Wohnkonzept reist in die Uckermark
Kinder aus Problemfamilien finden ein „Zuhause auf Gut Hemerten“bei Münster. Nun interessiert sich ein Graf aus Brandenburg für die Idee von Patrick und Christian Heining
Münster „Zuhause auf Gut Hemerten“– das erste Projekt der Holzwinkel Sozialprojekte GmbH mit Sitz in Gablingen hat heuer seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Anfang März 2016 war der Start der stationären, heilpädagogischen Wohnund Hilfeeinrichtung im Südteil des Alten Schlosses in Hemerten bei Münster. Nun könnte die Idee, eine heilpädagogische Wohneinrichtung in einem Schloss zu eröffnen, von Gablingen beziehungsweise Münster aus eine weite Reise antreten. Der Grund: Bei Patrick und Christian Heining, dem Paar, das hinter Holzwinkel Sozialprojekte steht, hat ein Graf aus der Uckermark (Landkreis Brandenburg) angefragt, der ganz explizit nach einer sozialen Nutzung für sein Schloss sucht. So könnte das Konzept von „Zuhause auf Gut Hemerten“ein zweites Mal umgesetzt werden – und zwar etwa 700 Kilometer nördlich vom bisherigen Standort.
Dass es zum Erstlingswerk auf Gut Hemerten kam, hatte vor allem private Gründe. Patrick Heining hat eine heilpädagogische Ausbildung und verfolgt die Idee, Kindern, die es schwer haben, neue Lebensqualität zu ermöglichen. Ein privater Hausbrand und das Damoklesschwert der Obdachlosigkeit im Jahr 2012 zeigten dem Paar die Qualität eines Zuhauses ganz deutlich auf. Auch ihr heute sechsjähriger Pflegesohn war ein weiterer Grund, der die Idee der Holzwinkel Sozialprojekte entstehen ließ. Im Schmuttertal fanden Patrick und Christian Heining kein geeignetes Wohnobjekt für ihr Projekt. Allerdings stießen sie im südlichsten Teil des Landkreises, in Münster, mit Gut Hemerten auf eine perfekte Örtlichkeit und wohlwollende Besitzer, die Familie von Schnurbein.
Doch welches Konzept steckt dahinter, das vielleicht künftig auch in der Uckermark Anwendung finden könnte? Mehrere Kinder im Alter zwischen einem und 16 Jahren leben aktuell auf Gut Hemerten. Sie alle stammen aus schwierigen familiären Verhältnissen; ihre emotionalen Grundbedürfnisse blieben unerfüllt. Auf Gut Hemerten dürfen sie laut den Betreibern nun eine „Lebensnormalisierung“erreichen. Sie dürften nachholen, was sie vermisst haben. Sie bekämen Raum zum At- men. Raum, um in einem strukturierten, ruhigen Milieu Kraft zu tanken. Der familiäre Aspekt sei dabei entscheidend. Und so gebe es für die Kinder und Jugendlichen dort keinen „Aufenthaltsraum“, sondern ein „Wohnzimmer“. Es gebe keinen „Essenssaal“, sondern einen großen, gemütlichen Esstisch mit Platz für alle. Dafür böten die Räume im ehemaligen Schlossgebäude die beste Grundvoraussetzung.
Und noch etwas wirke sich im Schloss positiv auf die jungen Bewohner aus: „Wir ersparen ihnen hier, den Heimkind-Stempel aufgedrückt zu bekommen. Unsere Kinder dürfen voller Stolz sagen, dass sie in einem Schloss wohnen“, erklärt pädagogischer Leiter Patrick Heining. Und dieses liegt idyllisch mitten im Grünen. Die Anbindung an die Gemeinde Münster klappe gut, die Kinder von Gut Hemerten seien beim Weihnachtsmarkt mit eigenen Basteleien vertreten gewesen und bekämen Präsente von örtlichen Vereinen, in denen sie auch oft selbst aktiv seien.
Wer auf Gut Hemerten arbeitet, verstehe seinen Beruf als Heilerziehungspfleger, Sozialpädagoge, Erzieher oder Tiertherapeut nicht etwa als Job, sondern als Berufung. Sozialverträgliche Dienstpläne und die Bezahlung für die Zeit anstatt für die „Arbeitskraft“sind weitere Details des Konzepts der Holzwinkel Sozialwerke.
Der Graf aus der Uckermark war bereits zu Gast in Hemerten. Seine Frau arbeitet im sozialen Bereich, und beide waren begeistert von der Idee, neues Leben in altehrwürdige Gebäude zu bringen. Räumen eine „heimelige Schönheit“einzuhauchen, wie Patrick Heining es nennt, das gelingt vor allem in alten Gemäuern besonders gut, auch wenn es mitunter manchmal recht aufwendig ist, im Sinne des Denkmalschutzes Renovierungen durchzuführen.
In diesem Jahr kann es an die Planungen gehen. Vielleicht könnten sogar schon erste Umbauten beziehungsweise Sanierungen erfolgen. Im kommenden Jahr wäre eine Umsetzung möglich, schätzt Patrick Heining. Die Idee dabei ist, dass die Holzwinkel Sozialprojekte als Träger des neuen Wohnprojekts in der Uckermark fungieren. Ein Schema F gebe es dabei nicht. Schließlich müsse man sich immer auch auf die sozialen Rahmenbedingungen vor Ort einstellen.