Ein Kultboot legt wieder an
Die „Ulmer Schachtel“legt am Samstag nach achtjähriger Abwesenheit wieder in Donauwörth an
Donauwörth Ein echtes Original, ein Kultboot legt am Samstag in Donauwörth an. Ein Glück, dass der Hafen reaktiviert wurde. Seit dem Jahr 2010 konnte die Ulmer Schachtel die Donau bei Donauwörth nicht mehr passieren. Durch den Rückgang des Pegelstandes wurden die Felsbrocken in der Fahrrinne bei der Donaubrücke und der ehemaligen Eisenbahnbrücke ein unüberwindbares Hindernis, das in den Jahren vorher zu großen Schäden führte. Deshalb wurde bei den jährlichen Fahrten die Zille vor Donauwörth auf einen LKW verladen und nach Donauwörth wieder eingesetzt.
Am 30. Juni legt das Schiff, das von Ulm bis zum Schwarzen Meer fährt, erstmals wieder in Donauwörth an. Um das zu ermöglichen, setzt die Gesellschaft der Donaufreunde Ulm die Zille donauabwärts in Bertoldsheim im Fluss ein und fährt dann stromaufwärts bis zum Donauhafen.
Donauwörths Oberbürgermeister Armin Neudert begrüßt um 14.30 Uhr die 30-köpfige Mannschaft und wird dabei musikalisch von der Stadtkapelle begleitet. Bis 16 Uhr besteht dann die Möglichkeit, die Ulmer Schachtel zu besichtigen und mit der Mannschaft und dem Kapitän Martin Grimmeiß ins Gespräch zu kommen. „Wir freuen uns, auf unserer jährlichen Zillenfahrt endlich wieder Station in Donauwörth machen zu können, und hoffen, dass dies in Zukunft wieder regelmäßig stattfinden kann“, sagt Andreas Hu- ber, Vorstand der Gesellschaft der Donaufreunde Ulm.
Große Hoffnungen, dass die Zille bald wieder dauerhaft hier anlegen kann, verbindet die Stadt mit dem EU-Förderprojekt „City-River“, welches in Kooperation mit den Bayerischen Elektrizitätswerken auf den Weg gebracht wurde. Mit im Boot sind auch Wasserbauexperten von den Universitäten in München und Innsbruck. Es geht dabei um Projektmittel von vier Millionen Euro, verteilt auf vier Jahre. Die Stadt Donauwörth muss davon 400 000 Euro selber aufbringen. Oberbürgermeister Armin Neudert und die Stadträte sehen darin eine Chance, etwas zu schaffen, von dem sowohl die Bürger profitieren als auch der Tourismus.
Ziel ist es, das Donaubett so zu stabilisieren, dass die Ulmer Schachtel, aber auch Kajaks, Kanus und andere Donauwörth ungefährdet auf dem Wasserweg anfahren und passieren können.
Die Geschichte der Ulmer Schachtel geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Diese Wasserfahrzeuge mit einem Hausaufbau auf dem Deck waren bis zu 30 Meter lang und 7,5 Meter breit und dienten zum Schutz wertvollerer Ladung und von Passagieren. Sie trieben mit Stangen gelenkt auf der Donau flussabwärts.
In Ulm heißen diese Wasserfahrzeuge nach ihrem Zielort „Wiener Zillen“. Heute nennt man sie bekanntlich „Ulmer Schachteln“. Der Name der Ulmer Schachtel stammt erst aus dem 19. Jahrhundert und beruht darauf, dass diese Zillen in Ulm gebaut wurden und die Stadtfarben, ein schwarz-weißes Streifenmuster, trugen. Als Schachtel wurden sie insbesondere im Württembergischen, wegen ihrer äußerst einfachen Konstruktion, verspottet.
Mit den Wiener Zillen wurden in regelmäßig wöchentlichem Schiffsverkehr von Ulm aus Waren und Personen nach Regensburg, Passau, Linz, Wien, Budapest oder Belgrad transportiert. Wein, Schnecken, Ulmer Leinwand, Erzeugnisse der Ulmer Wollweber, Birnenschnitze, Hutzeln, Rüben, Ulmer Spielkarten und Oblaten waren frühe ExportSchlager.
Von 1804 bis 1818 gelangten tausende Auswanderer, die sich in Ulm auf Flößen und Ulmer Schachteln einschifften, die Donau abwärts bis ins Mündungsgebiet am Schwarzen Meer, aus denen sich die Volksgruppen der Bessarabien-, Dobrudschaund Schwarzmeerdeutschen bildeten.
Der Konkurrenz der Eisenbahn konnte die Donauschifffahrt auf Dauer nicht trotzen. Und so legte 1897 die letzte gewerbliche Wiener Zille in Ulm ab.
Eine neue, touristische Art der Schachtelfahrten entstand kurz danach, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Daraus ist übrigens die Gesellschaft der Donaufreunde hervorgegangen, deren Tradition bis 1914 zurückreicht.