Wenn die Arbeit liegen bleibt
Beim Werben um Beschäftigte haben die Kommunen gegenüber der Wirtschaft oft das Nachsehen. Wie die Gemeinden und das Landratsamt reagieren. Debatte um Zulage in Mertingen
Die Kommunen haben wegen der guten Konjunkturlage immer mehr Mühe, ihre Stellen zu besetzen.
Landkreis Schon seit einem Dreivierteljahr sucht die Gemeinde Kaisheim einen Bautechniker. Mit dem Problem steht die Kommune nicht allein da. Die boomende Bauwirtschaft lockt mit deutlich höheren Gehältern. Eine Vakanz gibt es auch bei der Stadt Donauwörth, wie Hauptamtsleiter Roland Braun informiert. „Aktuell haben wir eine offene Ingenieursstelle im Bauamt. In dem Fachbereich mussten in den vergangenen Monaten Ingenieursstellen mehrfach ausgeschrieben werden, bis diese besetzt werden konnten.“Auch beim Hochbauamt des Landkreises ist eine Ingenieursstelle unbesetzt. Der öffentliche Dienst hat nur einen begrenzten Handlungsspielraum. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ist geregelt, in welche Entgeltgruppe der jeweilige Bewerber mit seinen Qualifikationen einzustufen ist.
Eine Idee hat Bürgermeister Martin Scharr noch, wie er doch noch einen Mitarbeiter für die Stelle findet, für die bislang keine einzige Bewerbung eingegangen ist: eine Arbeitsmarktzulage. Dieses Instrument dürfen Kommunen nutzen, um Personal in Bereichen wie dem Bau zu gewinnen oder zu halten, wo Mangel herrscht. Er kann auch auf ganze Berufsgruppen angewendet werden, wie dies beispielsweise die Stadt München bei den Erzieherinnen macht.
Bäumenheim, das Landratsamt und die Stadt Donauwörth erklärten auf Anfrage sie nutzten dieses Instrument „aus Gründen der Gleichbehandlung“nicht, um keine Unruhe in die Belegschaft zu bringen. Wenn ein Mitarbeiter diese bekomme, der andere aber nicht, sei das schlecht fürs Betriebsklima, so der Tenor. In Harburg greift die Stadt nur darauf zurück, um einen besonderen Einsatz von Mitarbeitern zu vergüten, beispielsweise wenn sie die Arbeit längerfristig erkrankter Kollegen mit erledigen.
Als wichtige Handlungsoption Mertingens Bürgermeister Albert Lohner die Arbeitsmarktzulage. „Wir setzen sie ein, um unser qualifiziertes Personal zu halten. Wir befinden uns im Wettbewerb mit anderen Kommunen und müssen sicherstellen, dass wir dauerhaft eine schlagkräftige Verwaltung beisammen haben. Wir nutzen die Zulage aber nicht, um Beschäftigte bei anderen Kommunen abzuwerben.“Welchen Berufsgruppen Mertingen die Zulage gewährt, darüber schweigt Lohner.
Genau hier setzt nämlich die Kritik von Wolfgang Kurka, Ortsbeauftragter von Heißesheim, an. Er vermutet, dass die Kommune das Instrument eben nicht nur im Einzelfall und in Branchen nutzt, in denen schwer Personal zu finden ist. „Mit jedem Monat, in welchem eine eventuell unberechtigte Zulage weiterhin gezahlt wird, vergrößert sich der mögliche Schaden für die Gemeinde.“Annette Dassau, stellvertretende Geschäftsführerin des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern, empfiehlt den Gemeinden, die Zulage zeitlich zu befristen, diese könne aber auch dauerhaft gezahlt werden. Sollte die Zahlung als ungerechtfertigt bewertet werden, bestehe aber keine Möglichkeit dagegen vorzugehen. „Was im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist, gilt, und hat einen höheren Stellenwert als das Kommunalrecht.“
Kurka hat die Behörden darum gebeten, den Sachverhalt zu prüfen. Von der Regierung von Schwaben erhielt er die Antwort, dass das Thema auch auf Betreiben der Rechtsaufsicht „einer akzeptablen Lösung zugeführt“worden sei. Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar. Lohner sagt nur: „Das Thema steht am Montag im Personalausschuss auf der Tagesordnung. Abschließend könnte ich deswegen ohnehin noch nichts dazu sagen.“Er entgegnet auf die Kritik von Kurka, dass es aus seiner Sicht die deutlich günstigere Lösung sei, einem Teil der Mitarbeiter zeitlich befristet eine Zula- ge zu gewähren, die bei Bedarf verlängert werden könne, als das Projekte wegen fehlendem Personal liegen blieben und die Entwicklung der Gemeinde bremse.
