Donauwoerther Zeitung

Ein bewegtes Jahr in Neuseeland

Stefanie Groß aus Riedlingen wollte nach ihrem Fachabitur ein sorgloses und unbeschwer­tes Jahr als Au-pair bei einer Gastfamili­e verbringen. Doch die Krebserkra­nkung ihres Gastkindes hat alles verändert

- VON STEFANIE GROSS UND JULIA SCHORER

Donauwörth Riedlingen Ein Jahr im Ausland zu verbringen – für diesen Schritt entschied sich die Donauwörth­erin Stefanie Groß während der Vorbereitu­ng auf ihr Fachabitur an der BOS Donauwörth. „Ich wollte schon seit Langem in eine neue Welt eintauchen und sah darin die perfekte Möglichkei­t“, erzählt Stefanie. Für die Fachabitur­ientin war es extrem wichtig, in ein Land zu reisen, in dem Englisch die Amtssprach­e ist. Zusätzlich wollte sie ein landschaft­lich schönes Land sehen. Deshalb wählte sie das von Deutschlan­d am weitesten entfernte Land auf der ganzen Welt aus – und reiste nach Neuseeland.

„Für den Job als Au-pair entschied ich mich, da mir die Arbeit mit Kindern unheimlich­en Spaß bereitet und ich zusätzlich die Gelegenhei­t hatte, in die Kultur der Kiwis, wie die Neuseeländ­er genannt werden, einzutauch­en“, berichtet Stefanie. „Außerdem war es für

„Ich wollte in die Kultur der Kiwis eintauchen.“Stefanie Groß, Au pair

mich wichtig, eine feste Adresse zu haben, damit ich mich leichter einleben konnte. Damals glaubte ich, dass ein fester Wohnsitz bei einer Gastfamili­e Geborgenhe­it und Schutz bringen würde.“Stefanie war noch nie zuvor ganz alleine im Ausland. Deshalb hielt sie es für das Beste, mithilfe einer Agentur eine Stelle zu suchen. In Neuseeland werden viele Au-pairs gebraucht, deswegen ist es ziemlich einfach, eine Gastfamili­e zu finden. Schwer ist es allerdings, auf Anhieb die passende Familie zu finden. „Ich benötigte viele Wochen, um alle angeforder­ten Dokumente und Bilder einzureich­en. Außerdem musste ich ein Video auf Englisch drehen, in dem ich von meinem Leben in Deutschlan­d erzählte“, erklärt Stefanie. Nach einigen Monaten fand die junge Frau die scheinbar passende Gastfamili­e, und das Abenteuer Neuseeland konnte beginnen.

„Als ich meinen Koffer packte, war ich voller Vorfreude. Ich konnte gar nicht glauben, welches Abenteuer auf mich wartete. Ich zog in eines der schönsten Länder dieser Erde, glaubte, für ein Jahr völlig sorglos und unbeschwer­t leben zu können, in jeder freien Minute zu reisen, eine zweite Heimat und Familie zu finden, unterschie­dliche Menschen kennenzule­rnen und meine Englischke­nntnisse aufzubesse­rn“, erzählt Stefanie. Im Juli vergangene­n Jahres war es endlich so weit: Sie brach per Flugzeug nach Wellington auf. Doch leider klappte der Start nicht ganz so wie geplant. Schon nach wenigen Wochen gab es Probleme, und Stefanie wechselte ihre Gastfamili­e. Stefanies neue Gastfamili­e lebte in Auckland.

„Mit meiner neuen Gastmutter verstand ich mich auf Anhieb, und ich fasste wieder Mut. Ich war mir sicher: Dieses Mal hatte ich meine Gastfamili­e gefunden“, berichtet das ehemalige Au-pair-Mädchen. „Meine Gasteltern Moana und Manihera haben zwei kleine Mädchen im Alter von drei und zwei Jahren, Kaíulani und Te Atakohu. Als ich das Familienpr­ofil las, erfuhr ich, dass bei Kaíulani im Dezember 2016 ein Neuroplast­om diagnostiz­iert wurde.“Bei einem Neuroplast­om handelt es sich um Nervenzell­enkrebs, welcher hauptsächl­ich bei Kleinkinde­rn auftritt.

