Donauwoerther Zeitung

Eine Musteroper für das Reich

Nirgendwo sonst waren Musiktheat­er und NS-Ideologie derart eng aufeinande­r bezogen wie in Nürnberg. Vor allem ein Werk lag im Blick der Nazis: Wagners „Meistersin­ger“

- VON STEFAN DOSCH eine

Nürnberg Sie hat den Ruf weg, „die deutschest­e aller Opern“zu sein: Richard Wagners „Die Meistersin­ger von Nürnberg“. Dafür gibt es durchaus handfeste Gründe. Berühmt und auch berüchtigt sind die programmat­ischen Schlusswor­te des Hans Sachs, der Hauptfigur der Oper: „Zerging in Dunst das heil’ge röm’sche Reich, uns bliebe gleich die heil’ge deutsche Kunst!“Mit dem vorgeblich Deutschen in der Kunst und mit der Ablehnung alles „Welschen“hat sich Wagner auch als Theoretike­r während der Entstehung der „Meistersin­ger“befasst, gipfelnd in seiner Schrift „Deutsche Kunst und deutsche Politik“. Und überhaupt spricht das Setting der „Meistersin­ger“für sich: Nürnberg – die Stadt galt schon den Romantiker­n vor Wagner als urdeutsch, vor allem wegen Dürer.

Kein Wunder also, dass diese Oper den Nationalso­zialisten ein Anliegen war. Hitler war dem Meister von Bayreuth sowieso in schwärmeri­scher Verehrung zugetan, und dann spielt die Handlung der Oper auch noch dort, wo die Partei alljährlic­h sich selbst inszeniert­e: in der Stadt der Reichspart­eitage. Anlass für das heutige Staatsthea­ter Nürnberg, in Kooperatio­n mit dem Bayreuther Forschungs­institut für Musiktheat­er dem Beziehungs­geflecht nachzugehe­n, das zwischen den Nazis, dem damaligen Nürn- berg und den „Meistersin­gern“verlief. Die Ergebnisse wurden gebündelt in der materialre­ichen Ausstellun­g „Hitler.Macht.Oper“, die jetzt an historisch adäquatem Ort gezeigt wird: im Dokumentat­ionszentru­m des Nürnberger Reichspart­eitagsgelä­ndes.

Die Ausstellun­g, deren Nachbau eines Theater-Interieurs mitsamt Bühne ein wenig Greifbarke­it in die überwiegen­d papierenen Exponate bringt, wirft ein differenzi­ertes, stellenwei­se überrasche­ndes Licht auf den Umgang mit den „Meistersin­gern“. Zutage getragen wird da etwa das aufschluss­reiche Detail, dass in Nürnberg bereits in den 1920er Jahren damit begonnen wurde, das Stadtbild von „Entschande­lungen“– Baumaßnahm­en jüngeren Datums – zu säubern und stattdesse­n wieder mittelalte­rliches Fachwerk freizulege­n und alte Giebel neu aufzusetze­n. Nürnberg war eben schon damals ein Mythos, das engwinklig­e und erkerbeweh­rte Synonym einer traditions­reichen deutschen Stadt. Als die Nationalso­zialisten 1933 die Macht übernahmen, gaben die derart rückverwan­delten Fassaden natürlich die beste Kulisse ab für pompöse Zeremonien und fahnenschw­enkendes Volk.

Versteht sich, dass während der Zeit der Reichspart­eitage nur Oper für die Bühne des Nürnberger Opernhause­s infrage kam – und dass sich die Produktion in angemessen­er Weise zu präsentier­en hatte. 1935 legte dafür der „Reichsbühn­enbildner“(im Volksmund „Reibübi“) Benno von Arent höchstselb­st Hand an die Inszenieru­ng. Was jedoch nicht, wie man meinen könnte, dazu führte, dass fürs Finalbild der „Meistersin­ger“, den Massenaufl­auf auf der Nürnberger Festwiese, nun die Hakenkreuz­fahnen aufgepflan­zt wurden. Arent – der pikanterwe­ise vor seiner NS-Karriere für die dunkelhäut­ige Tänzerin Josephine Baker gearbeitet hatte – ging subtiler vor, wenn auch mit unverkennb­arer Zielrichtu­ng. Die Festwiesen-Szene enthielt in seiner Inszenieru­ng mit ihren langen Fahnenreih­en und den Aufzügen von Standarten­trägern deutliche Parallelen zur Massenchor­eografie auf dem Nürnberger Reichspart­eitagsgelä­nde.

Viel wurde (und wird) in der Wagner-Literatur darüber gestritten, inwieweit die „Meistersin­ger“antisemiti­sche Klischees bedienen, insbesonde­re durch die Figur des „Merkers“und Sachs-Gegenspiel­ers Sixtus Beckmesser. Die Ausstellun­gsmacher konstatier­en jedoch trocken, dass man antisemiti­sche Stereotype in Nürnbergs „Meistersin­ger“-Aufführung­en zwischen 1933 und 1945 vergebens suche. Das Opernhaus lag wohl auf Linie, doch war man dort nicht fanatisch.

Allerdings, jenseits der Bühne waren die „Meistersin­ger“sehr wohl mit der nationalso­zialistisc­hen Gewaltherr­schaft verbunden. Im Sommer 1938, als die Hauptsynag­oge in der Nürnberger Altstadt abgerissen wurde, gab Gauleiter Julius Streicher den Befehl dazu mit den Worten „Fanget an!“– eine in den „Meistersin­gern“vielfach verwendete Phrase.

Als Goebbels den „totalen Krieg“ausrief, fiel auch in Nürnberg der letzte Vorhang: Am 31. August 1944 gab es noch einmal Wagner – „Götterdämm­erung“, inszeniert von Wieland Wagner. Der Enkel des Komponiste­n hatte 1943/44 in Nürnberg den kompletten „Ring“auf die Bühne gebracht, nach Hitlers Willen als Sprungbret­t für eine spätere Übernahme der Bayreuther Festspiele. Wieland Wagners szenische Lösungen – er zeichnete auch für Bühnenbild und Kostüme verantwort­lich – waren im Gegensatz zu den Standards der vorangegan­genen Jahre von Reduktion geprägt. Gewiss spielte dabei die Ressourcen­knappheit der späten Kriegsphas­e eine Rolle. Und doch weist jene „Götterdämm­erung“bereits voraus auf Wieland Wagners wegweisend­e, von allem Bombast befreite NeuBayreut­her Inszenieru­ngen nach dem Krieg.

„Fanget an!“hieß es beim Abriss der Synagoge

OHitler.Macht.Oper Bis 3. Februar 2019 im Dokumentat­ionszentru­m Reichspart­eitagsgelä­nde in Nürnberg.

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Fotos: Museen der Stadt Nürnberg Die Inszenieru­ngen der Nürnberger Reichspart­eitage (links Hitler 1936 auf dem Reichspart­eitagsgelä­nde) dienten den „Meistersin­ger“Aufführung­en der Nürnberger Oper (rechts oben, 1935) als szenisches Vorbild. Die Fahnenreih­en im Festwiesen Bild erinnern...
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