Grandios und unvergesslich
Die Bayerische Kammerphilharmonie ließ Frankreich in musikalisch betörender Weise auf der Bühne lebendig werden
Kaisheim Es gibt Konzerte, die man nicht wieder vergisst. Das Konzert der Bayerischen Kammerphilharmonie mit den Solisten Andreas Mildner, Nora von Marschall und Alexander Schimpf im Kaisersaal in Kaisheim gehört dazu. Die Solisten: Meister ihrer Instrumente, Hochschullehrer und Interpreten von Weltruhm. Das Ensemble gleich nach der Gründung bedeutend ausgezeichnet, seitdem im In- und Ausland höchst erfolgreich konzertierend. „Vive la France“– Frankreich lebe hoch! Vor allem die aufgeführte, von den französischen Komponisten Claude Debussy, Albert Roussell, Jean Françaix stammende Musik, und des in Frankreich lebenden Polen Frédéric Chopin. War Frankreich doch in dieser Zeit das Land, in dem aufregend neue Musik geschrieben wurde; deutsche Romantik durchaus geschätzt, als inspirierend erlebt wurde – aber neue Wege beschritten wurden, aus dem Impressionismus in die Neoklassik.
Ein spannungsvoller Beginn mit dem in Deutschland kaum bekannten, in Frankreich berühmten Albert Roussell, der, früh verwaist, ein „erstes“Leben als Matrose auf einem Panzerkreuzer führte, ehe er sich zu seiner musikalischen Begabung be- kannte. Im Konzert nun seine „Sinfonietta für Streicher op. 52“– nicht das „Leichte“, Flirrende der Impressionisten – sein Wissen um die Musik von Palestrina oder Bach war profund. Im Vergleich mit den Zeitgenossen Claude Debussy oder Gabriel Fauré sind seine Werke „schwerer“, dominieren eigenwillige Rhythmen, Polyfonie, lang ausgesponnene Melodien – aber eben auch „café-concert“und Jazzrhythmen, gepaart mit französischem Esprit. Seine Musik mit teilweise gewagten Harmonien verbindet Spätimpressionismus und die Moderne seiner Zeit. Auf der Bühne wunderbares Musizieren – im Saal gebannte Neugierde, dann Begeisterung.
Dann sehr Impressionistisches: Claude Debussys „Danse sacrée et danse profane für Harfe und Streicher“, vergeblich geschrieben als Werbung für eine chromatische Harfe der Firma Pleyel, mit zauberschönen Danses, die zum festen Repertoire aller Harfenisten gehören. Am Abend gespielt auf einer Doppelpedalharfe, dem damaligen Konkurrenzmodell, von dem wunderbaren Andreas Mildner. Seine sprechende Mimik und Gestik anzusehen, ihm zu lauschen, im weihevollen Schreittanz, im beschwingten „profanen“Tanz – die Interaktion mit den Streichern zu erahnen: pure Klangschönheit entsteht. Hinreißende Musik, hingerissenes Publikum.
Jean Françaix „Concerto pour 2 harpes et 11 instruments á cordes“war ein musikalischer Rausch, entsprechend seinem Motiv „musique pour faire plaisir“zu komponieren. Dieses von Andreas Mildner und Nora von Marschall zelebrierte Harfenduett war rhythmische Raffinesse, originelle, komplexe Eleganz, witziger und strahlender ErfinKaisheimer dungsreichtum bei einfachen Harmonien: Dem Ritter der Ehrenlegion waren Atonalität und Kakofonie ein Graus. Mildner und von Marschalls Zusammenspiel war grandios. Da war ein Verstehen, ein Wechsel der Melodieführung, der Stimmung, die den Zuhörer in Bewunderung versetzte. Das Zusammenwirken mit dem Orchester, der ersten Geige von Gabriel Adorjan, war faszinierend. Ein Zauberstück. Der Beifall währte, enthusiastisch, lang – eine kleine Miniatur für zwei Harfen dankte.
Chopin und sein romantisches Virtuosenkonzert, das Klavierkonzert Nr. 2 f-moll op. 21, wurde vom Weltklassepianisten Alexander Schimpf vorgestellt. In diesem von wunderbaren Melodien, tiefen Gefühlen, einer Fülle von Stimmungen und technischen Finessen durchzogenen Konzert steht das Klavier im Zentrum. Das Orchester begleitet zurückhaltend, unterstreicht Farben und Spannungsbögen. Schimpf spielte beseelt den sehr virtuosen, frei zu gestaltenden Solopart, gestaltete traumhaft eine farbenreiche Gefühlspalette. Der begeistert gefeierte Pianist bedankte sich seinerseits, sehr bewegt und zart, mit Robert Schumanns „Träumerei“– ein denkwürdiger Abend mit einem zauberhaften Abschluss...