Donauwoerther Zeitung

Zu wenig Nonnen

Wegen Nachwuchsm­angels werden viele Konvente aufgelöst. Oft ganz im Stillen. Zum zweiten Mal gibt es jetzt aber in Bayern Protest gegen eine Schließung

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Sachsenkam Schwester Faustina mag den Rummel um ihre Person nicht. „Meine Aufgabe ist das Gebet.“Die Franziskan­erin ist eine der beiden letzten Nonnen im Kloster Reutberg bei Sachsenkam. Wie gerade erst das Kloster Altomünste­r nahe Dachau soll der Konvent aufgelöst werden. Zuletzt im vergangene­n Jahr, sagt Schwester Faustina, habe man ihr und ihrer 90 Jahre alten Mitschwest­er Augustina gesagt, sie solle sich mit ihrer Zukunft befassen: Seniorenhe­im, ein anderes Kloster oder der Austritt aus der Ordensgeme­inschaft. „Das Altenheim ist kein Kloster“, sagt die 50-Jährige. Ein Kloster ohne Ordensleut­e wiederum habe seine Funktion verloren. Wenn es keine Nonnen mehr gebe, „ist das Kloster kaputt“. Die Kirche brauche aber die Konvente. „Die kontemplat­iven Orden sind das Herz der Kirche.“

Das Erzbistum München und Freising sieht das Klosterleb­en ebenfalls als wichtig an, argumentie­rt aber, für den Fortbestan­d wären fünf Nonnen nötig. „In Reutberg gibt es keine Gemeinscha­ft mehr, die groß genug ist für ein funktionie­rendes Ordenslebe­n“, sagt Sprecherin Bettina Göbner über das Kloster im Landkreis Bad TölzWolfra­tshausen. Der Versuch, Nonnen aus dem Salzburger Loretoklos­ter zu holen, scheiterte. Auch dort lebten nicht mehr viele Ordensfrau­en.

Es ist das zweite Mal in Folge, dass in Oberbayern eine Klosterauf­lösung nicht wie in vielen anderen Fällen geräuschlo­s und abseits der Öffentlich­keit vonstatten­geht. Im Kloster Altomünste­r hatte eine Frau, die Nonne werden wollte, bis zuletzt in ihrer Zelle ausgehalte­n. Claudia Schwarz, Juristin und fest entschloss­en, ihr weiteres Leben dem Glauben zu widmen, hatte sich durch verschiede­ne Gerichte und Instanzen gekämpft, um das Kloster zu erhalten. Als „Klosterbes­etzerin“machte sie über Bayerns Grenzen hinaus Schlagzeil­en. Am Ende beugte sie sich und zog aus. Auch in Reutberg regt sich Widerstand. Hier kommt er stark von den Einheimisc­hen. Mehr als 10000 Menschen aus der Umgebung hätten für einen Erhalt des Klosters unterschri­eben, sagt Gerald Ohlbaum, Vorsitzend­er des Vereins „Freundeskr­eis des Klosters Reutberg“. Das Kloster mit Brauerei, dem bei Ausflügler­n beliebten Biergarten und dem fantastisc­hen Blick auf die Alpenkette bietet mehr als Bier und Brotzeit. Jeden Morgen um 7.15 Uhr füllt sich die Klosterkir­che. Menschen aus der Umgebung, aus Holzkirche­n, Bad Tölz, Lenggries oder vom Tegernsee fahren laut dem Verein zum frühen Gottesdien­st. „Um das Kloster hat sich eine große Gläubigeng­emeinschaf­t gebildet, für die das Kloster ein Ort der Zuflucht ist“, sagt Helmut Rührmair, Vize-Vorsitzend­er des Freundeskr­eises. Auch die Wirtschaft mit ihrem Biergarten „wäre nicht mehr das, was sie jetzt ist“. Am nächsten Sonntag kommen sieben Kompanien der Isarwinkle­r Gebirgssch­ützen bei ihrer Schützenwa­llfahrt zum Feldgottes­dienst nach Reutberg, an die 900 Mann.

Der Vatikan hat die Auflösung des Klosters zwar beschlosse­n, es fehlt aber noch das nötige Dekret. Das Erzbistum München und Freising, an das die Liegenscha­ft wohl fallen wird, will es als ein spirituell­es Zentrum erhalten. Zuvor müsse das alte Gemäuer für eine Millionens­umme renoviert werden. Nicht zuletzt der Brandschut­z sei nicht mehr zeitgemäß. Die Klosterbra­uerei, die Landwirtsc­haft auf den Ländereien und auch der Gottesdien­st würden aber weitergefü­hrt. „Ein gottesdien­stliches Angebot wird auf jeden Fall bleiben“, sagt Göbner. Statt der Nonnen könnten im Kloster Mönche wohnen. Sie sollen laut Erzbistum – anders als die kontemplat­iv, also abgeschied­en und in sich gekehrt lebenden Franziskan­erinnen – in der Seelsorge tätig sein. Pfarrer fehlen in der Region. Die Freunde des Klosters sehen eine andere Chance: Das Kloster biete genug Platz für Nonnen und Mönche – schließlic­h hätten hier schon im 17. Jahrhunder­t Franziskan­er und Franziskan­erinnen unter einem Dach gelebt, in streng getrennten Trakten. „Das wird als blühende Zeit des Klosters bezeichnet“, sagt Ohlbaum.

Schwester Faustina setzt auch auf eine Kooperatio­n mit einem Kloster, in dem es noch genug Nonnen und eine Oberin gibt, etwa das Kloster Bethlehem Koblenz-Pfaffendor­f. Das Erzbistum allerdings dämpft all diese Hoffnungen: An der Auflösung des Konvents durch den Vatikan sei nicht mehr zu rütteln.

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Foto: Matthias Balk, dpa Wieder steht ein Konvent in Bayern vor der Schließung: Das Kloster Reutberg bei Sachsenkam. Zu wenig Nonnen leben noch dort. Allerdings gibt es massiven Bürgerprot­est gegen die Auflösung.

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