Zwei Schwestern – ein Klang
Das international gefragte Klavierduo Ina und Anna Walachowski war glänzend unterwegs auf den Tasten des Blüthner-Flügels in Leitheim
Kaisheim Leitheim Sommer, im Konzert: Die Chinoiserien an den Wänden des Rokokosaales sehen im Sonnenglast immer so aus, als würden sie mittanzen wollen. Am späten Nachmittag zwei Schwestern an einem Flügel, das international konzertierende Klavierduo Ina und Anna Walachowski, beide gemeinsam bestens unterwegs auf den Tasten eines Blüthner-Flügels.
Eine nette Pointe gleich anfangs – auch Profis können mal die Noten in den Vortragssaal mitzubringen vergessen. Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate C-Dur KV 521 stand am Beginn – zwei Schwestern, ein Klang! Mozart hätte seine Freude an der Wiedergabe seines Werkes gehabt. Zählt er doch zu den Komponisten, die gern Werke für vierhändiges Spielen komponierten – hier spielt sicher die Kindheit mit seiner Schwester Nannerl eine Rolle. Das ausgeprägt homogene Spiel der Schwestern kam in diesem Werk, in dem beide Spieler Wesentliches zu erzählen haben, wunderschön zur Geltung. Der gemeinsame Atem, das intensive, aufeinander hörende Spiel war beeindruckend.
Die Klassik dominierte den ersten Teil. Auch Franz Schubert gehörte zu den Komponisten, die mit größter Meisterschaft und gern für vierhändiges Klavier schrieben. Die im Konzert aufgeführte Fantasie f-moll op. 103 D 940 und das Allegro a-moll op. 144 D 947 sind beide in Schuberts letztem Lebensjahr ent- Die „Fantasie“besteht aus vier verbundenen Sätzen, Allegro molto moderato, Largo, Scherzo. Allegro vivace und Finale. Allegro molto moderato.
Wieder war im hingebungsvollen Spiel mit sanften Übergängen, warmen Phrasierungen die gestalterische Kraft der Schwestern zu spüren, im lyrischen Nachspüren des ersten Satzes, dem Wechsel aus Fortissimo zu einem ruhigen zweiten Thema, dem lebhaft-hellen dritten Satz, und dem wunderbaren Schlusssatz. Das „Allegro“trägt auch die Bezeichnung „Lebensstürme“.
Dieses Werk, das möglicherweise als erster Satz einer Sonate gedacht war, ist überwältigend. Neapolitanische Sextakkorde im Ausdruck von Schmerz und Leid, fast übermäßige Chromatik und Stimmungswechsel, aus tiefster Trübnis in helle Leichtigkeit, fast Gesanglichkeit, fordern von den Interpreten Enormes. Das Duo meisterte die Anforderungen bravourös.
Von Antonin Dvoráks OhrwurmPretiosen, seinen „Slavischen Tänze“op. 46, original für Klavier zu vier Händen komponiert, wählten die Schwestern aus den 16 Kompositionen, die zu den bekanntesten Werken des tschechischen Komponisten zählen, fünf aus der ersten Reihe aus: Nr. 1 D-Dur (presto), Nr. 2 e-moll (Allegretto Scherzando), Nr. 5 A-Dur (Allegro Vivace), Nr. 6 D-Dur(Allegretto scherzando) und Nr. 8 g-moll (Presto).
Diese Musik mit den so charakteristischen Mustern böhmischer und mährischer Volkstänze liegt den Schwestern offensichtlich im Blut. Anmutig, beseelt, beschwingt, aber auch mit einem kräftigen Griff in die Tasten, Aplomb und wenn nötig einem nachdrückli- chen Fortissimo – und einem herzstanden. lichen Lächeln. Begeisterter Beifall war den Pianistinnen gewiss.
Ihr bravouröses Bonbon aber hatten sich die Schwestern bis zuletzt aufgehoben: Maurice Ravels Boléro. Als Bühnenmusik, für das Ballett komponiert, laut einem Zitat Ravels „ein einsätziger Tanz, sehr langsam und ständig gleichbleibend, was die Melodie, die Harmonik und den ununterbrochen von einer Rührtrommel markierten Rhythmus betrifft. Das einzige Element der Abwechslung ist das Crescendo des Orchesters“– ist heute ein Konzertklassiker – auch in der Fassung für Klavier zu vier Händen.
Im 17 Minuten langen, progressiven Crescendo spielt die zweite Pianistin in Endlosschleife, wie ein Metronom, den Ostinato-Rhythmus im 3/4 Takt, wiederholt die Figur 169 Mal. Pianistin Nummer eins wiederholt ihre zwei 16-taktigen Melodien insgesamt 18 Mal, 300 Takte lang, die sie dabei weder bedeutend variiert noch entwickelt. Nur am Schluss, der von C-Dur nach E-Dur kippt.
Mit stupender Brillanz – oder grenzt das schon an Stoizismus? – hielten die beiden Schwestern den penetranten Gleichlaut durch und ernteten ob ihrer Bravour Jubel und Bravorufe. Bei der Premiere 1928 soll eine Zuschauerin ausgerufen haben „Hilfe, ein Verrückter“, und Ravel nur trocken erwidert haben: „Die hat verstanden.“Die Wiederholung eines der slavischen Tänze rundete das heftig gefeierte Konzert passend ab und hinterließ so lauter glückliche Zuhörer!