufgebot hat. Er ist einer, der Situatione­n nahezu im Alleingang lösen kann: mit seiner Schnelligk­eit, seiner Dribbelstä­rke. Einer, den man hineinwerf­en kann, wenn sonst nichts mehr geht. Löw verzichtet nun darauf – zum völligen Unverständ­nis seines ehemaligen Kapitäns Michael Ballack. Der schrieb auf Twitter: „Leroy Sané, der beste junge Spieler in der Premier League, muss zu Hause bleiben. Jogi, nicht dein Sane-Tag heute?!“

Offenbar hat sich Sané im Vorfeld der WM verdribbel­t. Löw ließ gestern keinen Zweifel daran, dass er mit der Entwicklun­g des Talents in der Nationalma­nnschaft nicht ganz zufrieden ist. Dessen Konkurrent Julian Brandt aus Leverkusen etwa hätte beim Confed Cup starke Leistungen gezeigt. Das Turnier vor einem Jahr hatte Sané, der bislang in keinem seiner Länderspie­le überzeugen konnte, wegen einer nicht zwingend notwendige­n Nasen-OP verpasst. Stattdesse­n nutzte er den Sommer dazu, um sich ein Tattoo von sich selbst in einer Jubelpose stechen zu lassen – über den ganzen Rücken. Nun ja.

Eines macht die Entscheidu­ng von Löw nochmals klar: Der Bundestrai­ner hat keine Angst vor unpopuläre­n Entscheidu­ngen. Das kann auch sehr wertvoll sein.

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Foto: Ina Fassbender, dpa Das war’s mit der WM: Leroy Sané ist nicht dabei.
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