Wunderkinder und Demograttler
Musikkabarett Gerhard Polt und die drei Well-Brüder gastieren in Döckingen. Wie das Quartett noch immer begeistert und welches Gstanzl sogar bis in den Landkreis Donau-Ries reicht
Döckingen Als „anarchische Seele des Volkes“wurden die Well-Buben einst bezeichnet, als sie unter dem Namen Biermösl Blosn mit rotzfrechen Liedern und Texten gegen Obrigkeiten, Parteien und Eliten aufbegehrten. Nach einer personellen Umbesetzung vor sechs Jahren ist das Trio als „Well-Brüder aus’m Biermoos“unterwegs und hat kaum an satirischer Schärfe eingebüßt. Wenn dann noch einer der inzwischen raren Auftritte mit Gerhard Polt, dem Großmeister des bayerischen Kabaretts, herausspringt, dann ist Hochstimmung im Publikum garantiert – so wie im mit rund 1300 Besuchern voll besetzten Festzelt in Döckingen.
Ins Programm starten die Musiker mit regionalen Gstanzln, die sogar bis Nördlingen reichen („do wird den Kindern die Unendlichkeit so erklärt: des is’ wenn der Wemdinger Tunnel fertig werd’“). Dann Polt dran, der sich als kleingeistiger Reihenhausbewohner an seinem Nachbarn, dem „Schauspieler Ranftl“abarbeitet, der laufend gegen die Grillverordnung verstößt und deshalb mittels einer Drohne überwacht werden muss.
Im steten Wechsel bestreitet das kongeniale Quartett das Programm. Die Well-Brüder besingen den „Schweinsbraten für Europa“, den „Kreuzzug des Franken-Ayatollahs“Söder oder die „Devotionalien im Haus der bayerischen Geschichte“– von Guttenbergs Doktor-Arbeit bis zu Wiesheus Alkohol-Röhrchen. Dazwischen zeigen Stofferl, Karli und Michael Well immer wieder, welch großartige Instrumentalisten sie sind – egal, ob sie „Händels große Feuerwehrmusik in vier Sätzen“intonieren, an Harfe und Drehleier glänzen, oder ihren fünf Meter langen Alphörnern Beethovens „Freude schöner Götterfunken“entlocken.
Polt wiederum schlüpft in die verschiedensten Rollen. Das ist einmal der „echte Rentner, kein Frührentner oder so was“, der als Opa versucht, seinem Enkel „ein Menschenbild“zu vermitteln, sich dabei allerdings als bornierter Zeitgenosse mit sehr speziellem Politikverständnis erweist („ohne Geld bist du in der Demokratie nur ein Demograttler“). Es sind die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die Polt in seinem ureigenen und unverwechselbaren Stil karikiert und überzeichnet, sodass wir sie alle zu kennen glauben: Die Dame, die sich über die „geschupften Mütter“echauffiert, die „um ihre Wunderkinder herumhelikoptern“oder den Schnorrer, der seinen Kumpel ausnimmt („da Kare is a Depp, aber man kann ihn anpumpen“).
Flott und abwechslungsreich geht es durch den Abend. Die Well-Brüder starten einen Hochgeschwindigkeits-Streifzug durch die Historie Bayerns („Auf beim Spund, d’ Welt geht z’grund“), bieten mit Schuhist plattler, Bauchtanz und HighlandDance den „Volksmusik-Androiden aus dem Fernsehen“die Stirn, und haben mit „40 Cent“sogar einen astreinen Rap im Repertoire, der vom Publikum lautstark mitgesungen wird. Polt brilliert, wenn er als indischer „Monsignore Prabang“und neuer „Pfarrer von Oberschweinbach“radebrechend seine Probleme beschreibt („This is correct – church empty“). Oder wenn er unsäglich banale Interview-Formate im Hörfunk vorführt („Fiftyfifty – der Smalltalk mit Titzi“).
Wie im Flug vergehen zwei Stunden mit großartigem Musikkabarett von einem – trotz rund 40 gemeinsamer Bühnenjahre – bestens aufgelegten und vor allem authentischen Ensemble. Handverlesene bayerische Originale, die sich Bodenhaftung mit einem Schuss Anarchie bewahrt haben und mit Scharfsinn und Inspiration den viel zitierten Zeitgeist am Nasenring durch die Manege ziehen.