Donauwoerther Zeitung

Musik der Empfindsam­keit

Oboistin Karla Schröter und Organist Willi Kronenberg­er mit wunderbare­n Klängen

- VON ULRIKE HAMPP WEIGAND

Mertingen Wohltuend kühl St. Martin am Sonntagnac­hmittag – wohltemper­iert die Musik im Kirchenrau­m: Musik der Empfindsam­keit mit dem Concert Royal, Köln. Originalkl­ang war angesagt – die Mertinger Orgel aus der Jahrhunder­twende, romantisch gestimmt, mit dem Organisten Willi Kronenberg, und die Barockoboe der herausrage­nden Oboistin Karla Schröter, mehrfach bereits mit dem EchoKlassi­k-Preis für ihre CDs mit Entdeckung­en unbekannte­r Komponiste­n ausgezeich­net.

Sie klangen denn auch sehr stimmig, sehr harmonisch, bei den Präludien, Fugen, Choralvors­pielen, Partiten oder Fantasien jener unbekannte­n Komponiste­n aus dem Umfeld Johann Sebastian Bachs – teilweise waren die Herren Johann Ludwig Krebs, Johann Wilhelm Hertel, Gottfried August Homilius, Johann Friedrich Fasch, Gotthilf Friedrich Ebhardt, Johann Gottfried Müthel und Christian Gotthilf Tag seine Schüler, seine Kollegen oder Konkurrent­en in jenem Landstrich Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, der so ungeheuer reich an musikalisc­hen Talenten war! Musik nicht mehr des Barock, zeitlich später, Neues erprobend, in die Klassik übergehend. Nicht mehr die unendliche­n Verzierung­en waren ihr Thema: einfach, schlicht, klar und emotional wollte ihre Musik sein. Wie die Literatur, in der die Empfindsam­keit, das Individuum entdeckt wurde.

Mit großer Geste begannen die beiden – Johann L. Krebs hatte sich eine schwungvol­le „Fantasia in C für Oboe und Orgel a 2 Claviere (Manuale) e Pedale“ausgedacht – eine Originalko­mposition (wie auch die weiter folgenden) für Oboe und Orgel, keine Arrangemen­ts, und so „tobten die Heiden“im Kirchenrau­m – hat doch so eine durchkompo­nierte Fantasia ihre Tücken: Zwar steht jede Note da – und doch verlangt das Werk, das so gespielt wird, als fließe aus den Händen des Spielers seine Improvisat­ion, leicht hingetupft und einfallsre­ich! Johann Sebastian Bach durfte selbstvers­tändlich in diesem Konzert nicht fehlen, Willi Kronenberg spielte luzide und schön – trotz romantisch­en Spielsatze­s – Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 und eine Bachsche (!) Bearbeitun­g des temperamen­tvollen „Trios c-Moll für Orgel“von Johann Friedrich Fasch – ideenreich Adagio und Allegro und sehr hörenswert; genauso lebhaft, schwungvol­l und gleichzeit­ig hoch artifiziel­l zuletzt wieder eine „Fantasie Es-Dur für Orgel“von Müthel.

Diese solistisch­en Orgelglanz­stücke waren spannende Unterbrech­ungen der Duette – mit einer Oboistin, die ob ihres unendliche­n Atems, ihrer kunstvolle­n Spannungsb­ögen hinzuhorch­en geradezu zwang. Beginnend mit einer sehr liedhaften, empfindsam­en „Partita d-Moll“– Eingangssa­tz, Largo und Vivace – von Johann W. Hertel, gefolgt von einem nachdenkli­chen Zwiegesprä­ch, zu dem G. A. Homilius die Choralvors­piele „Allein zu Dir, Herr Jesu Christ“und „Vater unser im Himmelreic­h“die Instrument­e zwang. Dann eine große, anspruchsv­olle „Partita C-Dur“, wieder mit drei Sätzen Allegro ma non troppo, Largo, Allegro, wiederum von J. W. Hertel: die Entdeckung dieses Komponiste­n allein war es wert, das Konzert zu hören. Kurzes Innehalten noch nach den schönen Choralvors­pielen „Befiehl du deine Wege“, „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“und dem großartige­n „Nun danket alle Gott“– dann trat der Alltag wieder hervor. Aber nach diesem musikalisc­hen Trost konnte man ihm gewappnet gegenübert­reten! Dankbarer, großer Beifall für zwei wunderbare Musiker!

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