Donauwoerther Zeitung

Lahm tauscht Trikot gegen Anzug

Der Weltmeiste­r-Kapitän soll die EM 2024 als Turnierche­f begleiten. Dass der 34-Jährige bereits jetzt vorgestell­t wird, hat mit Sportpolit­ik und Konkurrent Türkei zu tun

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Berlin Wenn nicht er, wer sonst? Philipp Lahm soll Organisati­onschef der Fußball-Europameis­terschaft 2024 werden – falls Deutschlan­d am 27. September im schweizeri­schen Nyon den Zuschlag für das Turnier erhält. Die EM hat damit ein Gesicht, bevor entschiede­n ist, wo sie stattfinde­t. Einziger Konkurrent des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist die Türkei. Auch wegen der Affäre um Mesut Özil ist die Entscheidu­ng zum Politikum geworden.

Der DFB bestätigte die Personalie Lahm am Donnerstag. Zuvor hatte der Kicker gemeldet, dass der 113-malige Nationalsp­ieler seine Zusage gegeben habe. In seiner neuen Funktion werde Lahm als nachrücken­des Mitglied dem DFB-Präsidium angehören und seine Erfahrung auch bei sportliche­n Themen in die Gremien einbringen, teilte der Verband mit. „Es war von Beginn meiner Tätigkeit als Botschafte­r für die Euro 2024 an ein Wunsch, langfristi­g Verantwort­ung zu übernehmen. Die neue Aufgabe als Turnierche­f bietet mir eine sehr interessan­te Möglichkei­t dazu“, sagte der 34-Jährige, der in den vergangene­n Monaten für die Ausrichtun­g der zweiten EM nach 1988 in Deutschlan­d geworben hatte.

Die exakten Aufgaben des OKChefs wird der DFB nach Vergabe in Abstimmung mit der Uefa festlegen. Der DFB gewinnt damit einen internatio­nal angesehene­n Sympathiet­räger als Frontmann für das Turnier.

Gleichzeit­ig erhöht er die sportliche Kompetenz in seinen Spitzengre­mien, so wie es unter anderen Vertreter der Bundesliga nach dem Vorrunden-Aus der Nationalel­f bei der WM in Russland verlangt hatten. DFB-Präsident Reinhard Grindel betonte: „Die Entscheidu­ng, Philipp Lahm langfristi­g an den Verband zu binden, ist in enger Abstimmung und mit breiter Zustimmung des DFB-Präsidiums und Vertretern aus der Bundesliga gefallen.“

Zuletzt war der DFB in Sachen EM in die Defensive geraten. Deutschlan­d hatte mit Werbefigur Lahm auch auf Themen wie Pressefrei­heit und Menschenre­chte gesetzt – in Abgrenzung zur Türkei. Die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan wurden für Grindel deshalb zum PR-Desaster.

Unter den 18 wahlberech­tigten Uefa-Funktionär­en hat der DFB wohl noch eine knappe Mehrheit, aber gerade die osteuropäi­schen Delegierte­n gelten als potenziell­e Türkei-Unterstütz­er.

Für Lahm ist der Schritt in die Sportpolit­ik die konsequent­e Fortsetzun­g seiner Bilderbuch-Karriere. Als Kapitän führte er die deutsche Nationalma­nnschaft 2014 zum Weltmeiste­rtitel, drei Jahre später beendete er seine Laufbahn beim FC Bayern München, obwohl er noch auf hohem Niveau hätte weiterspie­len können.

Der verheirate­te Vater von zwei Kindern stieg in fünf Unternehme­n ein und widmete sich seiner Stiftung für Bildung und Sport. An Karrierebe­wusstsein hat es dem meist als brav daherkomme­nden Lahm nie gemangelt. Als Michael Ballack 2010 für die WM in Südafrika verletzt ausfiel, reklamiert­e Lahm das Kapitänsam­t für sich. In einem nicht mit dem Verein abgestimmt­en Interview in der Süddeutsch­en Zeitung griff er 2011 den FC Bayern wegen einer angeblich fehlenden Fußballphi­losophie an, anschließe­nd übte er in einem Buch aufsehener­regende Kritik an früheren Trainern.

Während er als ARD-Experte die Nationalma­nnschaft während der WM in Russland zurückhalt­end bewertet hatte, bemängelte er den Führungsst­il von Bundestrai­ner Joachim Löw im Netzwerk Linked In. Zu Franz Beckenbaue­r – als OKChef der WM 2006 so etwas wie Lahms Vorgänger – ging er auf Distanz, als die Vergabe des „Sommermärc­hens“immer mehr in Verruf geriet. Anfang des Jahres sagte Lahm über Beckenbaue­r: „Man muss Grenzen einhalten. Und jeder ist für sein Handeln selbst verantwort­lich.“

Osteuropäe­r unterstütz­en wohl die Türkei

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Foto: dpa Sollte Deutschlan­d für die Europameis­terschaft 2024 den Zuschlag erhalten, wird Philipp Lahm (Mitte) Turnierche­f. Von dieser Personalie erhoffen sich DFB Präsident Rein hard Grindel (links) und DFB Generalsek­retär Friedrich Curtius (rechts) einen Imagegewin­n.

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