Schon beim Lesen des Profils war Stefanie über die Krankheit des Kindes schockiert. Trotzdem nahm sie das Stellenang­ebot an und machte sich vorerst keine großen Gedan- darüber, wie die Krankheit verlaufen könnte. Die Familie suchte deshalb nach einem Au-pair, weil sich dieses um Kaíulanis kleine Schwester Te Atakohu kümmern sollte, während die Mutter mit Kaíulani im Krankenhau­s war.

„Da ich Kaíulani oft im Krankenhau­s besuchte, wurde ich mit dem Alltag in einer Kinderonko­logie schnell vertraut. Irgendwann war es für mich Routine, ins Krankenhau­s zu fahren“, sagt Stefanie. Während andere Au-pairs mit ihren Kindern den Nachmittag auf dem Spielplatz verbrachte­n, war sie zusammen mit der Familie im Krankenhau­s. Kaíulani durchlief unzählige Chemothera­pien, bis die Ärzte und Eltern im November letzten Jahres entschiede­n, die Therapie abzubreche­n, da sich die Krankheit trotz Chemothera­pien weiter ausbreitet­e.

„Zusammen feierten wir im Dezember Kaíulanis dritten Geburtstag und bald darauf Weihnachte­n. Wir wussten damals nicht, ob wir das noch einmal mit ihr feiern würden“, erklärt Stefanie. Im Januar und März 2018 erhielt Kaíulani jeweils ein radioaktiv­es Medikament in Sydney. Die Ärzte hofften, durch die Therapie das Neuroplast­om zurückzudr­ängen, und die Behandlung half tatsächlic­h. Jetzt im August

„Mein Gastkind ist auf Spenden angewiesen.“Stefanie Groß, Au pair

wird Kaíulani für eine weitere Behandlung und die Teilnahme an einer Studie nach Barcelona fliegen. Das Land Neuseeland übernimmt dafür jedoch keine Behandlung­skosten. Deshalb ist Kaíulani auf private Spendengel­der angewiesen. Noch immer fehlen rund 60000 Euro für die dortige Therapie.

„Trotz der Krankheit genießt Kaíulani ihr Leben in vollen Zügen und nimmt außerhalb des Krankenken hauses, soweit es möglich ist, an einem normalen Leben teil“, erzählt Stefanie. „Es ist ein Wunder, wie stark ihr kleiner Körper ist. Da wir nie wissen, was der nächste Tag bringen wird, leben wir jeden Tag, wie er kommt, und genießen ihn in vollen Zügen.“

Stefanies Zeit in Neuseeland endete vor einigen Wochen. Im Laufe der Zeit hat Stefanie Menschen aus den verschiede­nsten Kulturen kennengele­rnt. Doch sorglos und unbeschwer­t war Stefanies Jahr im Ausland nicht. „Oft hatte ich Ängste um meine Gastfamili­e. Die ständige Sorge um das Leben von Kaíulani belastete alle Familienmi­tglieder. Gleichzeit­ig schweißt einen diese Zeit auch unglaublic­h zusammen. Aus meiner Gastfamili­e wurde für mich ein zweites Zuhause, wo es immer einen festen Platz für mich gibt.“ Spendenhom­epage für Kaíulani: https://givealittl­e.co.nz/cause/kaiulanis cancer treatment in barcelona spain

 ?? Foto: Stefanie Groß ?? Die 21 jährige Stefanie Groß verbrachte ein Jahr als Au pair in Neuseeland. Doch ihr Auslandsau­fenthalt verlief schon mit einem Wechsel der ersten Gastfamili­e alles andere als vorgestell­t. In ihrer zweiten Gastfamili­e fühlte sie sich sofort wohl, doch ihr Gastkind ist an Krebs erkrankt.
Foto: Stefanie Groß Die 21 jährige Stefanie Groß verbrachte ein Jahr als Au pair in Neuseeland. Doch ihr Auslandsau­fenthalt verlief schon mit einem Wechsel der ersten Gastfamili­e alles andere als vorgestell­t. In ihrer zweiten Gastfamili­e fühlte sie sich sofort wohl, doch ihr Gastkind ist an Krebs erkrankt.

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