Wem die Daumen drücken?
Heute Abend startet das Turnier in Russland. Wie Fans, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen und jetzt in Donauwörth leben, auf das Großereignis blicken
Wie Fans, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen und nun in Donauwörth leben, auf die FußballWeltmeisterschaft in Russland blicken, lesen Sie auf
Donauwörth Wenn heute Abend um 17 Uhr in Moskau das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Russland und Saudi-Arabien angepfiffen wird, dann sitzen Waldemar Scharf, sein Sohn Georgi und Alexander Bader mit Sicherheit auch vor dem Fernseher. Die drei Fußballfans freuen sich sehr auf das Turnier, das erstmals in der Geschichte in Russland ausgetragen wird. „Für das Land ist das etwas ganz besonderes“, sagen Scharf und Bader, die beide in der ehemaligen Sowjetunion geboren sind, „das ist etwas einmaliges für das Land“, betonen die beiden. Scharf betreut beim SV Wörnitzstein-Berg die C-Jugend, für die der 13-jährige Georgi aufläuft. Bader war jahrelang für den FC Zirgesheim aktiv.
Die Vergabe des Turniers an Russland war stark kritisiert worden, aufgrund der angespannten politischen Situation war immer wieder auch die Möglichkeit eines Boykotts ins Spiel gekommen. So war es 1980 praktiziert worden, als die Olympischen Sommerspiele in Moskau ausgetragen wurden. Damals hatte auch die Bundesrepublik darauf verzichtet, an den Spielen teilzunehmen. Diesmal kam das aber für die Verantwortlichen nicht infrage, Bundeskanzlerin Angela Merkel überlegt allerdings noch, ob sie die Weltmeisterschaft besuchen wird. Sie sprach aber davon, dann auch politische Gespräche führen zu wollen.
Für Scharf und Bader spielt die Politik in den kommenden vier Wochen aber keine Rolle. „Sport und Politik müssen getrennt bleiben“, betont Waldemar Scharf deutlich. Auch dass es im Zuge der Turniervergabe Korruptionsvorwürfe gab, will er nicht überbewerten. „Die FIFA ist doch schon seit Längerem korrupt, das sieht man doch auch an den Vorwürfen an Franz Beckenbauer“, sagt der 46-Jährige.
Die Freude auf die Weltmeisterschaft lassen sich Scharf und Bader dadurch aber nicht nehmen. „Es soll ein schönes Turnier werden, für die Leute in Russland ist es ein tolles Event. Die Vorfreude dort ist riesig, und die Einwohner des Landes zeigen sich sehr gastfreundlich“, sagt Bader. Er erwartet auch keinerlei Ausschreitungen oder Anschläge, hofft darauf, dass die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen greifen werden. Das Land entwickle sich seit einigen Jahren zu einer sportlicheren Nation, meint Scharf. Auch durch die neuen, hochmodernen Fußballarenen werde das Volk mitgezogen.
Einen Turnierfavoriten können die beiden nicht endgültig benennen, erwarten eher eine Überraschungsmannschaft. Für Waldemar Scharf könnte Island, das bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren groß aufgespielt und das Viertelfinale erreicht hatte, erneut für eine Überraschung sorgen. Der 13-jährige Georgi tippt eher auf die Franzosen. Eine Titelverteidigung trauen die Fußballfans der deutschen Nationalmannschaft nicht zu. „Ich hoffe, dass wir möglichst weit kommen. Aber ein Sieg wird schwer“, sagt Alexander Bader, der 1988 aus der damaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen ist. Er nennt die brasilianische Mannschaft als einen Favoriten auf den Titel.
Wie er fiebern auch Waldemar Scharf und sein Sohn Georgi mit der deutschen Truppe mit. „Für uns gibt es nichts anderes“, sagt Scharf. Der russischen Mannschaft trauen sie hingegen gar nichts zu. „Die dürfen ja nur mitspielen, weil sie Gastgeber sind. Qualifiziert hätten sie sich wohl eher nicht“, sagt Bader mit einem Lachen. Und auch im eigenen Land wird der „Sbornaja“, wie die Mannschaft genannt wird, wohl kein großer Sprung zugetraut. „Die werden in den Medien mehr auf den Arm genommen. Gerade einmal heute Abend gegen SaudiArabien könnte es zu einem Sieg reichen, mehr wird nicht drin sein“, sagt Scharf. Vor dem Turnier hat er sich ein wenig mit der russischen Mannschaft beschäftigt, „die Testspiele waren nicht gut“. Ansonsten schaut Scharf aber keine Spiele aus der russischen Liga. „Daran habe ich kein Interesse. Da wird ein ganz anderer Fußball gespielt als beispielsweise in England, Spanien oder Deutschland.“
Möglichst viele Spiele der WM möchten die drei Fans live im Fernsehen verfolgen, drücken dabei am Sonntag gegen Mexiko zum ersten Mal der Mannschaft von Bundestrainer Jogi Löw die Daumen. Aber Alexander Bader sagt auch: „Wir wollen schöne Spiele sehen. Soll die beste Mannschaft gewinnen.“