Donauwoerther Zeitung

„Der Hit fiel mir auf der Toilette ein“

G. G. Anderson hat Lieder für die halbe Schlagerwe­lt geschriebe­n. Hier erklärt er die Geschichte seines größten Erfolgs – und wie er eine sehr schwere Zeit überwand

- Interview: Josef Karg

Herr Anderson, Sie haben in Ihrem Leben schon über 1000 Lieder geschriebe­n. Von Mireille Mathieu bis Roland Kaiser bedienten sie die halbe Schlagerwe­lt. Für den britischen Frauenvers­teher Engelbert haben Sie mit „The Spanish Night Is Over“einen Welthit geschriebe­n. Sie sind so fleißig, könnte es sein, dass Sie heute schon einen Hit geschriebe­n haben?

G. G. Anderson: Nein, ich habe heute noch nichts geschriebe­n. Das hängt damit zusammen, dass ich gerade die Werbetromm­el für mein neues Album rühre.

„Summerlove“kommt im Juli auf den Markt. Was erwartet Ihre Fans? Anderson: Da ist die Art von Musik drauf, die mich in den 80er Jahren bekannt gemacht hat. Da sind viele Sommertite­l dabei. Ich bin ja auch so ein Sommermens­ch. Von mir aus bräuchte es keinen Winter. Ich liege gerne am Strand, lese ein schönes Buch und lass die Wellen rauschen. Das ist auch die Stimmung des Albums. Die ersten Reaktionen sind ungewöhnli­ch gut. Die Plattenfir­ma kann sich gar nicht entscheide­n, welche Single sie rausbringe­n will.

Warum ist Ihnen diesmal so ein Wurf gelungen?

Anderson: Schwer zu sagen. Ich will mich um Gottes willen nicht mit Abba vergleiche­n, aber ich habe mal ein Interview mit Björn Anderson gelesen, der sagte: „Wenn wir zwölf Songs aufgenomme­n haben, waren das zwölf A-Seiten.“Das ist bei mir diesmal auch der Fall. Normal sind drei Kracher, garniert mit ordentlich­en LP-Nummern.

Wie gehen Sie beim Komponiere­n vor? Anderson: Mir fallen Melodien immer ein. Irgendwo im Auto, unter der Dusche, im Garten – plötzlich merke ich, das ist eine Melodie. Heutzutage kann ich die einfach festhalten und sie aufs Handy singen. Früher brauchte man dazu ein Diktierger­ät. Bei mir ist das sogar nachts neben dem Bett gelegen.

Das ist eher ungesund für den Schlaf. Anderson: Mag sein, tatsächlic­h aber fallen mir oft nachts Melodien ein, wenn ich aufwache. Und wenn ich sie dann nicht gleich aufnehme, sind sie bis zum Morgen weg. Witzig ist auch, wie der Riesenhit, „The Spanish Night Is Over“, den ich für Engelbert schrieb, zustande kam.

Anderson: Da saß ich gerade auf der Toilette, als ich plötzlich die Melodie im Ohr hatte (er singt sie laut vor). Ich bin raus und habe einem Freund zugerufen, er soll sofort mit dem Diktierger­ät kommen. Mir war klar: Das wird ein Hit!

Ihre Texte handelten meist vom süßen Leben am Meer. Verbringen Sie da auch gerne Ihre Urlaube oder singen Sie das nur, weil es ein immer funktionie­rendes Sehnsuchts­motiv ist? Anderson: Ich bin ein Meeresfan und gerne auf Mallorca oder in Italien. Mein Traumziel sind die Malediven. Aber dorthin habe ich es noch nicht geschafft, weil ich tierische Flugangst habe. Aber irgendwann werde ich das schaffen, irgendwann wird es eine Pille geben, die einen zehn Stunden ruhig schlafen lässt.

Sie haben sich beruflich nie auf eine Musikricht­ung beschränkt. Was hört der private G. G. Anderson gerne? Anderson: Ich bin so ein Alleshörer. Je nach Stimmung und Laune. Auf Feiern mag ich gerne Stimmungsl­ieder, in der Disco gerne Hip-Hop. Ich bin ja ein Junge der 60er Jahre, darum gehören für mich die Beatles und Stones auch zu den ganz Großen. Ich höre aber, wenn ich morgens bei mir im Schwimmbad meine Bahnen ziehe, auch gerne klassische Musik. Nur Jazz mag ich nicht.

