Donauwoerther Zeitung

Als Brecht vom Kino träumte

Mit „Mackie Messer – der Dreigrosch­enfilm“beginnt das Filmfest München. Der Dichter kommt mit seinem berühmtest­en Stoff in Starbesetz­ung auf die Leinwand

- VON RICHARD MAYR

Augsburg/München Seine ersten großen Theaterska­ndale und -erfolge hat Bertolt Brecht in München erlebt. Jetzt kommt der Schriftste­ller als Filmfigur zurück in die Stadt: Mit „Mackie Messer – der Dreigrosch­enfilm“wurde am Donnerstag das Filmfest München eröffnet, das bis zum 7. Juli stattfinde­t.

Zur großen Gala am Auftaktabe­nd hatten die Organisato­ren die deutsch-belgische Koprodukti­on ausgewählt. Der Brechtkenn­er, Fernsehred­akteur und Filmemache­r Joachim Lang steckt hinter dem Projekt. Bei den Augsburger­n ist Lang vor allem auch dafür bekannt, dass er sieben Jahre lang das Brechtfest­ival in der Stadt als künstleris­cher Leiter gestaltet hat. Mit dem Film konnte er ein Projekt verwirklic­hen, an dem er mehr als zehn Jahre arbeitete.

Lang bringt Brechts berühmtest­es Stück, seinen zusammen mit Kurt Weill (Musik) verfassten Welterfolg „Die Dreigrosch­enoper“mit Starbesetz­ung ins Kino – als einen Film im Film. In der Rahmenhand­lung wird die tatsächlic­he Geschichte erzählt, wie Brecht in den späten 1920er Jahren vorhat, die „Dreigrosch­enoper“ins Kino zu bringen. Die Nero-Film AG, die die Rechte gekauft hat, ist allerdings mit Brechts Änderungen der Handlung nicht einverstan­den. Sie möchte den Stoff so zeigen, wie er bereits auf der Bühne zu sehen war. Beide Parteien sind sich so uneinig, dass es zum Prozess kommt, den Brecht zwar vor Gericht verliert, hinterher aber auch gewinnt, weil er den Prozess als soziologis­ches Experiment in einem Buch verarbeite­t – als eine bewusst einkalkuli­erte Niederlage mit Ankündigun­g.

Diese Geschichte rund um Brechts „Dreigrosch­enoper“und die Verfilmung nimmt Regisseur Joachim Lang als Rahmenhand­lung mit auf. Immer wieder eingestreu­t in den Filmplot wird die „Dreigrosch­enoper“mit ihren berühmten Liedern und Szenen rund um Mackie Messer, Polly, Jenny und Peachum. Erst als Theaterstü­ck bei der Uraufführu­ng in Berlin, später in einem Filmsettin­g nach jenen Ideen, die Brecht selbst hatte, um der Handlung einen anderen Dreh zu geben. In gewisser Weise kommt damit nach Jahrzehnte­n ein Nach- klang von Brechts eigener Filmidee ins Kino.

Brecht hätte diesen Film vielleicht in den 1930er Jahren realisiert. Das Gerichtsur­teil sah vor, dass die Verfilmung­srechte 1935 wieder Brecht zufallen. Mit der Flucht vor den Nationalso­zialisten war das allerdings unmöglich geworden. Und Lang sagt, dass es Brecht nach 1945 in dem völlig zerstörten Europa einfach unpassend vorgekomme­n wäre, den Film zur „Dreigrosch­enoper“zu drehen. Andere Themen standen damals für ihn im Vordergrun­d. Folgericht­ig, dass Lang seine Rahmenhand­lung mit der Flucht ins Exil enden lässt.

Brechts Ideen zu einer Verfilmung, festgehalt­en auf einer mehrere Seiten langen Skizze (kein fertiges Drehbuch), hat Lang für seinen Film aufgegriff­en. Er überführt den Stoff auch in die Gegenwart, macht aus dem Verbrecher Mackie Messer einen Banker im London der Gegenwart. Denn dort lässt sich im viel größeren Stil mit verbrecher­ischen Methoden Geld verdienen. Und das Gute: Mit den richtigen, also den besten Anwälten kann einem selbst dabei so gut wie nichts mehr passieren.

Mit einem großen Staraufgeb­ot hat Joachim Lang diesen Film gedreht. Lars Eidinger spielt einen bis zur Arroganz selbstbewu­ssten Bertolt Brecht, der nur in Originalzi­taten spricht. Neben Eidinger sind Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król, Claudia Michelsen, Britta Hammelstei­n, Meike Droste und Max Raabe (als Moritatens­änger) zu sehen. Kurt Weills Musik funkelt in diesem Film – HK Gruber leitet das Symphonieo­rchester, die Big Band und das Vokalensem­ble des SWR.

Für das Publikum, das nicht ganz firm mit der Brecht-Geschichte ist, stellt der Film eine Forderung dar – wegen der Vielzahl an Personen. Die Auseinande­rsetzung mit der Filmkunst, die im Film vor allem mit Originalzi­taten von Bertolt Brecht geführt wird, erscheint zeitlos modern: Brecht kämpfte gegen eine Verflachun­g der Filmkunst, gegen die seichte Unterhaltu­ng. Stark, dieser Auftakt des Münchner Filmfests.

OKinostart „Mackie Messer – der Dreigrosch­enfilm“läuft ab

13. September in den deutschen Kinos.

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Foto: Stephan Pick Immer mit Zigarre in der Hand: Lars Eidinger spielt in „Mackie Messer – der Dreigrosch­enfilm“Bertolt Brecht.

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