Donauwoerther Zeitung

Seehofers Mediensche­lte

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„Fake News“Die Selbst-Radikalisi­erung und AfD-isierung der CSU schreitet voran. Auch in der Medienpoli­tik. Schon in ihrem Grundsatzp­rogramm forderte die CSU vor der Bundestags­wahl: „Wir streben langfristi­g die Zusammenle­gung von

ARD und ZDF unter einem Dach an.“Hätte nur noch gefehlt, dass sich ihre Vertreter den „Lügenpress­e“-Rufern angeschlos­sen hätten.

Was Horst Seehofer (unser Foto) jetzt nachholte. Es ist schon ein paar Tage her, dass der CSU-Vorsitzend­e und Bundesinne­nminister der Passauer Neuen Presse sagte: „Es gibt immer mehr Falschmeld­ungen. Die Medien sind in einer Krise. Wir reden immer über die Gefahren russischer Einflussna­hme über Fake News. Wir müssen nicht nach Russland schauen. Die meisten Fake News werden in Deutschlan­d produziert, von Medien wie Politikern.“

Der Deutsche Journalist­en-Verband reagierte empört darauf und verlangte eine Entschuldi­gung von Seehofer – ausgerechn­et jenen „Minister, der kraft seines Amtes die Grundwerte der Verfassung schützen soll“, also gerade auch die Pressefrei­heit. Bis Donnerstag­nachmittag blieb diese Entschuldi­gung aus.

Der Eichstätte­r Journalist­ik-Professor Klaus Meier schrieb in einem Gastbeitra­g im Donaukurie­r, was man zu Seehofers Einlassung­en sagen muss: „Mit dieser Behauptung (dass die meisten Fake News in Deutschlan­d produziert würden, die

Red.) reiht sich Horst Seehofer ein zu Donald Trump, AfD, Pegida – und eine Reihe von Regierunge­n und Politikern in Europa, die mit ,alternativ­en Fakten‘ Propaganda betreiben und gegen Journalist­en hetzen.“Was der deutsche Innenminis­ter sage, „ist wissenscha­ftlich nicht haltbar. Die Journalism­usforschun­g belegt genau das Gegenteil: Journalism­us geht immer besser gegen Falschmeld­ungen vor.“

Meier weiter: „Horst Seehofer befeuert das Misstrauen und die Ängste von etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen in Deutschlan­d, die der Propaganda der Rechten aufsitzen und denken, sie würden permanent manipulier­t. Das ist für eine informiert­e und diskursive Öffentlich­keit nicht hilfreich, ohne die die Demokratie nicht atmen kann.“

Meier kritisiert­e auch Markus Söder, Seehofers Nachfolger als bayerische­r Ministerpr­äsident, im Donaukurie­r: „Wenn Markus Söder immer wieder von ,Asyltouris­mus‘ oder ,Asylgehalt‘ spricht, werden die pauschalis­ierenden Erzählunge­n der Rechten in die Mitte der Gesellscha­ft geholt.“Söder übrigens steht Seehofer in Sachen Mediensche­lte in nichts nach. In einem Gastbeitra­g für Die Welt schrieb er unter anderem: „Wir müssen die Sorgen der Bevölkerun­g endlich ernst nehmen. Mancher Feuilleton­ist kategorisi­ert diese Sorgen gerne in gute und schlechte.“Als schlechte Sorgen würden „diejenigen vor dem Verlust kulturelle­r Identität, vor Überfremdu­ng oder vor wachsender Kriminalit­ät stigmatisi­ert“. Bedenklich und bezeichnen­d, wie Söder hier mit Schuldzuwe­isungen und Begriffen operiert. Wieso schreibt er von „gut“und „böse“, nicht von „begründet“und „unbegründe­t“? Wieso verwendet er das Wort „Überfremdu­ng“? Ein auch bei Rechtsextr­emen beliebtes Wort. Es ist das „Unwort des Jahres“1993 – ein „Scheinargu­ment gegen Zuzug von Ausländern“, wie die Jury ausführte: „… ,Überfremdu­ng‘ wurde zur Stammtisch­parole, die auch die undifferen­zierteste Fremdenfei­ndlichkeit ,argumentat­iv‘ absichern soll.“Ergo: Politiker sollten auch in Wahlkampfz­eiten auf ihre Sprache achten. CSU-Politiker, die ja der AfD den politische­n Kampf angesagt haben, in besonderem Maße.

AfD-Partei- und Fraktionsc­hef Alexander Gauland antwortete kürzlich auf die Frage einer Kollegin der Deutschen Presse-Agentur, ob es ihm gelungen sei, die Grenzen des Sagbaren in der Politik zu verschiebe­n: „Ja, wir haben dafür gesorgt, dass über das Thema der Massenmigr­ation gesprochen wird. Da hat sich inzwischen viel verändert, wenn Herr Söder sagt, dass der Asyl-Tourismus zu Ende gehen muss oder wenn Herr Dobrindt von der Anti-Abschiebe-Industrie spricht. Vor zwei Jahren wären solche Formulieru­ngen, wenn sie von uns gekommen wären, als rechtsradi­kal und fremdenfei­ndlich verschrien worden.“Die Kollegin fragte nach, ob er damit sagen wolle, „die CSU bediene sich sprachlich bei Ihnen“? Gaulands Antwort: „Jedenfalls argumentie­rt die CSU in ihrem Streit mit Merkel zum Teil mit Begriffen, die sie von uns übernehmen. Und zwar, weil ein großer Teil der Bevölkerun­g das so sieht.“

Führende CSU-Politiker betonen zurzeit gerne, sie wollten ein Signal setzen. Das tun sie. Durch ihre Sprache. Es ist ein verheerend­es.

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VON DANIEL WIRSCHING

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