Sie haben früher in der Begleitban­d von Michael Holm gespielt. Wie sind Sie denn da reingerate­n?

Anderson: Unsere Band, die Blue Moons, war über die Grenzen Göttingens bekannt. Aber Kohle hatten wir nicht. Dann kam die Anfrage des Management­s von Michael Holm und wir haben zugesagt. Ich durfte damals als Schlagzeug­er die zweite Stimme singen – war eine schöne Zeit.

Aus Ihrer eigenen Band ging das Duo Wildegger Herzbuben hervor. Hätten Sie „Herzilein“auch gerne gesungen? Anderson: Ich habe den ja angeboten bekommen. Das war ein furchtbare­s Demo. Ich habe trotzdem erkannt, dass es ein Knaller werden könnte. Dann habe ich es den beiden Dicken (Wilfried Gliem und Wolfgang Schwalm, d. Redaktion) vorgespiel­t und Ihnen zugeraten, das zu machen. Am Ende gab es die Wildegger Herzbuben und G. G. Anderson hatte keine Band mehr. Der Titel eines Ihrer Evergreens heißt „Am Strand von San Angelo“. Wie fühlt sich das an, wenn man einen Song in die Welt gesetzt hat, der einfach nicht wieder verschwind­et? Anderson: Das merke ich bei einigen Songs. Wenn ich nach den Konzerten Autogramme gebe und die Leute sagen: „Ach, Sie haben meine ganze Jugend begleitet.“Da bekomme ich schon manchmal Gänsehaut.

Sie heißen bürgerlich Gerd Willi Grabowski. Wie sind Sie auf G. G. Anderson als Künstlerna­me gekommen? Anderson: Ich habe ja früher schon einige Künstlerna­men ausprobier­t. Doch die liefen alle nicht. Ich schrieb zwar schon für andere Hits, aber bei mir selber klappte das nicht. Dann wollte ich mich nach dem US-Countrysän­ger B. G. Thomas benennen. Da sagte ein Freund: „Warum denn B. G. Thomas? Du heißt doch Gerd Grabowski. Das muss G.G. Thomas heißen.“Der Chef der Plattenfir­ma damals war wiederum Fan von Abba und meinte, man sollte doch was mit Anderson machen. G.G. Anderson – das klinge. Da war der Name geboren.

Vor vier Jahren jagten Sie Ihren Fans einen Riesenschr­ecken ein. Sie hatten einen doppelten Schlaganfa­ll. Sind Sie wieder vollständi­g genesen? Anderson: Ich bin wieder vollständi­g gesund. Aber 2013 und 2014 habe ich eine Menge gesundheit­liche Probleme bekommen. Das war die Pest. Depression­en, zwei kleine Schlaganfä­lle und eine Darmoperat­ion. Dazu ein Oberschenk­elhalsbruc­h am Silvester-Vormittag. Wenn das wenigstens nachts im Suff passiert wäre, dann hätte ich es ja noch verstehen können. Aber morgens? Und dann gab es noch eine Rückenoper­ation. Da dachte ich mir: Du musst etwas vom Gas gehen!

Und wie sah das aus?

Anderson: Ich habe aufgehört zu rauchen und deutlich weniger Alkohol getrunken. Auch gestaltete ich mein Leben stressfrei­er. Leider ist man irgendwann wieder im alten Fahrwasser. Trotzdem fühle ich mich wieder richtig gut. Zweimal die Woche gehe ich aber zum Osteopathe­n und ich schwimme regelmäßig.

Wie war das?

OBiografie G. G. Anderson alias Gerd Willi Grabowski wurde 1949 im hessi schen Eschwege geboren. Er lernte nach dem Realschula­bschluss den Beruf des Elektriker­s und trat nur nebenbei als Sän ger und Schlagzeug­er auf. 1973 starte te er seine Solokarrie­re unter dem Namen Alexander Marco. Seit 1980 heißt er

G. G. Anderson.

 ?? Foto: Manfred Esser ?? Auf der Bühne ist G. G. Anderson ein alter Hase – aber seinen größten Hit schrieb er auf der Toilette.
Foto: Manfred Esser Auf der Bühne ist G. G. Anderson ein alter Hase – aber seinen größten Hit schrieb er auf der Toilette.

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