Es war einmal ein Siegerflieger
Die Luftfahrt dient der Menschheit spätestens seit der Antike als Lehrbeispiel für das Leben an sich. Da konnte es sich der Hallodri Ikarus doch nicht verkneifen, der Sonne entgegenzustreben. Er bezahlte dafür mit dem Leben. Schmelzendes Wachs, auseinanderfallende Flügel, Sturz ins Wasser. Lebbe geht nimmer weida, würde der Philosoph Dragoslav Stepanovic sagen. Die Moral von der Geschicht: Mensch, bleib bei deinen Leisten. Der Weg vom armen Ikarus zu den reichen Fußballmillionären ist nicht weit. Neben mancher Jacht ist das Flugzeug des Kickers liebstes Fortbewegungsmittel. Freilich genießt er auf seinen Reisen größeren Komfort. Ikarus musste über Kreta schwebend noch auf die Playstation verzichten. Was Fußballer und des Dädalus’ Sohn aber noch viel mehr eint als das Dahingleiten im Wind, ist der Hang zum Übermut. Manchmal auch zur Maßlosigkeit.
Absurde Gehaltsforderungen werden nur noch von der Bereitschaft der Vereine übertroffen, diesen auch zu folgen. Der Deutsche Fußball-Bund wollte da nicht gegensteuern. Im Gegenteil. Aus dem Produkt Nationalmannschaft sollte größtmöglicher Profit geschlagen werden. Also firmiert die Auswahl begabter Fußballer allenthalben als Die Mannschaft. Die
Mannschaft war in der Tat vor nicht allzu langer Zeit recht erfolgreich. Aus Brasilien brachte sie 2014 sogar den WM-Pokal mit. Sie transportierte ihn von Südamerika nach Berlin im Siegerflieger. So nämlich taufte die Lufthansa die Boeing 747 nach dem gewonnenen Finale. Spätestens seit dem WM-Aus 2018 aber trifft das mit dem Siegerflieger nicht mehr zu. Der Lack ist ab. Der Schriftzug wurde in den vergangenen Tagen entfernt. Jenes Flugzeug, das als Siegerflieger in den vergangenen Jahren zwischen Frankfurt, Kapstadt und Buenos Aires pendelte, fliegt nun wieder unter seinem ursprünglichen Taufnamen: Potsdam. Zurück zum Anfang. Auch das kann die Nationalmannschaft als beispielhaft empfinden. Und wieder sind Antike und Luftfahrt nicht weit. Denn wer, wenn nicht Phönix, lehrt, dass nach einem Zyklus ein ebenso schöner neuer entstehen kann?