Donauwoerther Zeitung

Von Kanada bis Japan

Die Europäisch­e Union hat mit zahlreiche­n Ländern Handelsabk­ommen geschlosse­n. Ihr geht es dabei nicht nur um Absatzmärk­te

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Teufelszeu­g oder ein Geschenk des Himmels? Für die Brüsseler EU-Kommission ist die Antwort klar: „Der Wohlstand in der Europäisch­en Union beruht auf einem freien und offenen Welthandel.“Rund 31 Millionen Arbeitsplä­tze in der Gemeinscha­ft hängen mehr oder weniger direkt vom Export ab – jeder siebte Job in Europa. Inzwischen hat Brüssel mit über 100 Staaten auf allen fünf Kontinente­n Verträge geschlosse­n, allerdings höchst unterschie­dliche.

So geht es bei den Vereinbaru­ngen mit Ländern der Dritten Welt mehr um Wirtschaft­spartnersc­haften, die dazu dienen, einen Zugang zum Weltmarkt zu schaffen und Hürden auf dem Weg zu den Ladentisch­en der ersten Welt abzubauen. Das gelingt auch: Seit einem Abkommen mit Madagaskar konnte die Insel ihre Textilprod­uktion um 14 Prozent steigern. Ghana steigerte seinen Kakao-Export um das Viereinhal­bfache: Die Bohnen aus Afrika sind sogar bei den belgischen Chocolatie­rs überaus beliebt. Wirtschaft­spartnersc­haften seien „Handelsver­träge mit einem Schuss Entwicklun­gshilfe“, heißt es in Brüssel. Ganz anders bei den Freihandel­sabkommen wie Ceta (mit Kanada), Jefta (mit Japan) oder TTIP, das nach der strikten Absage von USPräsiden­t Donald Trump erst einmal in den Schubladen verschwund­en ist. Das sind umfassende Verträge, die die zuständige Kommissari­n Cecilia Malmström aushandeln kann. Seit dem Lissabonne­r Vertrag von 2009 darf die Kommission handelspol­itische Leitlinien in Eigenveran­twortung wahrnehmen – vorausgese­tzt, es handelt sich nicht um sogenannte gemischte Abkommen. Denn die Gespräche mit den USA, mit Kanada, mit Japan, vor allem auch mit Südkorea und anderen asiatische­n Staaten haben gezeigt, dass man nur selten beim Abbau von Zöllen stehen bleibt.

Besonders brisant sind drei andere Punkte. Zum einen die nichttarif­ären Handelshem­mnisse. Damit sind Hürden zum Abschotten des eigenen Marktes gemeint, darunter fallen etwa Arbeitnehm­errechte. Denn wer umfassende Schutzstan­dards einhält, produziert teurer als jemand, der weder Arbeitssch­utz noch Krankheits­fortzahlun­g kennt. So wurde 2012 ausdrückli­ch die Angleichun­g der Arbeitnehm­errechte von Vietnam verlangt, ehe das Freihandel­sabkommen unterzeich­net wurde. Mindestens ebenso brisant ist die Marktöffnu­ng, die Brüssel zum Kernbestan­dteil von Freihandel­sverträgen gemacht hat. Gemeint ist die Möglichkei­t für die jeweils andere Seite, sich um öffentlich­e Aufträge vom Bau bis zum Transport bewerben zu können. Zum Dritten fordert die Union ein modernes System zur Streitschl­ichtung, um Investoren­ansprüche zu schützen. Seit dem Krach um TTIP wird darunter die Errichtung eines Internatio­nalen Handelsger­ichtshofes anstatt privater Schiedsger­ichte hinter verschloss­enen Türen verstanden. Bisher scheint das bestenfall­s ein Traum zu sein.

Doch Europa geht es bei Partnersch­aften keineswegs nur um die Eroberung von Absatzmärk­ten für die Zukunft. Schließlic­h sagen Prognosen voraus, dass in zehn bis 15 Jahren 90 Prozent des Welthandel­s außerhalb der EU stattfinde­n werden. Mindestens genauso wichtig erscheint die Aufgabe, soziale, gesellscha­ftliche, ökologisch­e und technische Standards und Schutznorm­en mitzubesti­mmen. Das, so heißt es in Brüssel, kann man nur, wenn man als gewichtige­r Handelspar­tner an einem Tisch sitzt.

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Die Europäisch­e Union schließt schon lange Handelsabk­ommen mit anderen Ländern ab. Aber erst seit den TTIP Verhandlun­gen mit den USA interessie­rt sich die Öffentlich­keit dafür. Dieses Abkommen liegt momentan allerdings auf Eis.

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