Die Vorstufe zum Paradies
Serie (4) Der Garten von Helga und Hermann Sprater aus Sallach ist ein nach und nach gewachsenes Idyll. Zu den meisten Pflanzen und Gegenständen kann das Ehepaar Geschichten erzählen
Rain Sallach/Gempfing Irgendwo im Nirgendwo zwischen Sallach und Gempfing liegt nahe Feldern und Wäldern eine Oase, die man dort gar nicht vermutet. Wer den Weg dorthin findet – ein wenig versteckt, ein wenig abseits der Straße – stößt auf einen knapp 4000 Quadratmeter großen Garten, der über Jahrzehnte entstanden ist – nie wirklich geplant, immer aus der Situation heraus gewachsen, stimmig und naturnah. Dort sagen sich buchstäblich Fuchs und Hase gute Nacht. Dort queren Rehe das Gelände, sind Igel unterwegs, drehen Eichelhäher ihre Runden, bedienen sich Eichhörnchen bei den Nüssen, schlüpfen Insekten ins Baumhotel und suchen Bienen gerne die für sie aufgestellten Tränken auf. Überhaupt sind Tiere aller Art herzlich willkommen – und nicht nur sie.
Der Garten von Helga und Hermann Sprater aus Sallach ist ein Sehnsuchtsort – und weit mehr als ausschließlich gefiederte und vierbeinige Besucher stoßen dort auf Gastlichkeit. Denn die Spraters sind in jeglicher Hinsicht gesellig. Wenn sie nicht zu zweit oder mit ihrer eigenen Familie ihr Gartenglück genießen, lassen sich auch mal Mutter-KindGruppen nach einer Wanderung zum Picknick dort nieder. Im Winter kommt der Kindergarten zur Nikolausfeier, und als das große Kruzifix am Eingang eingeweiht wurde, gab es ein regelrechtes kleines Volksfest. Aus diesem Grund steht das Tor des Jägerzauns auch fast immer einladend offen. Nicht ganz ernst zu nehmen ist die dortige Aufschrift, die schmunzeln lässt: „Unkraut zum Selberpflücken“.
Was sich heute so idyllisch ausmacht, war noch vor gut einem Vierteljahrhundert reines Brachland. „Dort gab es nichts als einen Acker, als sich uns 1992 die Gelegenheit geboten hat, den Grund zu erwerben“, erinnert sich Helga Sprater. Die ru- hige Lage so abseits von Häusern gefiel den Spraters. Die herrliche Aussicht, die die Blicke ins Land schweifen lässt, bis hinüber nach Donauwörth, überwältigte sie. Und so reifte nach und nach die Idee, dort einen Garten anzulegen.
Bürokratische Hürden schienen die Pläne allerdings mitunter zum Scheitern zu verurteilen. Jede Randbepflanzung, jede Einfriedung musste genehmigt werden, jedes Gartenhaus war praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. „Eine Hütte zu errichten, war uns nicht erlaubt, weil wir ja keine privilegierten Landwirte sind“, erklärt Hermann Sprater. „Zwei Wagen mit Unterschlupf aber durften wir dann immerhin aufstellen, weil die ja beweglich sind.“
Seit gut zwei Jahrzehnten nun können die Spraters in Ruhe ihr Idyll pflegen. Sie haben Gras ausgesät, Heckenpflanzen gesetzt – viele von ihnen selbst gezogen –, haben Nischen geschaffen wie kleine grüne Zimmer, haben natürliche Wege gebahnt, keine gepflasterten, und Beete mit Blumen, Stauden und Accessoires inszeniert.
Nichts davon ist künstlich, nichts auf dem Reißbrett geplant. „Das alles hat sich Stück für Stück so entwickelt“, sagt Helga Sprater. „Immer wieder ist eine Ecke entstanden, ganz nach Lust und Laune.“Zu vielen Pflanzen und Dekorationsstücken hat das Ehepaar ganz persönliche Beziehungen. Manche Geschenke befinden sich darunter, aber auch Urlaubsmitbringsel und kleine Entdeckungen. „Wir können zu so vielen Dingen Geschichten erzählen“, ergänzt Hermann Sprater.
Eine rot blühende Pflanze haben sie aus einem Jugoslawien-Urlaub mitgebracht. Eine Birke stammt aus dem Garten von Verwandten. Einen schönen, aber kaum zu bändigenden Essigbaum haben sie vor vielen Jahren in der freien Natur ausgegraben. Eine Skulptur aus blauen Weinflaschen, die einen kräftigen Farbtupfer bildet, ist vom Weinfest mit der Feuerwehr Sallach übrig geblieben. Ein Stück Felsen haben sie aus Nazibühl hertransportiert. Die Samen ihrer Lupinen kommen aus Sinning. Der Herd im Bauwagen stand einstmals im alten Schulhaus, die Couch im Gempfinger Pfarrhof. Und die Holzbalken, die rechts gleich nach dem Eingang aufgestellt wurden, sind bei der Sanierung des Gempfinger Kirchturms übrig geblieben.
So fügt sich ein Teil ans andere. Nichts ist geschniegelt, nichts geschleckt. Und doch passt alles harmonisch zusammen. Wenn der Ortsgeistliche mitunter vorbeikommt, sagt Hermann Sprater zu ihm: „Wissen Sie Herr Pfarrer, für mich ist das wie die Vorstufe zum Paradies.“Und der nickt dann und bestätigt: „So ist es ...“