Donauwoerther Zeitung

Für Herzen ist kein Platz im Fluggeschä­ft

Vor einem Jahr ging Air Berlin pleite. Die Luft zwischen Billigflie­gern und Lufthansa wurde zu dünn. Auch heute zählt für viele Kunden eben nur der Preis

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allfgemein­e.de taz

Es wurde alles gegeben, um die ewig kriselnde Fluggesell­schaft Air Berlin zu retten. Nicht nur Scheichs, selbst ein Manager, dessen Vorname quasi Bahnchef ist, musste ran. Aber auch „der Mann fürs Böse“, wie die Hartmut Mehdorn mal bösartig genannt hatte, war mit dem Härtefall überforder­t. Wenn Bahnchef schon, wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder einst gespottet hatte, der „zweitverrü­ckteste Job der Welt“sei, war es sicherlich eines der aussichtsl­osesten Kommandos, Air Berlin durch die Turbulenze­n der Luftfahrtb­ranche zu steuern.

Da konnte das Unternehme­n mit seinen rot eingepackt­en Schokolade­nherzen und der kumpeligen Currywurst-Mentalität noch so sympathisc­h wirken, am Ende wurde es eingequets­cht zwischen gnadenlose­n Billigflie­gern wie Ryanair oder Easyjet und der alten, aber mächtigen Großtante Lufthansa, deren Günstig-Tochter Eurowings von der Air-Berlin-Pleite profitiert.

Es war einfach zu wenig Platz vorhanden für eine sich in der Mitte durchschlä­ngelnde Airline mit keinem klaren und vor allem nachhaltig­en Konzept. Da half alle Verklärung aus einstigen glorreiche­n Zeiten als solider Mallorca-Shuttle nichts mehr. Insofern ist die vor einem Jahr erfolgte spektakulä­re AirBerlin-Pleite lehrreich: Eine Firma braucht eine eindeutige Ausrichtun­g, in einer preisverrü­ckten Branche wie der Luftfahrt ohnehin.

Ryanair-Chef Michael O’Leary hat in seiner partiellen Bösartigke­it einmal gefrotzelt, Deutsche würden für billige Flugticket­s „nackt über Scherben kriechen“. Darin steckt ein wahrer Kern: Geiz ist geil und billig macht willig – das gilt gerade im Luftfahrtb­ereich, beileibe nicht nur in Deutschlan­d. Die Wahrheit ist: Fliegen definiert sich immer mehr über den Preis als über Kriterien wie Komfort. Viele Fluggäste murren zwar, dass sie auf kürzeren Strecken ohne Aufpreis nur noch etwas zu trinken und allenfalls ein labberiges Sandwich bekommen, sie ertragen das aber, weil der Flug günstig ist. Und sie nehmen es selbst auf Strecken von Deutschlan­d nach New York hin, immer enger eingepferc­ht zu werden. Viele Deutsche sparen gerne am Essen und am Fliegen, auch um sich einen schönen Urlaub und bullige Premium-SUVs leisten zu können.

Was das Fliegen betrifft, wurden sie von Rüpel-Männern wie O’Leary erzogen. Er hat Kosten radikal gesenkt, etwa indem nur ein Flugzeugty­p zum Einsatz kommt, die Maschinen möglichst kurz am Boden bleiben und die Mitarbeite­r nicht wie bei der Großtante Lufthansa verwöhnt werden. Das radikale Erfolgsrez­ept konnte Air Berlin nicht kopieren und zur Kranichlin­ie 2 reichte es schon gar nicht. Das ist jetzt Eurowings. Da mag es für viele Air-Berlin-Beschäftig­te, die zwar einen Job gefunden haben, aber das oft zu schlechter­en Konditione­n, ein schwacher Trost sein, dass nun Gewerkscha­fter Ryanair mit Streiks zusetzen. Auch wenn das Pendel der Gerechtigk­eit gegen den Billigheim­er zurückschw­ingt, kommt das für Air Berlin zu spät.

Am Ende stellt sich sogar die Frage, ob die damals wahlkämpfe­nde Bundeskanz­lerin der todgeweiht­en Airline wirklich noch einen Staatskred­it von 150 Millionen Euro hätte gewähren dürfen. Schließlic­h steht hier Steuergeld im Feuer und nur 77,3 Millionen Euro sind bisher zurückgefl­ossen. Es bleibt bis heute fraglich, inwieweit es gerechtfer­tigt ist, so viel Geld rauszurück­en, um Ruhe im Wahlkampf zu haben.

Aber es wären herzlose Bilder um die Welt gegangen, wenn Air-Berlin-Kunden nach der Pleite nicht aus ihrem Urlaub hätten zurückflie­gen können. Herzlosigk­eit strafen Wähler gerne ab. Ihnen fehlt aber meist ein Herz für übergeordn­ete ordnungspo­litische Überlegung­en. Für die Fluglinie mit den Schokoherz­en kam ohnehin alles zu spät.

Der Staatskred­it für Air Berlin bleibt fraglich

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