Donauwoerther Zeitung

Wenn die Arbeit liegen bleibt

Beim Werben um Beschäftig­te haben die Kommunen gegenüber der Wirtschaft oft das Nachsehen. Wie die Gemeinden und das Landratsam­t reagieren. Debatte um Zulage in Mertingen

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Die Kommunen haben wegen der guten Konjunktur­lage immer mehr Mühe, ihre Stellen zu besetzen.

Landkreis Schon seit einem Dreivierte­ljahr sucht die Gemeinde Kaisheim einen Bautechnik­er. Mit dem Problem steht die Kommune nicht allein da. Die boomende Bauwirtsch­aft lockt mit deutlich höheren Gehältern. Eine Vakanz gibt es auch bei der Stadt Donauwörth, wie Hauptamtsl­eiter Roland Braun informiert. „Aktuell haben wir eine offene Ingenieurs­stelle im Bauamt. In dem Fachbereic­h mussten in den vergangene­n Monaten Ingenieurs­stellen mehrfach ausgeschri­eben werden, bis diese besetzt werden konnten.“Auch beim Hochbauamt des Landkreise­s ist eine Ingenieurs­stelle unbesetzt. Der öffentlich­e Dienst hat nur einen begrenzten Handlungss­pielraum. Im Tarifvertr­ag für den öffentlich­en Dienst ist geregelt, in welche Entgeltgru­ppe der jeweilige Bewerber mit seinen Qualifikat­ionen einzustufe­n ist.

Eine Idee hat Bürgermeis­ter Martin Scharr noch, wie er doch noch einen Mitarbeite­r für die Stelle findet, für die bislang keine einzige Bewerbung eingegange­n ist: eine Arbeitsmar­ktzulage. Dieses Instrument dürfen Kommunen nutzen, um Personal in Bereichen wie dem Bau zu gewinnen oder zu halten, wo Mangel herrscht. Er kann auch auf ganze Berufsgrup­pen angewendet werden, wie dies beispielsw­eise die Stadt München bei den Erzieherin­nen macht.

Bäumenheim, das Landratsam­t und die Stadt Donauwörth erklärten auf Anfrage sie nutzten dieses Instrument „aus Gründen der Gleichbeha­ndlung“nicht, um keine Unruhe in die Belegschaf­t zu bringen. Wenn ein Mitarbeite­r diese bekomme, der andere aber nicht, sei das schlecht fürs Betriebskl­ima, so der Tenor. In Harburg greift die Stadt nur darauf zurück, um einen besonderen Einsatz von Mitarbeite­rn zu vergüten, beispielsw­eise wenn sie die Arbeit längerfris­tig erkrankter Kollegen mit erledigen.

Als wichtige Handlungso­ption Mertingens Bürgermeis­ter Albert Lohner die Arbeitsmar­ktzulage. „Wir setzen sie ein, um unser qualifizie­rtes Personal zu halten. Wir befinden uns im Wettbewerb mit anderen Kommunen und müssen sicherstel­len, dass wir dauerhaft eine schlagkräf­tige Verwaltung beisammen haben. Wir nutzen die Zulage aber nicht, um Beschäftig­te bei anderen Kommunen abzuwerben.“Welchen Berufsgrup­pen Mertingen die Zulage gewährt, darüber schweigt Lohner.

Genau hier setzt nämlich die Kritik von Wolfgang Kurka, Ortsbeauft­ragter von Heißesheim, an. Er vermutet, dass die Kommune das Instrument eben nicht nur im Einzelfall und in Branchen nutzt, in denen schwer Personal zu finden ist. „Mit jedem Monat, in welchem eine eventuell unberechti­gte Zulage weiterhin gezahlt wird, vergrößert sich der mögliche Schaden für die Gemeinde.“Annette Dassau, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin des Kommunalen Arbeitgebe­rverbandes Bayern, empfiehlt den Gemeinden, die Zulage zeitlich zu befristen, diese könne aber auch dauerhaft gezahlt werden. Sollte die Zahlung als ungerechtf­ertigt bewertet werden, bestehe aber keine Möglichkei­t dagegen vorzugehen. „Was im Arbeitsver­trag festgeschr­ieben ist, gilt, und hat einen höheren Stellenwer­t als das Kommunalre­cht.“

Kurka hat die Behörden darum gebeten, den Sachverhal­t zu prüfen. Von der Regierung von Schwaben erhielt er die Antwort, dass das Thema auch auf Betreiben der Rechtsaufs­icht „einer akzeptable­n Lösung zugeführt“worden sei. Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar. Lohner sagt nur: „Das Thema steht am Montag im Personalau­sschuss auf der Tagesordnu­ng. Abschließe­nd könnte ich deswegen ohnehin noch nichts dazu sagen.“Er entgegnet auf die Kritik von Kurka, dass es aus seiner Sicht die deutlich günstigere Lösung sei, einem Teil der Mitarbeite­r zeitlich befristet eine Zula- ge zu gewähren, die bei Bedarf verlängert werden könne, als das Projekte wegen fehlendem Personal liegen blieben und die Entwicklun­g der Gemeinde bremse.

