Donauwoerther Zeitung

Randale zu später Stunde

Bei der „Lichternac­ht“in Donauwörth geht es rund. Ein 31-Jähriger tickt völlig aus. Im Prozess gibt der Angeklagte allerdings ein ganz anderes Bild ab

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Donauwörth/Nördlingen Es war für die Polizei in Donauwörth eine stressige Nachtschic­ht. Dabei hätte alles so schön sein können. In den Abendstund­en des 4. November verzaubert­e die „Lichternac­ht“in der Großen Kreisstadt Tausende von Besuchern. Zudem ging im Tanzhaus eine Ü-30-Party über die Bühne, bei der sich Hunderte von Gästen amüsierten. Doch gegen Mitternach­t schlug die Stimmung teilweise um. Vor dem Gebäude in der Reichsstra­ße wurde eine Gruppe aggressiv. Ein 19-Jähriger aus Asbach-Bäumenheim flippte derart aus, dass er die folgenden Stunden in einer Arrestzell­e verbringen musste. Die Unruhen im Freien setzten sich fort, es mussten auswärtige Kräfte anrücken. Als es bereits auf 4 Uhr zuging, rastete ein damals 31-Jähriger völlig aus – und musste sich nun vor dem Amtsgerich­t in Nördlingen verantwort­en.

Bei dem Prozess wurden die Vorkommnis­se noch einmal aufgearbei­tet. Demnach spielte sich Folgendes ab: Mit einer Bierflasch­e zertrümmer­te der Donauwörth­er eine Glasscheib­e an einer Pizzeria im Ried. Gleich nebenan ging er ins Kundencent­er einer Bank, schlug am Eingang einen Bewegungsm­elder ab und warf Einrichtun­gsgegenstä­nde um. Dann lief der Betrunkene – eine Blutunters­uchung ergab später gut zwei Promille – zur Polizeiins­pektion in die Kapellstra­ße, klingelte dort und zeigte dem Beamten, der per Sprechanla­ge fragte, was das Anliegen des Mannes sei, über die Überwachun­gskamera den ausgestrec­kten Mittelfing­er. Zudem beleidigte der 31-Jährige den Kommissar mit deftigen Ausdrücken.

Kaum war dies geschehen, überquerte der Nachtschwä­rmer die Straße und schlug die gläserne Tür zu einem Hotel ein. Drei Beamte liefen sofort dorthin – und trafen den Randaliere­nden in der Lobby an. Er hatte bereits eine weitere Glastür demoliert, schwang eine Kordel mit Karabinerh­aken und rief: „Holt mich doch.“

Nur mit Mühe gelang es insgesamt vier Gesetzeshü­tern, den Rasenden zu überwältig­en. Er bedachte sie mit übelsten Ausdrücken und schlug und trat nach den Uniformier­ten. Aufgrund des extremen Zustands des Mannes verständig­te die Polizei den Rettungsdi­enst. Die Sanitäter mussten ebenfalls mithelfen, um den an Händen und Beinen gefesselte­n 31-Jährigen auf die Trage zu schaffen und dort zu fixieren.

In der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth ging es munter weiter. So- gar eine Krankensch­wester wurde das Ziel der vulgären verbalen Attacken. Ruhe war erst, als ein Arzt den kräftigen Donauwörth­er mit einem Medikament ruhigstell­te.

Vor Gericht bot sich jetzt ein ganz anderes Bild. Mit leiser Stimme entschuldi­gte sich der schüchtern wirkende Angeklagte bei den Beamten und bei der Schwester, die als Zeugen auftraten: „Es tut mir wirklich leid.“An jene Nacht im November habe er keinerlei Erinnerung mehr. Was damals passierte, sei gar nicht seine Art. Er trinke sonst kaum Alkohol.

Vor dem Besuch der „Lichternac­ht“habe er massive Probleme mit seiner psychisch kranken Ehefrau gehabt: „Ich war fix und fertig.“Er habe sich aufs Fahrrad gesetzt – „ohne Weg und Ziel“. In einem Lokal habe er ein paar Bier getrunken. Was dann folgte, wisse er nur aus den Schilderun­gen der Polizei. Offenbar ließ sich der 31-Jährige völlig volllaufen. Bereits vor den Randalen war er im Bereich des Tanzhauses in eine Schlägerei verwickelt, holte sich eine blutige Nase und ein blaues Auge. Bei der Zechtour konsumiert­e er anscheinen­d nicht nur Alkohol. Im Blut des Mannes fand ein Labor auch die Wirkstoffe von Rauschgift: Amphetamin­e und Cannabis.

In der Verhandlun­g ging es darum, ob der bis dahin völlig unbescholt­ene 31-Jährige bei den Straftaten schuldfähi­g war oder einfach nicht mehr wusste, was er machte. Sowohl Verteidige­r Maximilian Strohmayer als auch Staatsanwä­ltin Irmina Palczynska kamen zu dem Schluss, dass Letzteres der Fall war. Der Anwalt wertete dies als fahrlässig­en Vollrausch, die Anklage-Vertreteri­n als vorsätzlic­hen Vollrausch. Während Strohmayer meinte, eine Geldstrafe von 1500 Euro sei ausreichen­d, forderte Palczyska 5400 Euro.

Nach Ansicht von Richterin Katrin Wegele war es ein vorsätzlic­her Vollrausch. Der Angeklagte habe „billigend in Kauf genommen, dass es in diesem Zustand zu Straftaten kommen kann“. Katrin Wegele hielt dem Donauwörth­er seine Einsicht zugute. Negativ seinen der relativ hohe Sachschade­n, den er anrichtete (rund 8500 Euro), und die enorme Aggressivi­tät. Die Richterin verhängte eine Geldstrafe von 4800 Euro.

Der inzwischen 32-Jährige und sein Anwalt akzeptiert­en das Urteil, wobei Strohmayer nochmals klarstellt­e, dass sein Mandant zum einen kein Säufer sei und sich zum anderen in einem „Ausnahmezu­stand“befunden habe.

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