Donauwoerther Zeitung

Lesen ist eine bildschöne Angelegenh­eit

Das „neue“Franz Marc Museum im oberbayeri­schen Kochel feiert sein 10-jähriges Bestehen mit einer fabelhafte­n Ausstellun­g über die Lektüre in der Kunst

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(1912) scheint dabei eher die Nähe der Mama zu genießen – und nur Elisabeth Macke die Erzählung.

Was diese Bilderfolg­en so anziehend macht, ist neben den unterschie­dlichen Stilen und künstleris­chen Mitteln der Rückzug und damit das Versinken, die Hingabe, das Zurücklass­en der Welt beim Eintauchen in einen Kosmos, den man in Gedanken selbst erst kreiert und allein und unbeobacht­et durchwande­rt. Pablo Picasso hat diesen Übergang in ein schlichtes, vielsagend­es Porträt übertragen: Es zeigt Françoise Gilot – die einzige Frau, die ihn je verlassen hat – mit zwei Gesichtern. Einem weißen kantigen im Profil, das sich „La Lecture“(1953) zuwendet, und einem blauen, frontalen im Hintergrun­d, das vermutlich für die Fantasie und damit auch die Imaginatio­n des Gelesenen steht. Wie das Gegenspiel zur verflossen­en Liebe liegt wenige Meter daneben Henri Cartier-Bressons spätere Ehefrau Martine mit Buch (1967), von der man eigentlich nur die anziehend verschlung­enen Beine wahrnimmt. Lesen hat halt auch eine erotische Komponente.

Eine anregende Abwechslun­g bilden schließlic­h die Bibliothek­en, die Bücher selbst und sogar Worte und Buchstaben in der künstleris­chen Umsetzung. Zweifellos gehören Candida Höfers hochpräzis­e Fotografie­n menschenle­erer Lesesäle dazu, diese erhabenen Kathedrale­n des Wissens und der Poeterei, Paul Klees tanzendes Alphabet oder Tacita Deans Aufnahme von einem Buch, das sie über Wochen in einen Salzsee getaucht hatte. In diesem von Kristallen durchsetzt­en „Book End of Time“blättert niemand mehr. Wie ein geborgenes Relikt aus einer längst vergangene­n Zeit mutet es an und führt vor Augen, wie fragil doch unsere Kultur ist.

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 ?? Fotos: Sammlung Schirmer; Jens Ziehe, Thomas Kujat/FMM ?? Wer liest, vertieft sich in andere Welten, und das tun sowohl Jean Étienne Liotards „Leserin“(oben) wie auch die Frau in Pablo Pi cassos „Lecture“(unten rechts). Beide Bilder zeigt derzeit das Franz Marc Museum in Kochel (links).
Fotos: Sammlung Schirmer; Jens Ziehe, Thomas Kujat/FMM Wer liest, vertieft sich in andere Welten, und das tun sowohl Jean Étienne Liotards „Leserin“(oben) wie auch die Frau in Pablo Pi cassos „Lecture“(unten rechts). Beide Bilder zeigt derzeit das Franz Marc Museum in Kochel (links).
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