Randale zu später Stunde
Bei der „Lichternacht“in Donauwörth geht es rund. Ein 31-Jähriger tickt völlig aus. Im Prozess gibt der Angeklagte allerdings ein ganz anderes Bild ab
Donauwörth/Nördlingen Es war für die Polizei in Donauwörth eine stressige Nachtschicht. Dabei hätte alles so schön sein können. In den Abendstunden des 4. November verzauberte die „Lichternacht“in der Großen Kreisstadt Tausende von Besuchern. Zudem ging im Tanzhaus eine Ü-30-Party über die Bühne, bei der sich Hunderte von Gästen amüsierten. Doch gegen Mitternacht schlug die Stimmung teilweise um. Vor dem Gebäude in der Reichsstraße wurde eine Gruppe aggressiv. Ein 19-Jähriger aus Asbach-Bäumenheim flippte derart aus, dass er die folgenden Stunden in einer Arrestzelle verbringen musste. Die Unruhen im Freien setzten sich fort, es mussten auswärtige Kräfte anrücken. Als es bereits auf 4 Uhr zuging, rastete ein damals 31-Jähriger völlig aus – und musste sich nun vor dem Amtsgericht in Nördlingen verantworten.
Bei dem Prozess wurden die Vorkommnisse noch einmal aufgearbeitet. Demnach spielte sich Folgendes ab: Mit einer Bierflasche zertrümmerte der Donauwörther eine Glasscheibe an einer Pizzeria im Ried. Gleich nebenan ging er ins Kundencenter einer Bank, schlug am Eingang einen Bewegungsmelder ab und warf Einrichtungsgegenstände um. Dann lief der Betrunkene – eine Blutuntersuchung ergab später gut zwei Promille – zur Polizeiinspektion in die Kapellstraße, klingelte dort und zeigte dem Beamten, der per Sprechanlage fragte, was das Anliegen des Mannes sei, über die Überwachungskamera den ausgestreckten Mittelfinger. Zudem beleidigte der 31-Jährige den Kommissar mit deftigen Ausdrücken.
Kaum war dies geschehen, überquerte der Nachtschwärmer die Straße und schlug die gläserne Tür zu einem Hotel ein. Drei Beamte liefen sofort dorthin – und trafen den Randalierenden in der Lobby an. Er hatte bereits eine weitere Glastür demoliert, schwang eine Kordel mit Karabinerhaken und rief: „Holt mich doch.“
Nur mit Mühe gelang es insgesamt vier Gesetzeshütern, den Rasenden zu überwältigen. Er bedachte sie mit übelsten Ausdrücken und schlug und trat nach den Uniformierten. Aufgrund des extremen Zustands des Mannes verständigte die Polizei den Rettungsdienst. Die Sanitäter mussten ebenfalls mithelfen, um den an Händen und Beinen gefesselten 31-Jährigen auf die Trage zu schaffen und dort zu fixieren.
In der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth ging es munter weiter. So- gar eine Krankenschwester wurde das Ziel der vulgären verbalen Attacken. Ruhe war erst, als ein Arzt den kräftigen Donauwörther mit einem Medikament ruhigstellte.
Vor Gericht bot sich jetzt ein ganz anderes Bild. Mit leiser Stimme entschuldigte sich der schüchtern wirkende Angeklagte bei den Beamten und bei der Schwester, die als Zeugen auftraten: „Es tut mir wirklich leid.“An jene Nacht im November habe er keinerlei Erinnerung mehr. Was damals passierte, sei gar nicht seine Art. Er trinke sonst kaum Alkohol.
Vor dem Besuch der „Lichternacht“habe er massive Probleme mit seiner psychisch kranken Ehefrau gehabt: „Ich war fix und fertig.“Er habe sich aufs Fahrrad gesetzt – „ohne Weg und Ziel“. In einem Lokal habe er ein paar Bier getrunken. Was dann folgte, wisse er nur aus den Schilderungen der Polizei. Offenbar ließ sich der 31-Jährige völlig volllaufen. Bereits vor den Randalen war er im Bereich des Tanzhauses in eine Schlägerei verwickelt, holte sich eine blutige Nase und ein blaues Auge. Bei der Zechtour konsumierte er anscheinend nicht nur Alkohol. Im Blut des Mannes fand ein Labor auch die Wirkstoffe von Rauschgift: Amphetamine und Cannabis.
In der Verhandlung ging es darum, ob der bis dahin völlig unbescholtene 31-Jährige bei den Straftaten schuldfähig war oder einfach nicht mehr wusste, was er machte. Sowohl Verteidiger Maximilian Strohmayer als auch Staatsanwältin Irmina Palczynska kamen zu dem Schluss, dass Letzteres der Fall war. Der Anwalt wertete dies als fahrlässigen Vollrausch, die Anklage-Vertreterin als vorsätzlichen Vollrausch. Während Strohmayer meinte, eine Geldstrafe von 1500 Euro sei ausreichend, forderte Palczyska 5400 Euro.
Nach Ansicht von Richterin Katrin Wegele war es ein vorsätzlicher Vollrausch. Der Angeklagte habe „billigend in Kauf genommen, dass es in diesem Zustand zu Straftaten kommen kann“. Katrin Wegele hielt dem Donauwörther seine Einsicht zugute. Negativ seinen der relativ hohe Sachschaden, den er anrichtete (rund 8500 Euro), und die enorme Aggressivität. Die Richterin verhängte eine Geldstrafe von 4800 Euro.
Der inzwischen 32-Jährige und sein Anwalt akzeptierten das Urteil, wobei Strohmayer nochmals klarstellte, dass sein Mandant zum einen kein Säufer sei und sich zum anderen in einem „Ausnahmezustand“befunden habe.