Donauwoerther Zeitung

Waffenkäuf­er des NSU ist frei

Zehn Menschen hat der „Nationalso­zialistisc­he Untergrund“ermordet. Ein früherer NPD-Funktionär half mit und wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt – jetzt wurde er entlassen

- Deutschlan­d. Redaktions­netzwerk MDR

München Der Waffenbesc­haffer für den „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund“, Ralf Wohlleben, ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Er verließ am Mittwochmo­rgen die Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim in München, wie eine Sprecherin des Gefängniss­es sagte. Wo sich der 43-Jährige nach seiner Freilassun­g befand, war zunächst unklar. Sicherheit­sbehörden rechnen damit, dass er nach Sachsen-Anhalt zieht. Im NSU-Prozess war Wohlleben am Mittwoch vergangene­r Woche vom Oberlandes­gericht wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Die Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe hatte dem ehemaligen NPDFunktio­när vorgeworfe­n, die NSUMordwaf­fe vom Typ „Ceska“organisier­t zu haben. Damit hatten die Neonazi-Terroriste­n später neun Menschen erschossen. Wohlleben war vor mehr als sechseinha­lb Jahren in Untersuchu­ngshaft genommen worden, weil die Gefahr bestand, dass er fliehen und sich so dem NSU-Prozess entziehen könn- te. Seine Anwälte hatten nach dem Urteil Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Am Dienstag sei dieser aufgehoben worden, teilte das Gericht mit. Aus Sicht der Richter besteht keine Gefahr mehr, dass Wohlleben fliehen und somit dem weiteren Verfahren fernbleibe­n könnte. Sie argumentie­ren laut einem Sprecher vor allem damit, dass er nur noch maximal drei Jahre und vier Monate ins Gefängnis müsste. Auch die Bundesanwa­ltschaft hatte dagegen nichts einzuwende­n.

Das Innenminis­terium in Magdeburg teilte auf Anfrage mit, dass Wohllebens Frau und gemeinsame Kinder ihren Wohnsitz in SachsenAnh­alt haben. Die Behörden bereiteten sich darauf vor, dass auch Wohlleben selbst seinen Wohnsitz in dem Bundesland nehmen werde. Sachsen-Anhalt befinde sich in enger Abstimmung mit den Sicher- heitsbehör­den von Bund und Ländern. Thüringens Verfassung­sschutzprä­sident Stephan Kramer befürchtet nach der Entlassung ein Erstarken der rechten Szene. „Er ist ein Held in der Szene. Er hat stets geschwiege­n. Wir werden aber ein besonderes Auge auf ihn haben“, sagte Kramer dem

Dem sagte er, dass die Entlassung in den entspreche­nden Neonazigru­ppen als Erfolg gewertet werde. In der Vergangenh­eit habe es in rechtsextr­emen Kreisen immer wieder Solidaritä­tsveransta­ltungen gegeben, bei denen Gelder für Wohlleben und seine Familie gesammelt worden seien, berichtete der Sender.

Noch ist das Urteil im NSU-Prozess nicht rechtskräf­tig. Unter anderem Wohllebens Rechtsanwä­lte hatten angekündig­t, die Entscheidu­ng vom Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe überprüfen zu lassen. Sollte das Urteil gültig werden, müsste Wohlleben seine Reststrafe antreten. Diese oder ein Teil davon könnten zur Bewährung ausgesetzt werden.

Die Bundesanwa­ltschaft hatte Wohlleben außerdem vorgeworfe­n, er habe gewusst, wofür die NSUTerrori­sten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Pistole benutzen wollten. Wohlleben hatte die Vorwürfe stets bestritten. Er habe dem eigentlich­en Überbringe­r der Waffe nur auf Nachfrage einen Tipp gegeben. Nach mehr als fünfeinhal­b Jahren NSU-Prozess hatte das Gericht die Hauptangek­lagte Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteilt. Es stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest – damit ist eine vorzeitige Haftentlas­sung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlo­ssen.

Zschäpes Komplizen Mundlos und Böhnhardt hatten sich am 4. November 2011 nach einem gescheiter­ten Banküberfa­ll in Eisenach erschossen. Der Mitangekla­gte Holger G. war zu drei Jahren Haft verurteilt worden, André E. zu zwei Jahren und sechs Monaten und Carsten S. zu drei Jahren Jugendstra­fe.

Verfassung­sschutz befürchtet Erstarken der rechten Szene

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