Ein solches Problem hatte Bäumenheim Anfang des Jahres. Der Bauamtslei­ter hatte gekündigt und war nach Buttenwies­en gewechselt. Zwar stellte die Gemeinde einen Nachfolger ein, der konnte aus gesundheit­lichen Gründen bislang aber kaum arbeiten. Sichtlich erleichter­t ist Bäumenheim­s Bürgermeis­ter deswegen, dass er seinen früheren Bauamtslei­ter zum 1. Juli zurückgewo­nnen hat. Paninka schließt damit nicht nur eine Lücke, er bekommt auch einen Mitarbeite­r, der sich bestens in der Gemeinde auskennt zurück. Bewogen hat den Bereichsle­iter zur Rückkehr wohl auch, dass die Gemeinde ihn etwas entlastet hat. Zusätzlich wurde nämlich Anfang des Jahres auch eine Bauverwalt­erin eingestell­t. Sie kümmert sich um Themen wie Baugenehmi­gungen. Scharr und Paninka verweisen auf die vielen Aufgaben, die die Bauabteilu­ng leisten müsse. Die Mitarbeite­r seien zudem oft Einzelkämp­fer auf ihrem Gebiet. „Immer mehr Aufgaben werden von der Europäisch­en Union, dem Bund und dem Freistaat zu uns delegiert“, verweist Paninka.

Fehlender Nachwuchs beziehungs­weise Ersatz ist aber nicht nur beim Bau ein Problem. Auch Informatik­er werden händeringe­nd gesucht. Laut Donauwörth­s Hauptsamts­leiter ist die Situation in der Pflege, beim Kindergart­en und in den Handwerksb­erufen angespannt und es kämen inzwischen viel weniger Bewerbunge­n. Noch könnten aber alle Stellen adäquat besetzt werden, informiert die Stadt. Auch Harburg hatte laut Bürgermeis­ter Wolfgang Kilian im Bereich der städtische­n Kita Mühe, Stellen nachzubese­tzen. Zuletzt habe es dort einige Wechsel gegeben. „Wo es auch zunehmend schwierige­r wird, ist bei den Reinigungs­kräften“, so Harburgs Bürgermeis­ter. In allen anderen Bebewertet reichen sei es der Stadt bisher immer gelungen, die Stellen „mit guten Bewerbern“wieder zu besetzen.

Das Landratsam­t teilt auf Anfrage mit, dass es derzeit schwierig sei, Mitarbeite­r für den Asylbewerb­erleistung­sbereich zu finden, auch weil es um befristete Stellen handle. Bei verzögerte­r Stellennac­hbesetzung im Landratsam­t werden in der Arbeitserl­edigung Prioritäte­n gesetzt und bei Entspannun­g der Situation nachgeholt, heißt es vom Landratsam­t. Auch greifen das Landratsam­t und die Kommunen teils auf externe Unterstütz­ung zurück, wobei auch deren Preise derart angestiege­n sind in den vergangene­n Jahren, dass es für die Kommunen schwierig werden kann, weil das Geld an anderer Stelle fehlt.

Ein weiteres Problem hat Kaisheims Bürgermeis­ter ausgemacht: die Sekretärin­nen. Auf die beiden ausgeschri­ebenen Sekretärin­nenstellen meldeten sich drei Interessen­tinnen, nur eine bringt die gewünschte­n Kenntnisse mit. „Es ist wichtig, dass die Mitarbeite­rinnen Bescheide verstehen und sich mit dem Thema Rechtsbehe­lfsbelehru­ng auskennen. Wir müssen fachlich prüfen und dann entscheide­n, was wir tun.“In Bäumenheim setzen sie im Falle unzureiche­nder Qualifikat­ionen der Bewerber auf deren Einsatzwil­len, benötigte Kenntnisse noch zu erwerben. Aktuell treffe dies auf zwei Gemeindemi­tarbeiter zu.

Derweil reagieren immer mehr Gemeinden auf den Personalma­ngel in dem sie selber ausbilden oder ihr Engagement in dem Bereich intensivie­ren. In Harburg gibt es beispielsw­eise Überlegung­en im kommenden Jahr einen Fachangest­ellten für Klärbetrie­be auszubilde­n, weil es aus Sicht der Stadt immer schwierige­r wird, hier Mitarbeite­r zu finden. „Die Voraussetz­ung ist natürlich immer, dass sich auch jemand bewirbt“, schränkt der Bürgermeis­ter aufgrund der Arbeitsmar­ktsituatio­n ein.

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Symbolfoto: imago stock&people Die gute Konjunktur­lage sorgt dafür, dass der öffentlich­e Dienst immer mehr Mühe hat, offene Stellen zu besetzen. Dies gilt unter anderem für soziale Berufe, Jobs in der Bauverwalt­ung aber auch Reinigungs­kräfte.
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Wolfgang Kilian
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Martin Scharr
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Albert Lohner
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Martin Paninka

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