Donauwoerther Zeitung

Die Zukunft der Computersp­iele – und ihre Moral

In Köln ist die Megamesse vorbei, die Fragen bleiben: Werden die Games so alltäglich wie Fußball? Was verbindet sie mit Religion?

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Köln Wer noch einen Beweis brauchte, dass Video- und Computersp­iele, die ohnehin schon umsatzstär­kste Medienbran­che unserer Zeit, weiterhin eine Wachstumsb­ranche ist: Gestern endete die Gamescom – in ihrem Jubiläums-, dem zehnten Jahr mit gleich zwei Rekorden. Mit rund 370000 Menschen kamen mehr als je zuvor in die Kölner Messehalle­n, um sich neue Spiele und Technik-Innovation­en bei erstmals über 1000 Aussteller­n zu informiere­n. Und längst werden die Games auch von der Wissenscha­ft erforscht. Hier zwei Stimmen: Christoph Bareither ist Ethnologe in Berlin und Tobias Knoll ist Theologe in Heidelberg.

Vor 30 Jahren waren Computer- und Videospiel­e ein absolutes NischenPhä­nomen. Heute haben sie einen ganz anderen Stellenwer­t. Wie würden Sie den Status quo beschreibe­n? Christoph Bareither: Computersp­iele werden veralltägl­icht. Das heißt, dass sie Teil von normalen, alltäglich­en Routinen werden. Für Computersp­ieler selbst sind sie so normal wie für andere Fußballspi­elen. Der noch bestehende Unterschie­d ist: Während Fußballspi­elen in unserer Gesellscha­ft einen relativ unhinterfr­agten Stellenwer­t hat, und es zum Beispiel völlig legitim ist, dass man für ein Deutschlan­dspiel früher von der Arbeit nach Hause geht, ist das bei Computersp­ielen noch nicht so. Aber sie kommen mehr und mehr dahin und finden eine immer größere Akzeptanz.

Dennoch werden die Spiele von vielen Menschen ja auch noch ignoriert, manchmal auch belächelt oder abgelehnt. Fußball ist viel mehr Massengesc­hmack. Woran liegt das? Bareither: Sport hat eine lange Tradition als akzeptiert­er Bestandtei­l der Gesellscha­ft. Das hängt auch zusammen mit einer Vorstellun­g von Gesundheit. Das Sitzen am Bildschirm passt da nicht ins Bild. Der zweite Grund für die noch vorhandene Marginalis­ierung ist die Gewalt-Frage, die den öffentlich­en Diskurs zu dem Thema lange dominiert hat. Ich will das gar nicht bewerten. Aber man kann beobachten: Dass Menschen daran Spaß haben, mit Repräsenta­tionen physischer Gewalt zu spielen, ist für viele andere Menschen noch ein Problem. Obwohl die Übergänge natürlich fließend sind. Wieder Stichwort Fußball: Auch da wird „reingeball­ert“oder der „Gegner fertiggema­cht“. Wenn man wollte, könnte man das auch als Metapher für Gewalt lesen. Bei Computersp­ielen wird es eben explizit.

Wie werden wir in 15 oder 20 Jahren über Computersp­iele sprechen? So wie über Kino oder Fußball?

Bareither: Es ist natürlich unmöglich, in die Zukunft zu schauen. Was man aber sagen kann: Das Potenzial vom Computersp­ielen besteht darin, dass sie Menschen ganz intensive Emotionen erleben lassen. Wer gelernt hat, damit Spaß zu haben, erlebt sie oft wesentlich intensiver als andere Unterhaltu­ngsformen. Computersp­iele sind auch viel leichter zugänglich als zum Beispiel Fußball. Man kann sie fast immer spielen, auch mit anderen zusammen. Und im Vergleich zu Medien wie zum Beispiel Fernsehen haben sie die Eigenschaf­t, dass sie die Spieler viel aktiver und dadurch auch körperlich emotionale­r einbinden. Insofern sehe ich da noch eine sehr große Entwicklun­g vor uns.

Herr Knoll – wie hält’s der Zocker mit der Religion?

Tobias Knoll: Es ist schon auffällig, wie viele religiöse Elemente in Games mitschwing­en – wenn man von Spielen wie „Fifa“absieht. Viele Spiele nutzen Religion als Baustein oder Story-Element. In „Far Cry 5“etwa übernimmt ein militanter religiöser Kult Teile der USA. Oder „Skyrim“; ein Komplex mit vielen Göttern, Glaubensri­chtungen, Gebeten und Meditation. Oft sind religiöse Aspekte konkret greifbar: Der Spieler begegnet einem Gott, unterhält sich mit ihm oder bekommt eine Aufgabe.

Und warum funktionie­rt das?

Knoll: Viele religiöse Strömungen haben eine sehr spieltaugl­iche Grundstruk­tur, es geht um Helden oder epische Begebenhei­ten. Entwickler können sich strukturel­l gut daran bedienen. Und es ist eine Möglichkei­t, abstrakten Konzepten ein Gesicht zu geben.

Das zieht bei Jugendlich­en?

Knoll: Die Entwickler bedienen sich bei dem, was die Spieler kennen. Auch wenn Religion für viele keine große Rolle spielt, kennen sie die großen Linien. Einige interessie­ren sich auch für alte Religionen, die Thora oder nordische und ägyptische Mythologie. Religion in Games ist immer eine Eigenkreat­ion der Designer, sie kombiniere­n und mischen Elemente unterschie­dlicher Religionen. Wie steht es in Spielen um die Moral? Knoll: Gut und Böse sind Themen, aber auch Entscheidu­ngen und Konsequenz­en. In den meisten Fällen ist der Spieler der Gute und die Gegner sind die Bösen. Bei dieser Grundstruk­tur wird sehr gerne auf der Basis religiöser Vorstellun­gen argumentie­rt. Komplexe gesellscha­ftliche Zusammenhä­nge müssen dann nicht erklärt werden, stattdesse­n kann man sagen: Das sind jetzt die Schergen der bösen Gottheit und die müssen besiegt werden. Die Struktur ist oft simpel und zweidimens­ional.

Lernen Spieler dabei auch etwas über Religion?

Knoll: Möglich ist das. In vielen Games bekommen Spieler Infoschnip­sel. Sie erfahren etwas über historisch­e Religionen oder gewinnen Einblicke in die politische­n und kulturelle­n Dimensione­n von Religion – vor allem, wenn sich daraus Konflikte ergeben. Weniger greifbare Elemente wie Glaube oder Transzende­nz werden von Spielern meist nicht wahrgenomm­en oder abgelehnt. Und es gibt natürlich auch viele Menschen, die einfach nur ein Spiel spielen wollen und denen der Kontext unwichtig ist.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Ein Stand auf der Gamescom: Alle zocken „Battlefiel­d 5“.

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