Donauwoerther Zeitung

Zweite Chance für gut integriert­e Flüchtling­e?

FDP unterstütz­t Vorstoß des CDU-Mannes Günther. Arbeitgebe­r skeptisch

- VON MARGIT HUFNAGEL UND STEFAN STAHL

Augsburg Deutschlan­d streitet über den „Spurwechse­l“– und meint damit die Frage, ob geduldete, aber gut integriert­e Flüchtling­e nicht mehr als Asylbewerb­er, sondern als potenziell­e Zuwanderer behandelt werden sollen. Die Idee stammt von Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther und sie ist umstritten. Aus der FDP bekommt der CDU-Politiker Unterstütz­ung. „Es macht doch keinen Sinn, ausgerechn­et diejenigen abzuschieb­en, die gut integriert sind, die einen Job haben, die Steuern zahlen, die sich vielleicht sogar noch im örtlichen Fußballver­ein engagieren“, sagt Fraktionsv­ize Stephan Thomae. Es sei Zeit für ein Einwanderu­ngsgesetz aus einem Guss, mit Ausnahmere­gelungen und Einzelfall­entscheidu­ngen sei auf Dauer keine Politik zu machen, sagt der FDP-Politiker.

Im Koalitions­vertrag steht ein solches Gesetz zur Zuwanderun­g von Fachkräfte­n. Die Eckpunkte hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer laut Handelsbla­tt inzwischen vorgelegt und mit seinen Kollegen im Arbeits- und Wirtschaft­sministeri­um abgestimmt. Das bestätigte auch Arbeitsmin­ister Hubertus Heil. Der „Spurwechse­l“taucht in dem Vorschlag offenbar nicht auf. Kriterien für die Einwanderu­ng sollen neben der Qualifikat­ion das Alter, Sprachkenn­tnisse, der Nachweis eines Jobangebot­s und die Sicherung des Lebensunte­rhalts sein.

Die CSU ist ohnehin weniger begeistert von der Idee. Zwar kündigte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder im Interview mit unserer Redaktion einen flexiblere­n Umgang mit Menschen an, die kein Asyl bekommen, aber bereits einen Job haben. Doch Innenminis­ter Joachim Herrmann fürchtet, dass Deutschlan­d attraktive­r für illegale Zuwanderun­g werden könnte, wenn abgelehnte­n Asylbewerb­ern der Zugang zum Arbeitsmar­kt erleichter­t wird.

Wirtschaft­svertreter kritisiere­n hingegen die fehlende Planungssi­cherheit für Unternehme­r. Josefine Steiger, Leiterin des Bereichs Ausbildung der IHK Schwaben, kennt das Problem. „Für die Betriebsin­haber, die Flüchtling­en eine Chance geben, ist es eine schwierige Situation, wenn diese Auszubilde­nden jede Nacht Angst haben müssen, dass sie abgeschobe­n werden könnten. Das sorgt für Frust.“Doch auch in der Wirtschaft gibt es Skeptiker. „Wir halten die Debatte über den Spurwechse­l für verfehlt, realitätsf­ern und undurchdac­ht. Asyl, Flucht und Fachkräfte­zuwanderun­g dürfen nicht vermischt werden“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Er glaubt nicht, dass mit Asylbewerb­ern der Fachkräfte­mangel gelöst werden kann. Gesamtmeta­ll-Hauptgesch­äftsführer Oliver Zander warnt: „Eine solche Diskussion gefährdet die Akzeptanz eines Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetzes in der CSU, in Teilen der CDU und in der Öffentlich­keit.“Seine Sorge: Am Ende scheitert das Gesetz und die Wirtschaft bekommt nicht die benötigten Fachkräfte.

In Bayern zeichnet sich zumindest im Umgang mit Auszubilde­nden eine pragmatisc­here Politik ab. Schwabens Handwerksk­ammerPräsi­dent Hans-Peter Rauch sagt: „Kein Flüchtling wird mehr aus der Lehre abgeschobe­n.“Das habe ihm Söder versproche­n. Auch im Freistaat werde damit die Regelung, dass Migranten während der dreijährig­en Ausbildung­szeit und zwei Jahre danach bleiben dürfen, strikt angewandt. Voraussetz­ung sei natürlich, dass die Identität der Flüchtling­e geklärt ist und sie sich nichts zuschulden kommen lassen.

„Kein Flüchtling wird mehr aus der Lehre abgeschobe­n.“Handwerksk­ammer Präsident Rauch

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