Ein solches Problem hatte Bäumenheim Anfang des Jahres. Der Bauamtsleiter hatte gekündigt und war nach Buttenwiesen gewechselt. Zwar stellte die Gemeinde einen Nachfolger ein, der konnte aus gesundheitlichen Gründen bislang aber kaum arbeiten. Sichtlich erleichtert ist Bäumenheims Bürgermeister deswegen, dass er seinen früheren Bauamtsleiter zum 1. Juli zurückgewonnen hat. Paninka schließt damit nicht nur eine Lücke, er bekommt auch einen Mitarbeiter, der sich bestens in der Gemeinde auskennt zurück. Bewogen hat den Bereichsleiter zur Rückkehr wohl auch, dass die Gemeinde ihn etwas entlastet hat. Zusätzlich wurde nämlich Anfang des Jahres auch eine Bauverwalterin eingestellt. Sie kümmert sich um Themen wie Baugenehmigungen. Scharr und Paninka verweisen auf die vielen Aufgaben, die die Bauabteilung leisten müsse. Die Mitarbeiter seien zudem oft Einzelkämpfer auf ihrem Gebiet. „Immer mehr Aufgaben werden von der Europäischen Union, dem Bund und dem Freistaat zu uns delegiert“, verweist Paninka.
Fehlender Nachwuchs beziehungsweise Ersatz ist aber nicht nur beim Bau ein Problem. Auch Informatiker werden händeringend gesucht. Laut Donauwörths Hauptsamtsleiter ist die Situation in der Pflege, beim Kindergarten und in den Handwerksberufen angespannt und es kämen inzwischen viel weniger Bewerbungen. Noch könnten aber alle Stellen adäquat besetzt werden, informiert die Stadt. Auch Harburg hatte laut Bürgermeister Wolfgang Kilian im Bereich der städtischen Kita Mühe, Stellen nachzubesetzen. Zuletzt habe es dort einige Wechsel gegeben. „Wo es auch zunehmend schwieriger wird, ist bei den Reinigungskräften“, so Harburgs Bürgermeister. In allen anderen Bebewertet reichen sei es der Stadt bisher immer gelungen, die Stellen „mit guten Bewerbern“wieder zu besetzen.
Das Landratsamt teilt auf Anfrage mit, dass es derzeit schwierig sei, Mitarbeiter für den Asylbewerberleistungsbereich zu finden, auch weil es um befristete Stellen handle. Bei verzögerter Stellennachbesetzung im Landratsamt werden in der Arbeitserledigung Prioritäten gesetzt und bei Entspannung der Situation nachgeholt, heißt es vom Landratsamt. Auch greifen das Landratsamt und die Kommunen teils auf externe Unterstützung zurück, wobei auch deren Preise derart angestiegen sind in den vergangenen Jahren, dass es für die Kommunen schwierig werden kann, weil das Geld an anderer Stelle fehlt.
Ein weiteres Problem hat Kaisheims Bürgermeister ausgemacht: die Sekretärinnen. Auf die beiden ausgeschriebenen Sekretärinnenstellen meldeten sich drei Interessentinnen, nur eine bringt die gewünschten Kenntnisse mit. „Es ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen Bescheide verstehen und sich mit dem Thema Rechtsbehelfsbelehrung auskennen. Wir müssen fachlich prüfen und dann entscheiden, was wir tun.“In Bäumenheim setzen sie im Falle unzureichender Qualifikationen der Bewerber auf deren Einsatzwillen, benötigte Kenntnisse noch zu erwerben. Aktuell treffe dies auf zwei Gemeindemitarbeiter zu.
Derweil reagieren immer mehr Gemeinden auf den Personalmangel in dem sie selber ausbilden oder ihr Engagement in dem Bereich intensivieren. In Harburg gibt es beispielsweise Überlegungen im kommenden Jahr einen Fachangestellten für Klärbetriebe auszubilden, weil es aus Sicht der Stadt immer schwieriger wird, hier Mitarbeiter zu finden. „Die Voraussetzung ist natürlich immer, dass sich auch jemand bewirbt“, schränkt der Bürgermeister aufgrund der Arbeitsmarktsituation ein.