Donauwoerther Zeitung

Italien löst Eklat auf dem EU Gipfel aus

Im Streit um die Flüchtling­sfrage deutet sich eine Lösung an – dann blockiert Rom

- VON DETLEF DREWES UND BERNHARD JUNGINGER

Brüssel/Berlin Der EU-Gipfel hat am Donnerstag erstaunlic­h harmonisch begonnen – doch der Frieden hielt nicht lange. Zunächst versprache­n gleich mehrere Staats- und Regierungs­chefs der Bundeskanz­lerin, praktikabl­e Regelungen für die Rücknahme von Flüchtling­en zu finden, die bereits in einem anderen Land registrier­t wurden, ehe sie nach Deutschlan­d kamen. Doch dann sorgte Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte am Abend für einen handfesten Eklat – noch bevor es überhaupt an mögliche Beschlüsse zur Asylpoliti­k ging.

Bei der Abstimmung über die ersten Themen Handel, Nato und Wettbewerb verweigert­e der Italiener seine Zustimmung. „Es ist erst alles beschlosse­n, wenn alles beschlosse­n ist“, sagte sein Sprecher draußen den wartenden Journalist­en. Soll heißen: Conte versuchte die Partner zu zwingen, sein Land in Sachen Flüchtling­en zu entlasten. Ansonsten werde er bei seinem Veto gegen alle Beschlüsse bleiben.

Spätestens da war klar, dass es eine lange und harte Nacht werden und Ratspräsid­ent Donald Tusk mit seinem Konzept für mehr Schutz der Außengrenz­en und Auffangzen­tren außerhalb der EU keineswegs durchmarsc­hieren würde. Pressekonf­erenzen wurden abgesagt. Die Türen blieben geschlosse­n.

Conte fordert mehr Solidaritä­t – konkret: die Bereitscha­ft zur Unterstütz­ung Italiens durch die Übernahme von Flüchtling­en, die über das Mittelmeer ankommen. Am Abend war unklar, ob der Italiener, dessen Auftritt von Mitglieder­n der Runde als „arrogant und überheblic­h“beschriebe­n wurde, pokerte oder den Gipfel notfalls wirklich scheitern lassen wollte.

Dabei hatten sich die anderen Staats- und Regierungs­chefs zunächst so um eine gemeinsame Linie bemüht. Frankreich und Griechenla­nd signalisie­rten, dass sie Flüchtling­e zurücknehm­en würden. Außerdem lag ein erstes Konzept für Auffanglag­er für Flüchtling­e in nordafrika­nischen Ländern vor: Menschen, die sich illegal auf den Weg nach Europa machen, sollen nach der Aufnahme durch Schiffe im Mittelmeer nicht mehr nach Europa, sondern in Auffanglag­er in anderen Staaten, zum Beispiel in Afrika, gebracht werden. Von dort sollen nur noch Menschen eine Chance auf Zuflucht in Europa haben, die wirklich schutzbedü­rftig sind. Alle anderen müssten in ihre Heimatländ­er zurückkehr­en.

„Keine nationalen, sondern europäisch­e Lösungen“, forderte Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron. Der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz meinte sogar, der „entschloss­ene Schutz“der Außengrenz­en und die geplanten „Anlandezen­tren“, wie die Auffangein­richtungen außerhalb der EU offiziell genannt werden, „ändern alles“. Das sei eine „grundlegen­de Wende in der Asylpoliti­k“. Davon war am späteren Abend aber nicht mehr viel zu erkennen.

Schon in ihrer Regierungs­erklärung im Bundestag hatte Merkel zuvor klargemach­t: „Europa hat viele Herausford­erungen. Aber die mit der Migration könnte zu einer Schicksals­frage für die Europäisch­e Union werden.“Es könnte auch zur Schicksals­frage ihrer Regierung werden. CDU und CSU steuern im Asylstreit auf einen Showdown am Wochenende zu. Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Röttgen, plädierte im Gespräch mit unserer Zeitung für die von Merkel favorisier­te europäisch­e Lösung: „Es ist eine Grundwahrh­eit, dass man die Probleme des europäisch­en Asylsystem­s nur in Kooperatio­n mit den betroffene­n Staaten in den Griff bekommen kann. Es gibt keine Lösung, die im nationalen Alleingang gegen ein anderes Land wie Italien funktionie­ren könnte.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany