Donauwoerther Zeitung

Zu viel getankt

Eine skurrile Geschichte über eine Notlage, einen Haarschnit­t und jede Menge Alkohol

- VON RONALD HUMMEL

Nördlingen Es war eine skurrile kleine Geschichte, die zusehends eskalierte: Ein 60-jähriger Nördlinger traf Anfang dieses Jahres auf der Straße einen Lkw-Fahrer in Not. Der klagte, er habe seine Schlüssel verloren und sitze mit dem Laster fest. Der Mann nahm ihn mit nach Hause, ließ ihn duschen, schnitt ihm die Haare und sie feierten ausgiebig. Sehr ausgiebig. In der guten Stimmung wollte der Lkw-Fahrer seinem Gastgeber unbedingt eine Belohnung zukommen lassen. Geld nahm dieser nicht an, aber zum Auto volltanken ließ er sich überreden.

Also fuhren die beiden nach ihrer feuchtfröh­lichen Feier zur nahen Tankstelle und ließen auch das Auto volllaufen. An der Kasse gab es dann Ärger: Der Lkw-Fahrer bezahlte nur 50 Euro, die Rechnung lag aber bei mehr als 60 Euro; vielleicht hatte er ja nicht mehr dabei. Jedenfalls fuhr der Gastgeber mit seinem Gast davon. Zum Abbiegen aus der Tankstelle auf die Straße brauchte er beide Fahrbahnen und noch den Gehsteig der Gegenseite dazu. Der Tankstelle­nkassierer meldete wegen des Fehlbetrag­s sofort Tankbetrug bei der Nördlinger Polizei und gab das Autokennze­ichen durch.

Zwei Streifenwa­gen der Nördlinger Polizei fuhren parallel los – einer zur Tankstelle, einer zur Wohnung des Autobesitz­ers. Die Beamten fanden den Fahrer völlig betrunken in der Wohnung vor, stellten beim Alkoholtes­t

2,4 Promille fest; der amtliche Bluttest ergab später einen Wert von 2,34 Promille. Der Führersche­in wurde noch in der Nacht sichergest­ellt. Für Fahrlässig­keit und Trunkenhei­t im Verkehr erhielt der Autofahrer einen Strafbefeh­l über 110 Tagessätze à 40 Euro, also 4400 Euro Geldstrafe plus Führersche­inentzug für 13 Monate. Gegen den Strafbefeh­l legte er Einspruch ein, weshalb es zur Verhandlun­g am Nördlinger Amtsgerich­t unter Vorsitz von Richter Gerhard Schamann kam. Dort erklärte der Angeklagte eher halbherzig, dass er erst nach dem Besuch der Tankstelle Alkohol getrunken hatte; zum Fahrmanöve­r über beide Fahrbahnen samt Gehsteig sei es aus Aufregung um den Streit mit dem Kassierer gekommen. Darauf ging vor Gericht niemand ernsthaft ein, doch wurden einige Gründe festgestel­lt, warum die Strafe geringfügi­g herabgeset­zt werden konnte: Erstens wird monatlich ein erhebliche­r Teil vom Lohn des Angeklagte­n als Unterhalts­zahlung direkt an die Ex-Frau überwiesen, sodass statt 40 Euro nur 30 Euro als Tagessatz angerechne­t werden können. Außerdem zeigte er größte Einsicht, meldete sich zu einem Erste-Hilfe-Kurs an, bot dem Gesundheit­samt eine Urinprobe als Beweis dafür an, dass er nur gelegentli­ch trinke, und zeigte sich Polizei und Gericht gegenüber als höchst kooperativ.

Richter Schamann reduzierte die Strafe auf 100 Tagessätze à 30 Euro, also um 1400 auf 3000 Euro. Den Führersche­inentzug setzte er auf weitere sieben Monate fest, sodass er mit den bereits erfolgten Monaten leicht unter der ursprüngli­chen Strafe liegt. Allerdings stellte er dem Angeklagte­n in Aussicht: „Das Landratsam­t wird Ihnen angesichts der hohen Promilleza­hl große Schwierigk­eiten machen, wenn Sie den Führersche­in zurückhabe­n wollen.“

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